Nach Zugunglück: Tschechien diskutiert über gefährliche Bahnübergänge

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Das schwere Zugunglück in Nordmähren beschäftigt weiter die Öffentlichkeit in Tschechien. Im Ort Studénka / Stauding war am Mittwochmorgen ein Hochgeschwindigkeitszug an einem Bahnübergang in einen Lastwagen gerast. Nun wird darüber diskutiert, wie sicher Bahnübergänge hierzulande sind. Experten sprechen dabei von fatalen Fehlern der Politik.

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Es ist eines der schwersten Zugunglücke in Tschechien überhaupt. Mittlerweile sind drei Todesopfer zu beklagen. In der Nacht auf Donnerstag starb einer der Schwerverletzten in einem Krankenhaus in Ostrava / Ostrau. Zudem wurde die Zahl der Verletzten auf 17 korrigiert.

Doch die Frage lautet: War das Unglück vermeidbar? Zu dem Zusammenstoß kam es, als ein Lastwagen die roten Lichter an einem Bahnübergang missachtete und dann zwischen den niedergehenden Schranken stehenblieb. Gemäß den Aufzeichnungen der Sicherheitskameras dauerte es 15 Sekunden, bis der Zug in den Lkw raste. Martin Drápal ist Sprecher der Bahninspektion:

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„Jedes Jahr verzeichnen wir in Tschechien etwa 180 bis 200 Zusammenstöße auf Bahnübergängen. Vielen Menschen ist dabei gar nicht bewusst, dass sie auf einen Bahnübergang fahren, sie sehen auch das rote Licht nicht. In einer Reihe der Fälle nehmen die Leute aber die blinkenden Lichter wahr, doch die Schranken sind noch oben, und sie sagen sich: Ich schaffe es noch durchzufahren.“

Das war wohl auch der Fall des polnischen Lastwagenfahrers in Studénka. Wäre er aber geistesgegenwärtig gewesen, dann hätte er einfach die Schranken mit seinem tonnenschweren Gefährt durchbrochen. Es waren primitive Holzschranken. Doch er fuhr nur soweit vor, dass die Fahrerkabine nicht direkt vom Zug erfasst wurde. Die Polizei ermittelt nun gegen den Trucker wegen Gefährdung der Allgemeinheit, bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Der tschechische Verkehrsminister Dan Ťok  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Doch die Frage nach der Vermeidbarkeit hat noch eine andere Dimension. Tschechien hat eines der dichtesten Schienennetze der Welt. Rund 9000 Bahnübergänge bestehen hierzulande, viele sind ungesichert, wie auch Verkehrsminister Dan Ťok gegenüber dem Tschechischen Fernsehen bestätigte:

„In den vergangenen Jahren sind sicher rund zwei Milliarden Kronen investiert worden, um die Bahnübergänge umzubauen oder sie mindestens kenntlich zu machen. Heute wird bevorzugt, den Schienenstrang zu untertunneln oder zu überbrücken. Angesichts der großen Zahl an Übergängen geht das aber nur langsam voran.“

Der Umbau eines Übergangs zu einer Unterführung kostet rund 160 Millionen Kronen, die Summe von zwei Milliarden Kronen reicht gerade einmal für ein gutes Dutzend. Bahnexperten empfehlen ganz einfach, eine sinnvolle Auswahl zu treffen. Josef Petrak, Chefredakteur des Internet-Fachmagazins Želpage:

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„Ich nenne hier die Haupteisenbahnkorridore mit nicht etwa 9000 Übergängen, sondern nur einigen Dutzend. Dort fahren die meisten Züge und das in höchster Geschwindigkeit. Diese Übergänge sollten bevorzugt werden.“

Das ist genau der Fall von Studénka. Seit 2012 gilt der Bahnübergang in der Stadt sogar als einer der vier gefährlichsten in Tschechien. Er führt über vier Gleise, dabei rasen dort die Züge mittlerweile mit 160 Stundenkilometern durch. Schon längst hätten in Studénka wie anderswo Unterführungen gebaut werden müssen, sagen Bahnexperten und heutige Politiker. Miroslav Novák (Sozialdemokraten) ist Hauptmann des Mährisch-Schlesischen Kreises:

„Der grundlegende Fehler entstand, als die Bahnstrecken hierzulande vor Jahren ausgebaut wurden. Die Geschwindigkeit auf den Strecken wurde erhöht, dennoch behielt man die Übergänge bei. Das war fatal. Im Nachhinein nun umzubauen, erhöht die Kosten. Aber kein Preis wiegt ein Menschenleben auf.“