Burgruine und legendenumwobene Rotunde
Ein tschechischer Reiseführer leitet zu den archäologischen Stätten Prags.
„Prag als tschechische Hauptstadt und vor allem sein historisches Zentrum zeichnen sich nicht nur durch seine oberirdischen Bauten aus. Ebenso interessant ist das, was sich unter der Erde verbirgt. Dieses archäologische Erbe ist aber nicht so bekannt, obwohl viele Archäologen in Prag arbeiten und ihre Erkundung des Stadtgebiets eine lange Tradition hat. Seit mehr als 50 Jahren wird auch der Untergrund des Stadtzentrums auf moderne Art erforscht. Dennoch sind die tollen Funde noch nie in kompakter Form einer breiteren Öffentlichkeit geschildert worden.“
Bisher unveröffentlichte Fotos
Deswegen haben 17 Archäologen mehrerer Institutionen nun einen Spezial-Reiseführer zusammengestellt. Das Buch im Taschenformat hat mehr als 300 Seiten.„Wir wollten nicht nur die bekannten archäologischen Fundstätten vorstellen, sondern auch weniger bekannte, die immer noch unter der Erde versteckt sind. Dabei spielt nicht der Fachtext die Hauptrolle, sondern ebenso wichtig sind die Fotos. Viele der Bilder sind bisher noch nicht veröffentlicht worden und lassen sich auch nicht im Internet finden“, so Podliska.
Zu den bekannteren archäologischen Funden gehören jene auf dem Hradschin oder auf dem Vyšehrad. Jaroslav Podliska nennt aber ein Beispiel jüngeren Datums, es stammt aus dem Spätmittelalter – und zwar die Burgruine Nový hrad u Kunratic (Wenzelsburg). Sie liegt inmitten des Waldes von Kunratice. Archäologe Podliska:
„Dieses Baudenkmal ist in der Öffentlichkeit nicht so präsent, obwohl wir Archäologen dort recht viel geforscht haben. Es handelt sich um die Ruine einer Burg am Rande Prags, die der böhmische König und römische Kaiser Wenzel IV. zu Beginn des 15. Jahrhunderts erbauen ließ. Der Herrscher verbrachte dort zwar nur kurze Zeit, verstarb aber dann auf der Burg kurz vor Ausbruch der Hussitenkriege. Danach wurde die Festung recht bald erobert, niedergebrannt und nicht mehr wieder aufgebaut. Heute befinden sich die Überreste in einer schönen Waldgegend. Vor einigen Jahren haben wir dort einen Lehrpfad angelegt. Das alles ist von der Metro aus sehr gut zu erreichen, in einer knappen Stunde Fußmarsch von der Station Roztyly (Metrolinie C, Anm. d. Red.) ist man dort.“Legende um den heiligen Wenzel
Aber auch relativ neue Funde aus der Prager Innenstadt werden dargestellt. So etwa die frühromanische Vorgängerin der Laurentius-Kirche auf dem Petřín (Laurenziberg). Und das frühere Dominikanerkloster am Ort, an dem heute das Klementinum steht. Oder die romanische Wenzelsrotunde auf dem Kleinseitner Ring. Um diese Rotunde rankt sich auch eine Legende.„In der Legende geht es darum, wie der Leichnam des Heiligen Wenzel aus Mladá Boleslav auf die Prager Burg gebracht wurde. Demnach scheuten die Pferde plötzlich unterhalb des Hradschin und wollten die Kutsche mit den Überresten nicht weiterziehen. Angeblich wurden an dem Ort Christen als Sklaven gehalten. Erst als sie freigelassen wurden, sollen die Pferde den Leichnam an den Ort des heutigen Veitsdoms gebracht haben“, so Jaroslav Podliska.
Fünf Jahre lang haben die Archäologen an dem Buch und einer entsprechenden Webseite gearbeitet. Dort werden 77 Fundstätten in und um Prag vorgestellt, und das in sechs Kapiteln zu den einzelnen Stadtteilen wie etwa der Neustadt oder dem Hradschin. Außerdem besteht eine multimediale Ergänzung:
„Zwar halten wir Bücher für die klassische Form der Informationsvermittlung, aber wir haben auch an jene Interessenten gedacht, die mit der Zeit gehen. Alle 77 Fundstätten in Prag haben jeweils im Buch einen QR-Code. Über das Smartphone gelangt man damit auf unsere Webseite, auf der eine elektronische Ausgabe des Reiseführers zu finden ist. Dort sind auch noch weitere Fotos einzusehen. Der Leser kann also die Prager Geschichte soweit durchforsten, wie er will.“
Englische Version geplant
Bisher besteht der archäologische Reiseführer nur auf Tschechisch. Mögliche Ergänzungen in einer oder in mehreren Fremdsprachen hätten das Buch selbst zu sehr aufgebläht, sagt Jaroslav Podliska. Prinzipiell erwägen die Herausgeber aber, das Werk in Zukunft irgendwann übersetzen zu lassen. Doch das könne noch dauern, sagt der Forscher. Zunächst müsse ein Partner für das Vorhaben gefunden werden und die Finanzierung stehen. Dennoch sollen auch ausländische Interessenten schon bald bedient werden:„Als Ersatz für eine Übersetzung wollen wir auf unseren Webseiten die wichtigsten Informationen zumindest in englischer Sprache anbieten. Bis zur Jahresmitte soll es also wenigstens in elektronischer Form eine fremdsprachige Version geben. Aber es bleibt zugleich unser Ziel, den Reiseführer auch in eine Weltsprache übersetzen zu lassen und herauszugeben“, sagt der Archäologe.
Auf der Webseite finden sich unter anderem auch interaktive Karten. Zudem haben die Fachleute nicht nur die einzelnen Fundstätten beschrieben. Sie schildern auch in kurzen historischen Abrissen, wie beispielsweise im Mittelalter gebaut wurde, wie das Zunftsystem funktionierte oder wie der Alltag der Prager in dieser Zeit aussah.Den Reiseführer gibt es bisher nur in einer Auflage von 2000 Stück. Verkauft wird er im Buchhandel und Informationszentrum des Nationalen Denkmalschutzamtes (Na Perštyně 12, Prag 1) sowie im Buchhandel des Archäologischen Instituts der tschechischen Akademie der Wissenschaften (Letenská 4, Prag 1).