Deutsch-Tschechische Fußballschule plant großes Turnier zum EU-Beitritt
Das mittlerweile schon wieder eine Woche alte Jahr 2004, das aus tschechischer Sicht mit der Eishockey-Weltmeisterschaft vom 24. April bis zum 9. Mai im eigenen Land, der Fußball-EM-Endrunde mit Nedved & Co. im Juni in Portugal und mit den Olympischen Sommerspielen in Athen gleich drei Höhepunkte bereithält, steht trotz all dieser Top-Events ganz im Zeichen des sich am 1. Mai vollziehenden EU-Beitritts von zehn europäischen Ländern.
"Die Idee zur Fußballschule ist im Prinzip noch zu Studienzeiten entstanden. Dort hatten wir uns, die wir selbst in der Grenzregion gebürtig sind, überlegt, was wir tun können, um die Menschen in der Grenzregion noch besser zusammen zu bringen, um die praktischen Vorteile der EU-Erweiterung aufzuzeigen. Und im Rahmen des Informationszentrums IDOR haben wir dann dieses Projekt aufgebaut und weiterentwickelt sowie einen Partner in Tschechien gesucht. Seit August 2002 gibt es daher eine grenzüberschreitende Deutsch-Tschechische Fußballschule. Das Projekt wurde im letzten August von Petra Buzková und Otto Schily getauft. Es findet statt im Dreiländereck Bayern - Böhmen - Sachsen, die EURegion Egrensis unterstützt es finanziell. Es ist aber so, dass wir bedauerlicherweise zurzeit nur bayerische und tschechische Kinder haben, sächsische Kinder haben trotz mehrmaliger Einladung bislang noch nicht zu uns gefunden."
Weshalb musste es aber gerade der Fußballsport sein, der zum zentralen Gegenstand des Projektes auserkoren wurde. Dazu Gerald Prell:
"Also der Ansatz war insofern der, dass wir uns gedacht haben, wir versuchen über das Hobby, den Sport, Kinder bzw. Menschen zusammen zu bringen. Das kann Fußball sein, das könnte aber auch Radfahren, Wandern oder Skifahren sein. Wenn nämlich Menschen aus zwei Nationen ein gemeinsames Hobby betreiben, spielt die Sprachbarriere eine geringere Rolle. Deshalb haben wir uns auch gedacht, wir versuchen über den Fußball sprachliche und auch kulturelle Vorbehalte und Unterschiede zwischen Deutschen und Tschechen abzubauen. Und da fangen wir eben bei den ganz kleinen Kindern an, denn da ist es am leichtesten."
Das ist ja alles schön und gut, doch wie muss man sich das Ganze vorstellen? Wie läuft das Projekt konkret ab? Wo, wann und in welchen Altersklassen wird trainiert?
"An Altersklassen haben wir bis jetzt die Acht- bis Zehnjährigen. Es ist so, dass wir jedes Jahr einen neuen Jahrgang von Acht- und Neunjährigen aufnehmen. Das Projekt existiert jetzt seit einem guten Jahr, wir haben ca. 40 Kinder, davon 20 Deutsche und 20 Tschechen. Das Training läuft derart ab, dass wir einmal pro Woche trainieren, abwechselnd in Hof oder in Franzensbad. Da ist es so, dass die Kinder immer mit einem Bus in das jeweilige Nachbarland gebracht und danach wieder nach Hause gebracht werden. Das Training selbst läuft folgendermaßen ab: Es werden gemischt-nationale Gruppen gebildet, wo vor allem die Leistung entscheidend ist, sowohl in der Schule als auch auf dem Spielfeld. Dann ist es so, dass die erste gemischt-nationale Gruppe einen Sprachkurs besucht, während die andere Gruppe parallel dazu auf dem Platz trainiert und nach einer Stunde wird gewechselt. Und zum Abschluss gibt es immer noch ein gemeinsames Essen, wo sich die Kinder dann sozusagen noch einmal gegenseitig austauschen können."
Das klingt ja viel versprechend, doch wie verständigen sich denn die jungen Knirpse nun miteinander?
"Ja, am Anfang war es natürlich ganz schön schwierig für die Kinder, da hat man sich noch mit Hand und Fuß verständigt bzw. musste unsere zweisprachigen Trainer zu Rate ziehen. Mittlerweile funktioniert die Kommunikation ganz gut auf dem Platz, es ist eine Sprache, die irgendwo zwischen Deutsch und Tschechisch liegt, die Wörter aus beiden Sprachen umfasst, und da wird dann auch ganz gern einmal durcheinander gemischt. Interessant ist beispielsweise, dass die spielerisch erworbenen Sprachkenntnisse dann im Sprachkurs systematisiert werden und sie die Kinder dann gern im Heimatland auch als ´Geheimsprache´ benutzen. Die deutschen Kinder machen schon jetzt viel Gebrauch von ihren Tschechischkenntnissen, wenn sie etwas untereinander aushecken möchten, ohne es ihren Eltern wissen zu lassen."
