Die fremde Heimat

Gerd Krause (Foto: Autor)
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Wie es ist in der Fremde leben zu müssen, darüber haben Emigranten und Exilanten aller Nationalitäten und Epochen immer wieder Zeugnis abgelegt. Aber was es bedeutet, wenn man in der eigenen Heimat ein Fremder ist, ohne je den eigenen Geburtsort verlassen zu haben, darüber kann Gerd Krause viel erzählen. Christian E. Rühmkorf hat ihn zu Hause besucht.

Gerd Krause  (Foto: Autor)
Die Heimat, von der Gerd Krause spricht, liegt heute im Norden der Tschechischen Republik, am Rande des Isergebirges. Es ist das Dorf Bily potok/Weißbach bei Hejnice/Haindorf im ehemaligen Sudetengebiet. Geboren 1953 hat Gerd Krause von Flucht und Vertreibung nur aus Erzählungen gehört. Dass er selbst in der Tschechoslowakei geboren wurde und nicht in Deutschland, verdankt er dem Beruf seines Vaters: Fachkräfte wie Schlosser und Elektriker mussten nach dem Krieg im Land bleiben und durften - falls sie noch wollten - erst Jahre später nach Deutschland übersiedeln, wie Gerd Krause berichtet:

"Na ja, mein Vater hat sich dann irgendwie eingelebt. Es war für ihn hart. Er hat sehr of t- wie man sagt - die Zähne zusammenbeißen müssen, aber irgendwie wollte er nicht die Heimat verlassen, obwohl er dann konnte. Er ist hier in den Bergen geblieben."

Der junge Gerd war Deutscher, fühlte sich als Deutscher und war doch zugleich Tschechoslowake. Die Spannungen, die daraus erwuchsen, waren immer präsent. Er spürte sie auch in der eigenen Familie.

Haindorf / Hejnice
"Mein Vater konnte sehr schlecht tschechisch, fast gar nichts. Meine Mutter wiederum konnte beide Sprachen perfekt, also war das nicht so schlimm. Wenn der Vater zur Arbeit war, wenn wir nur mit der Mutter zu Hause waren, konnten wir mit ihr tschechisch sprechen. Sofern der Vater zu Hause war, mussten wir alle umschalten. Unser Vater war Preuße!"

Eingeschult wurde Gerd Krause im Jahre 1960. Er musste also so Tschechisch sprechen, dass er in der Schule folgen konnte. Sich in die tschechische Klassengemeinschaft einzufügen, war ebenso mit Problemen verbunden. Vor allem dann, wenn im Geschichtsunterricht die Zeit des Nationalsozialismus und der Okkupation besprochen wurde.

Gerd Krause  (Foto: Autor)
"Man ist halt hier aufgewachsen, man hat sich mit den Tschechen angelegt, man hat Freunde gehabt. Aber Nachteile gab es schon: Wenn zum Beispiel in der Klasse über den Krieg und diese Sachen gesprochen wurde, dann habe ich das immer als Deutscher zu spüren bekommen; auch von der Lehrerin, auch wenn das nicht gerecht von ihr war, aber dennoch, auch die Lehrerin hat das manchmal gezeigt."

Wäre es unter diesen Umständen nicht leichter gewesen für Gerd Krause die deutsche Identität aufzugeben und einfach Tscheche zu werden?

"Es wurde mir schon damals in der siebten, achten Klasse empfohlen oder in der neunten Klasse, als wir 15 waren und den Personalausweis kriegten, dass ich das alles auf Tschechisch umändern sollte. Das wollte ich natürlich nicht. Das gab wieder Nachteile."