Mittelalterliche Holzplastik mittels Computertomographie untersucht

Vor knapp einem halben Jahr stellte die Prager Nationalgalerie einen einzigartigen Neuzugang den Medien vor: eine Madonnen-Holzplastik aus dem 14. Jahrhundert. Diese Woche wurde das Kunstwerk einer Computertomographie unterzogen.

Madonna von Havraň | Foto: Nationalgalerie Prag

Die Holzplastik wird „Madonna von Havraň“ genannt. Denn sie stand nachweisbar im 19. Jahrhundert in der Laurentius-Kirche in der Gemeinde Havraň / Hawran nahe der nordböhmischen Stadt Most / Brüx. Die Madonna wird als Himmelskönigin dargestellt. Sie sitzt mit dem Jesuskind auf einem Thron, den musizierende Engel tragen.

Wissenschaftler haben nun erforscht, ob es an der Plastik Elemente gibt, die nicht original sind und erst nachträglich hinzugekommen sind. Dafür wurde das Kunstwerk einer Computertomographie unterzogen. Das geschah aber nicht in einer Klinik, sondern im High-Tech-Pavillon der Landwirtschaftlichen Universität in Prag. Restauratorin Markéta Pavlíková sieht sich gerade auf dem Computerbildschirm einige Details der Plastik an:

„An der Hand der Madonna ist zu erkennen, dass sie durch ein Stück ergänzt wurde, das nicht aus Holz besteht. Es handelt sich um eine Masse aus Sägemehl und Leim. Die große Entdeckung für mich ist die Art, wie diese Masse angeklebt wurde. Zu sehen sind auch die Fragmente der Originalhand.“

Foto: Zuzana Machálková,  Tschechischer Rundfunk

Das Gerät, mit dem die Experten die Holzplastik untersuchen, sei dasselbe wie die entsprechenden medizinischen Vorrichtungen, merkt Jiří Turek an.

„Würde ein Patient kommen, könnte man auch ihn mit dem Computertomographen problemlos untersuchen“, sagt der technische Radiologe von der Landwirtschaftlichen Universität.

Ein Vorteil besteht Turek zufolge darin, dass die Holzplastik stärker bestrahlt werden kann als ein Mensch. Dadurch ließen sich mehr Informationen sammeln, erläutert Restauratorin Pavlíková:

„Wir sehen an der Plastik eine weitere Ergänzung, und zwar an der Hand des Jesuskinds. Ich muss wissen, wie das Stück befestigt wurde. Die ursprüngliche Hand wurde vermutlich abgeschnitten, nachträglich wurde eine neue geschaffen, die jedoch in eine andere Richtung zeigt. Im Inneren der Masse sind einige Höhlungen zu erkennen. Auch das ist interessant.“

Foto: Zuzana Machálková,  Tschechischer Rundfunk
Alicja Knast,  Olga Kotková und Martin Baxa | Foto: Anna Kubišta,  Radio Prague International

Mit der Computertomographie lassen sich Schäden am Holz sehen sowie die verschiedenen Holzschichten. Das liefert den Restauratoren Erkenntnisse darüber, wie die Plastik in der Vergangenheit repariert wurde und was wirklich noch original ist. Sie können durch das Gerät auch ihre vorherigen Erkenntnisse überprüfen. Dazu Olga Kotková von der Nationalgalerie:

„Meine Kollegin, die Chemikerin ist, fand Email in einer der Schichten. Dieses Pigment wird erst seit 1540 benutzt. Mich hat der Fund etwas beunruhigt. Aber dann habe ich mir die Bilder selbst angeschaut und gesehen, dass sich das Email erst in der dritten Schicht befindet. Die Emailschicht war also nicht die Originalschicht. Da habe ich erleichtert aufgeatmet. Denn mir war klar, dass die Madonna einiges schon hinter sich hat. Darum wollen wir auf diese Weise alles erforschen.“

Die Madonna ist nach der Meinung von Kotková wirklich einzigartig.

„Ihre Bedeutung ist enorm. Denn sie stammt aus der Zeit von Karl IV., sie entstand um 1360. Damals war Böhmen das Zentrum Europas oder man könnte auch sagen der ganzen Welt.“

Das Kunstwerk entstand der Expertin zufolge in der Werkstatt des Meisters der Madonna von Bečov / Petschau. Es wurde auf dem Dachboden eines Hauses in der Gegend von Most / Brüx gefunden. Die Hausbesitzer wollen anonym bleiben. Die Nationalgalerie konnte die Madonna dank finanziellen Mitteln des Kulturministeriums erwerben.

Madonna von Havraň | Foto: Nationalgalerie Prag
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