Die Friedhofskapelle auf dem Vysehrad wird wieder geöffnet

Вышеград
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Die sagenumwobene Prager Festung Vysehrad erlebte ihre Blütezeit als Herrschersitz im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts. Heute stellt der Vysehrad für die meisten Prager vor allem den Ort dar, an dem viele namhafte Persönlichkeiten des tschechischen Kulturlebens bestattet sind. Während der kommunistischen Herrschaft wurde die Vysehrader Friedhofskapelle als Lagerraum zweckentfremdet. Nach etwa fünfzig Jahren wird am Allerseelentag die Kapelle erstmalig wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Auf den Vysehrad laden Sie Martina Schneibergova und Bernd Janning im folgenden Spaziergang durch Prag ein.

St.-Martins-Rotunde  (Foto: Autorin)
Der Vysehrad war einer Sage nach Sitz der tschechischen Stammmutter, der Fürstin Libussa. Die weise Seherin Libussa inspirierte nicht nur Literaten, sondern auch Komponisten, ihre Existenz ist jedoch historisch nicht bewiesen. Aus den archäologischen Ausgrabungen geht hervor, dass auf dem Vysehrad um das Jahr 930 eine Festung entstand und dass diese ab der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts für einige Jahre Fürstensitz war. Die Blütezeit erlebte der Vysehrad unter dem premyslidischen Fürsten und späteren ersten böhmischen König Vratislav im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts. Streitigkeiten mit seinem Bruder, dem Bischof Gebhart bewogen Vratislav zur Übersiedlung von der Prager Burg auf den Vysehrad, wo er ein Stiftskapitel errichtete, das nicht dem Prager Bischof, sondern direkt dem Papst untergeordnet war. Das zur St.-Peter- und Paulus-Kirche gehörende Stiftskapitel war eine bedeutende geistliche und kulturelle Institution. Aus dieser Zeit stammt die bekannte St.-Martins-Rotunde auf der Festung.

Foto: Autorin
Von der Blütezeit des Vysehrad kehren wir nun in die Gegenwart zurück. Die meisten Besucher kommen zum Vysehrad, um den hiesigen Friedhof zu besichtigen. Dort sind zahlreiche namhafte Persönlichkeiten des tschechischen Kulturlebens bestattet. Die nationale Grabstätte wurde auf Initiative des Propstes Vaclav Kliment Stulc anstelle eines kleinen alten Friedhofs in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet. In den 1890er Jahren wurde eine große Gruft als Ruhestätte für namhafte Persönlichkeiten gebaut. Sie wird im Tschechien "Slavin" genannt, was ungefähr als "Ehrenfriedhof" übersetzt werden könnte.

Im mittleren Teil der Arkaden, die den Friedhof auf dem Vysehrad nach Westen, Norden und Nordosten begrenzen, ließ Architekt Antonin Wiehl im Jahre 1899 eine kleine Kapelle errichten. Sie sollte jener Zentralpunkt des Friedhofs sein, den auf anderen Friedhöfen ein großes Kreuz darstellt. Der Leiter der Vysehrader Kapitelkanzlei, Jan Kotous, dazu:

"Unter der Kapelle befindet sich die Gruft der Vysehrader Chorherren. Nach einem Umbau der St. Peter und Paul Kirche wurden die sterblichen Überreste, der in der Kirche bestatteten Geistlichen, hierhin übertragen. Die Kapelle diente dem Vysehrader Stiftskapitel ungefähr bis 1950 als ein Verwaltungszentrum des Friedhofs. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts durfte das Vysehrader Kapitel die Kapelle nicht mehr benutzen, und 1961 wurde sie samt Friedhof vom Staat konfisziert."

Foto: Autorin
Die Kapelle war zunächst ein Büro und wurde später in einen Lagerraum verwandelt. Diese Nutzungen taten dem Sakralbau nicht gut. Nach der Wende 1989 ersuchte das Vysehrader Kapitel um die Rückgabe der Kapelle und des Friedhofs, sagt Jan Kotous:

"Die Verhandlungen über die Rückgabe wurden sehr lange geführt, obwohl der Friedhof mit der Kapelle aufgrund von Rechtsbeschlüssen konfisziert worden waren, die später für ungültig erklärt wurden. Die Rückgabe wurde vom Rat des Prager Magistrats inzwischen gebilligt, aber als der Fall im Plenum diskutiert wurde, stellten sich kirchenkritische Stadtvertreter gegen eine Rückübertragung. Schließlich wurde mit der Führung des Magistrats eine Kompromisslösung gefunden. Die Frage nach der Rückgabe des gesamten Friedhofs ist zwar noch nicht geklärt, aber die Kapelle mitsamt Gruft, einige Priestergräber und der ehemalige Kinderfriedhof wurden der Kirche zurückgegeben. Auf dem einstigen Kinderfriedhof wurde ein Mahnmal für die vom totalitären Regime verfolgten Priester Ordensmitglieder aufgestellt."

