Ex-Umweltminister und Bürgeraktivist Bursík: „Zwischen Tschechien und Tibet gibt es Parallelen“
An mehr als 870 Rathäusern in Tschechien wurden an diesem Montag tibetische Flaggen gehisst. Damit wird an den 66. Jahrestag des Aufstands der Tibeter gegen die chinesische kommunistische Herrschaft erinnert.
Die Tschechische Republik schloss sich 1996 erstmals der internationalen Kampagne „Flagge für Tibet“ an. Die Initiative hat einen symbolischen Charakter und ist ein Ausdruck der Solidarität mit den Tibetern. Der Ex-Umweltminister Martin Bursík (Les) ist Mitbegründer des Vereins „Češi Tibet podporují“ (Tschechen unterstützen Tibet). Dieser habe gute Kontakte zur International Campaign for Tibet, merkte Bursík gegenüber Radio Prag International an.
„Dies ist die größte internationale Organisation, die Tibet unterstützt. Sie wird vom US-amerikanischen Schauspieler Richard Gere geleitet. Wir haben zwar Informationen über die Lage in Tibet, diese können jedoch nicht überprüft werden. Denn alles wird von der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert. Wir wissen, dass es in Tibet weiterhin Repressionen gibt. Menschen werden aufgrund von falschen Anschuldigungen ins Gefängnis geschickt und dort gefoltert. Eine große Aufmerksamkeit weckt international vor allem die gewaltsame Assimilierung tibetischer Kinder.“
Mehr als eine Million Kinder wurden laut Bursík aus ihren Familien herausgerissen und mit Gewalt in Internatsschulen gebracht. Dort lernen sie Chinesisch anstatt Tibetisch, die kommunistische Ideologie anstatt Buddhismus und dürfen keine für Tibet typische Kleidung tragen. Dies sei jedoch noch nicht alles, so der Bürgeraktivist:
„Außerdem läuft dort seit einigen Jahren eine Aktion, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Die Chinesen entnehmen den Tibetern massenhaft DNA-Blutproben. Es stellt sich die Frage, warum dies geschieht. Der Verdacht geht dahin, dass damit eine ethnische Säuberung vorbereitet werden soll. Dies ist natürlich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Lage ist kritisch. Einige US-amerikanische NGOs sagen, dass die Menschenrechtslage in Tibet gleich nach Syrien am schlimmsten in der Welt sei.“
Tibet ist seit 1950 von China okkupiert. Bursík zufolge fällt es schwer, die Aufmerksamkeit so lange auf Tibet und seine Bewohner zu konzentrieren. Es gebe jedoch einige Parallelen zwischen Tschechien und Tibet, merkt der Ex-Politiker an:
„Wir haben auch die Besetzung des Landes durch eine fremde Macht erlebt, wir hatten auch eine Exilregierung. Die Tibeter haben ihre Exilregierung in Indien. Die Studenten Jan Palach und Jan Zajíc haben sich selbst verbrannt, um die Gesellschaft wachzurütteln. In Tibet haben sich 157 Menschen aus Protest gegen die Unterdrückung selbst verbrannt. Es war kein Zufall, dass Expräsident Václav Havel eine sehr gute Beziehung zum Dalai Lama hatte und dass die Tschechische Republik und Tibet einander so nahestehen. Am 10. März werden tibetische Flaggen traditionell an mehreren Hundert Rathäusern, Schulen und Universitäten hierzulande gehisst.“
Wie der Bürgeraktivist sagt, begreife die aktuelle politische Vertretung Tschechiens, dass es notwendig sei, Tibet zu unterstützen. Er macht darauf aufmerksam, dass auch aus den Fenstern der beiden Parlamentskammern tibetische Flaggen hängen. Die Symbolik sei nicht nur für die tschechische Bevölkerung bestimmt, so Bursík.
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„Die Exil-Tibeter nehmen es zur Kenntnis und schätzen es sehr, dass ein kleines, entferntes Land in Mitteleuropa seine Solidarität zum Ausdruck bringt. In diesem Jahr wird die Unterstützung sichtbarer. Denn der Dalai Lama wird 90 Jahre alt, und wir planen gemeinsam mit weiteren NGOs viele Veranstaltungen. Damit bringen wir unsere Unterstützung für den Kampf der Tibeter für ihr Selbstbestimmungsrecht und ein freies Tibet zum Ausdruck.“
Tibetische Flaggen hängen aber nicht nur an tschechischen Rathäusern, sondern wurden am Samstag auch auf dem höchsten Berg des Landes, der Schneekoppe, gehisst. Martin Bursík dazu:
„Vor etwa fünf Jahren kam der Vorsitzende der Gruppe der Freunde Tibets im Senat, Senator Přemysl Rabas, auf die Idee, dass wir den Tibetern, die in einer Höhe von etwa 4500 Metern leben, am nächsten wären, wenn wir die Schneekoppe besteigen würden. Diese Initiative hatte Erfolg, und seitdem treffen wir auf der Schneekoppe zusammen und haben tibetische Flaggen dabei. Und seit der russischen Aggression gegen die Ukraine werden auch ukrainische Flaggen mitgenommen.“