Die Prager Pinkas-Synagoge wurde wieder geöffnet

Pinkas-Synagoge

Während der Flutkatastrophe, die im vergangenen Sommer über die tschechische Hauptstadt hereinbrach, wurden auch mehrere historische Sehenswürdigkeiten überschwemmt und beschädigt, darunter die Pinkas-Synagoge. Nach fast vierzehn Monaten wurde sie am Montag vom Prager Jüdischen Museum wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Martina Schneibergova und Dagmar Keberlova laden Sie im folgenden Spaziergang durch Prag in die renovierte Pinkas-Synagoge ein.

Pinkas-Synagoge
Die Prager Pinkas-Synagoge ist neben der Altneu-Synagoge und dem Alten jüdischen Friedhof die am besten erhaltene Sehenswürdigkeit der ehemaligen Prager Judenstadt. Sie befindet sich in der Siroká-Straße gleich neben dem Alten Jüdischen Friedhof. Die Synagoge ist ein Bauwerk der Familie Horovic, sie wurde 1535 von Aron Mesullam Horovic erbaut. Arno Parík vom Jüdischen Museum sagte mir dazu:

Namen tschechischer Juden,  die während der Nazi-Okkupation ermordet wurden
Die Synagoge diente ihrem Zweck bis zum September 1941, danach wurde sie - ähnlich wie andere Synagogen im Protektorat - geschlossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg - in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts - wurde die Synagoge in eine Gedenkstätte für die Holocaust-Opfer umgewandelt. An die Wände der Synagoge wurden 77.297 Namen tschechischer Juden geschrieben, die während der Nazi-Okkupation ermordet wurden. Neben den Namen wurden auch persönliche Daten und die Heimatgemeinden der Opfer notiert.

Namen tschechischer Juden,  die während der Nazi-Okkupation ermordet wurden
Nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Warschauer Vertragsstaaten im Jahre 1968 wurde die Gedenkstätte für mehr als zwanzig Jahre geschlossen, die Inschriften wurden beschädigt und allmählich beseitigt. Erst nach der Wende von 1989 konnte die Synagoge einschließlich der Opfernamen wieder renoviert und auch als Gedenkstätte geöffnet werden.

Wasser in der Synagoge  (Foto: Dana Cabanova und Petr Kliment)
Während der Hochwasserkatastrophe stand das Wasser in der Synagoge anderthalb Meter hoch und beschädigte auch die vor einigen Jahren restaurierten Inschriften. Die Schäden wurden später auf 8 Mio. Kronen (umgerechnet ca. 270.000 Euro) beziffert. Die Renovierung der Räumlichkeiten wurde teilweise durch Spenden aus dem Ausland finanziert. Die gesamte Rekonstruktion wurde jedoch noch nicht beendet. In diesem Monat wird man mit der Wiederherstellung der stark beschädigten Inschriften beginnen, die vollständig beseitigt werden mussten.

Wasser in der Synagoge  (Foto: Dana Cabanova und Petr Kliment)
In der ersten Etage der Pinkas-Synagoge wurde eine ständige Ausstellung der Kinderzeichnungen aus Terezín/Theresienstadt wieder geöffnet. Die Ausstellung der Kinderzeichnungen aus Terezín/Theresienstadt trägt den Untertitel "Die Geschichte der Kinder" und sie wurde als eine Art Mini-Geschichte zusammengestellt, damit auch ein Besucher, der sich in der Geschichte nicht auskennt, begreifen kann, wie das Leben der jüdischen Kinder während des Zweiten Weltkriegs aussah. Es geht um Illustrationen des Alltagslebens im Ghetto in Theresienstadt, die das Leben der Kinder in der Kinderheimen betreffen bis zu den Transporten in das KZ Auschwitz. Es werden hier an 180 Kinderzeichnungen und Gegenstände ausgestellt. Wodurch unterscheidet sich diese Ausstellung der Kinderzeichnungen aus Theresienstadt von einer ähnlichen Ausstellung, die früher in der ehemaligen Zeremonienhalle beim alten jüdischen Friedhof zu sehen war? Die Kuratorin der Ausstellung Michaela Hájková dazu:

"Die neue Ausstellung unterscheidet sich von der einstigen Ausstellung grundsätzlich dadurch, dass sie ausschließlich Kinder betrifft. Die Arbeiten erwachsener Gefangenen aus dem Ghetto in Theresienstadt wurden hier nicht miteinbezogen. Die Ausstellung konzentriert sich wirklich darauf, das Leben der Kinder im Theresienstädter Ghetto zu beschreiben."

Kinderzeichnungen aus Terezín
In der Ausstellung kann jedoch nur ein Bruchteil von den insgesamt 4.000 Kinderzeichnungen gezeigt werden, die sich in den Sammlungen des Jüdischen Museums befinden. Nach welchen Kriterien wurden die Zeichnungen für die Ausstellung in der Pinkas-Synagoge ausgesucht?

"Es war sehr schwer, aus dieser Menge von Zeichnungen die einzelnen Exponate für unsere Ausstellung auszusuchen. Es ging uns vor allem darum, durch die Geschichte zu führen, die Geschichte der Kinder zu erzählen. Wenn es mehrere sehr gute Beispiele von Zeichnungen gab, die dieselbe Erfahrung illustrierten, dann war es schwierig, sich nur für eine davon zu entscheiden."

Kinderzeichnungen aus Terezín
Die Kinderzeichnungen sind gleich nach der Befreiung von Theresienstadt im Jahre 1945 Bestandteil der Sammlungen des Museums geworden. Die Zeichnungen wurden in zwei Koffern aufbewahrt, die dem Museum übergeben wurden. Es handelte sich eigentlich um eine Auswahl von Zeichnungen, die von Friedel Dicker-Brandeis, einer Bauhaus-Schülerin und Zeichenlehrerin der Theresienstädter Kinder zusammengetragen wurden. Sie bewahrte damals diese Zeichnungen wahrscheinlich mit der Absicht auf, das Material in ihrer weiteren Arbeit zu nutzen. Friedel Dicker-Brandeis wurde am 6. Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt. Die beiden Koffer mit Zeichnungen versteckte sie in einem der Kinderheime, und sie wurden nach dem Krieg unversehrt dem Museum übergeben.

Die wieder geöffnete Pinkas-Synagoge ist Bestandteil des Rundgangs durch die Objekte des Prager Jüdischen Museums. Dazu gehören außerdem die Ausstellungen in der Maisel- und der Spanischen Synagoge, der alte Jüdische Friedhof, die Klausensynagoge und die Zeremonienhalle. Alle diese Objekte sind vom April bis zum Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet - mit Ausnahme von Samstag und von den jüdischen Feiertagen. Vom November bis März sind die historischen Objekte von 9 bis 16.30 Uhr geöffnet. Die Eintrittskarten können im Reservationszentrum des Jüdischen Museums bestellt werden.