Als 1999 die Friedhofskapelle der Kirche zurückgegeben wurde, befand sie sich in einem desolaten Zustand, so Jan Kotous. Die Gruft sei, so Kotous, mehrmals ausgeraubt und nahezu vernichtet worden:

Vysehrad
"Dies war umso trauriger, weil in der Gruft einige Persönlichkeiten bestattet wurden, die nicht nur dem Vysehrad große Verdienste leisteten, sondern auch der tschechischen Kultur überhaupt. Zu erwähnen ist beispielsweise der Vysehrader Propst Vaclav Kliment Stulc, der zugleich Dichter war und Zeit seines Lebens die Schriftstellerin Bozena Nemcova unterstützte. Begraben wurde hier auch Mikulas Karlach. Ein weiterer bedeutender Vertreter der tschechischen Intellektuellenszene des 19. Jahrhunderts. Er initiierte den Umbau des Vysehrad und auch die Errichtung des Ehrenfriedhofs. Seine Leistungen werden heute kaum noch gewürdigt."

Jan Kotous hob des Weiteren die relative unbekannte Persönlichkeit - Propst Frantisek Zapletal hervor. Zapletal wirkte zwanzig Jahre lang in Rom und es gelang ihm dort in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das tschechische Kolleg "Nepomucenum" aufzubauen. Noch heute steht das Kolleg tschechischen Studenten offen.

Mit Hilfe des Prager Magistrats konnte mit der längst überfälligen Renovierung der Friedhofskapelle endlich begonnen werden. Jan Kotous dazu:

Foto: Autorin
"Die Touristen fragen oft danach, wo die Propste Stulc und Karlach begraben sind, weil man ihre Namen in jedem Buch über Vysehrad lesen kann. Aus diesem Grund entschieden wir uns bei der Renovierung der Kapelle dafür, im rechts gelegenen Nebenraum eine würdevolle, aber sehr einfache Grabstätte für die drei bekanntesten Propste des Vysehrad zu errichten. Wie wollten dort keine prunkvollen Sarkophage aufstellen und so ließen wir einfache Steinbänke aufbauen. In Anlehnung an das schlichte Gottes Grab in Jerusalem. Im linken Nebenraum wurden historische Grabmäler untergebracht, die früher in der Umgebung der Kirche standen und durch die Witterungsbedingungen stark beschädigt waren. Es handelt sich um Grabmäler von jenen, die auf dem Friedhof begraben wurden und deren sterblichen Überreste in die Krypta übertragen wurden."

Die Friedhofskapelle wurde am vergangenen Dienstag feierlich gesegnet. Am Allerseelentag werden ihre Türen erstmals wieder für Besucher offen stehen.

Damit sind wir, liebe Hörerinnen und Hörer, fast am Ende des heutigen Spaziergangs angelangt, in dem wir Sie über die Wiedereröffnung der Vysehrader Friedhofskapelle informierten.

Vysehrad soll, wie wir bereits erwähnt haben, der Sitz der legendären böhmischen Fürstin Libussa gewesen sein. Diese Herrscherin ist auch die Hauptgestalt einer gleichnamigen Oper. Wenn Sie den Namen des Komponisten, der die Oper Libuse / Libussa schrieb, können Sie ihn uns schreiben. Denn so lautet die heutige Frage zur Sendung, für deren richtige Beantwortung Sie eine CD gewinnen können. Der Komponist wurde übrigens auf dem Vysehrader Friedhof begraben. Ihre Zuschriften richten Sie an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.

In der letzten Ausgabe des Spaziergangs durch Prag im September fragten wir Sie danach, wo sich das Gebäude des Neuen Deutschen Theaters in Prag befand beziehungsweise welche Bühne dort heute ihren Sitz hat. Das Gebäude, in dem heute die Staatsoper Prag ihren Sitz hat, befindet sich zwischen dem Nationalmuseum und dem Hauptbahnhof in der Legerova 75. Eine CD geht diesmal an Josef Kretschmer aus Bebra.