Das Gespräch mit Gerald Prell habe ich am Sonntag, dem 14. Dezember 2003, auf dem Gelände des FC Xaverov Prag geführt. Und zwar aus gutem Grund, denn die jungen Kicker der Deutsch-Tschechischen Fußballschule haben sich dort nicht rein zufällig aufgehalten. Den Anlass sagt uns der Projektleiter selbst:
"Jetzt sind wir also das erste Mal zu einem Trainingslager in Tschechien, hier in der Hauptstadt Prag. Die Kinder haben natürlich die Stadt kennen gelernt und können ihr erlangtes Wissen in der Praxis anwenden. Und es ist so, dass wir hier erneut zu einem Turnier mit gemischt-nationalen Mannschaften antreten, bei dem wir auf gute Teams aus Prag, Mittel- und Ostböhmen treffen."Die Spieler aus Bayern und Westböhmen waren mit großen Hoffnungen angereist, denn:
"Wir haben so glaube ich vier bis fünf Partien bestritten, und das schöne Ergebnis daran war, dass wir bisher nicht verloren hatten, auch wenn wir das letzte Turnier nicht gewinnen konnten, da eine andere Mannschaft am Ende das bessere Torverhältnis aufwies. Heute gab es die erste Niederlage. Das war insofern auch einmal ein neues Erlebnis für die Kinder und daher werden sie schnell merken, wie die Wettkampfpraxis aussieht. Es ist richtig, dass die Turniere natürlich die größte Belohnung für die Kinder sind, denn sie haben jetzt fast ein ganzes Jahr lang trainiert ohne zu spielen. Und jetzt können sie endlich zeigen, was sie wirklich draufhaben."
Zurzeit besteht die Deutsch-Tschechische Fußballschule aus zwei Teams im Altersbereich von 8 bis 10 Jahren. Das soll es aber noch längst nicht gewesen sein, denn wie ich von Herrn Prell erfahre, soll sie eines Tages - eine weiterhin solide Finanzierung vorausgesetzt - Mannschaften in allen Altersklassen von 8 bis 18 Jahren umfassen. Und auch der FC Bayern München unterstützt die Fußballschule bereits, weil:
"Es ist so, dass die Kinder in ihrer Freizeit nicht nur Fußball spielen, nur um einfach Spaß miteinander zu haben, sondern es ist auch sehr wichtig, dass die besten Talente auch ein bisschen gefördert werden. Das haben wir vor, und jetzt hat sich unser Ruf zudem dahingehend gestärkt, dass wir eben auch eine sehr gute Talentschule haben. Wir haben seit kurzem eine sehr gute Kooperation mit dem FC Bayern München. Dort können sich unsere Trainer fortbilden, dahin können wir auch unsere besten Talente zu einem Probetraining hinschicken. Insofern bestehen also Möglichkeiten und Kontakte und man muss sehen, wie sich die Kinder nun entwickeln."
Das sind ja tolle Aussichten, zumal:
"Das Schöne an dem Projekt ist ganz einfach, dass man nicht sagen kann, die Tschechen spielen technisch beschlagener als die Deutschen. Wenn das heute so ist, vielleicht vor allem bei den Herrenmannschaften, dann liegt das garantiert am Training. Aber hier gibt es in der Tat den Vorteil für uns, dass wir deutsche und tschechische Trainer und somit auch ein ganzes neues Trainingssystem haben. Bei uns wird auch sehr viel Wert auf Technik gelegt. Das heißt, und das hoffe ich auch, dass wir technisch beschlagene Spieler von beiden Staaten haben. Wir sehen das beispielsweise jetzt bei unserer A-Mannschaft, wo im Prinzip der Kopf des Teams ein tschechischer Junge ist, der noch dazu zum jüngeren Jahrgang gehört, seine Balllieferanten sozusagen aber von der deutschen Seite kommen. Man sieht also, dass die Zusammenarbeit auf dem Spielfeld hervorragend funktioniert und der grenzüberschreitende Doppelpass ist diesbezüglich in jeder Hinsicht gelungen."
Und weil dem so ist, trauen sich die Verantwortlichen in Hof, Marktredwitz und Franzensbad trotz des riesigen logistischen Aufwandes auch zu, am ersten Maiwochenende das bereits erwähnte Kinder-Fußballturnier durchzuführen. Die Motivation für dieses Turnier nennt uns zum Abschluss der Projektleiter und Trainer für die tschechische Seite, Pavel Marsík:
"Wir werden diese Veranstaltung selbstverständlich als ´Turnier Gemeinsames Europa´ bezeichnen. Wir wollen mit diesem Turnier zeigen, dass der Sport den Beitritt der neuen Mitgliedsländer in die EU feierlich begeht."