Frostige Winternächte: Tschechische Notunterkünfte erweitern ihre Kapazitäten

Illustrationsfoto: Jan Ptáček, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Menschen ohne Wohnung sind in Tschechien dieser Tage einem doppelten Risiko ausgesetzt: Das Coronavirus verbreitet sich wieder schneller, und das Land erlebt eine Serie von sehr kalten Nächten. Die Betreiber von Notunterkünften tun ihr Bestes, um die ausgelasteten Kapazitäten aufzustocken.

Foto: Archiv der tschechischen Heilsarmee

Laut Vorhersage bleibt es in Tschechien noch mindestens bis zum Wochenende bei dem strengen Winterwetter. In den Nächten fällt das Thermometer örtlich bis auf minus 20 Grad Celsius. Für Menschen ohne Wohnung kann das lebensgefährlich sein. Die Notunterkunft im westböhmischen Sokolov / Falkenau an der Eger bietet 26 Betten an. Voll belegt waren diese schon in der vergangenen Woche. Der Schlafsaal wird von einigen Menschen das ganze Jahr über genutzt. Nicht nur in diesem strengen Winter würden die Plätze darum nicht ausreichen, seufzt die Leiterin der Einrichtung, Iveta Leischová:

„Ersatzräume gibt es leider nicht. Tatsächlich waren wir ursprünglich als Ersatzeinrichtung gedacht, denn wir betreiben auch noch Frauenhäuser. Dort gibt es eigentlich ausreichend Betten. Aber sie werden eben längerfristig genutzt.“

Foto: Tschechisches Fernsehen

Derzeit sind überall im Land die Betten der Notunterkünfte jeden Abend schnell belegt. Für nachkommende Klienten bleibt dann maximal eine „teplá židle“, ein „warmer Stuhl“ also, auf dem die Nacht verbracht werden kann. Die Stadtverwaltung von Cheb / Eger hat zudem ein Zelt errichtet, um bedürftigen Menschen wenigstens etwas Schutz zu bieten. Eine Feuerstelle, für die Holz zur Verfügung gestellt wird, soll für Wärme sorgen.

Dieses Zelt stand bereits im vergangenen Winter. In der Corona-Krise hätte es noch eine weitere Funktion bekommen, sagt der stellvertretender Bürgermeister Jiří Černý (Volba pro město):

Jiří Černý  (Foto: Archiv von Jiří Černý)

„Das hat natürlich auch mit der Pandemie zu tun. Wenn die Menschen dieses Zelt nutzen und hier zusammenkommen, können wir wenigstens gleich ihren Gesundheitszustand überprüfen. Wir werden uns nach ihrem Befinden erkundigen, Fieber messen und sie bei Bedarf ins Testzentrum überweisen.“

Černý zufolge kann das Zelt 30 bis 35 Personen aufnehmen. Nach letzten Zählungen leben in Cheb etwa 140 Menschen ohne Wohnung.

Auch in České Budějovice / Budweis könnten mehr Schlafplätze für Bedürftige gebraucht werden. In der Notunterkunft im Dům svatého Pavla gibt es normalerweise 20 Betten. Wegen der Anti-Corona-Maßnahmen musste die Zahl aber auf zehn reduziert werden. Gewöhnlich kostet eine Übernachtung 50 Kronen, also knapp zwei Euro. In den derzeitigen eisigen Winternächten werde die Gebühr aber nicht erhoben, berichtet die Leiterin der Einrichtung, Petra Vohlídalová:

„Wir haben beschlossen, dass die Klienten dafür nicht aufkommen müssen, sondern Gelder aus dem Projekt ‚Budějovická noclenka‘ (zu Deutsch: Budweiser Nachtlager, Anm. d. Red.) eingesetzt werden. Wir sind sehr froh darüber, aber alles hängt natürlich immer davon ab, ob Finanzmittel vorhanden sind. Sie stammen von Spendern, und wenn es diese nicht gibt, können wir auch keine kostenlosen Betten anbieten.“

Aktuell seien die Finanzlage und die Spendenbereitschaft aber gut, ergänzt Vohlídalová. Ähnlich hat die tschechische Heilsarmee die „Nocleženka“, also eine Art Herbergsticket erdacht. Dabei handelt es sich um einen Gutschein, den Spender im Internet für 100 Kronen (3,90 Euro) erwerben können, um jemandem eine Übernachtung in einer Notunterkunft zu ermöglichen. Streetworker verteilen ihn dann an Menschen, die auf der Straße leben.

Auch in den Schlafsaal in Budweis kommen zum größten Teil immer dieselben Klienten, die das Angebot zu allen Jahreszeiten nutzen. In letzter Zeit habe sie aber auch einige neue Gesichter entdeckt, so Petra Vohlídalová:

Notunterkunft in České Budějovice  (Foto: Zdeněk Zajíček,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

„Sowohl in der Notunterkunft als auch im Tageszentrum kommen derzeit neue Klienten hinzu, die wir vorher noch nie gesehen haben. Gerade gestern haben zwei Herren erzählt, sie hätten ihre Arbeit wegen der Corona-Krise verloren. Das Interesse wächst also, und ich mache mir ein wenig Sorgen, was noch kommen wird.“