Neue Ordensträger und gemäßigte Worte des Premiers: Tschechien erinnert an Staatsgründung von 1918
Am Donnerstag wurde in Tschechien der Staatsfeiertag anlässlich der Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 begangen. Schon zum zweiten Mal in Folge konnte die traditionelle Verleihung der Staatsorden an diesem Tag nicht stattfinden. Und Premier Babiš fand in seiner Ansprache demütige Worte.
Auf dem nebelverhangenen Vítkov-Hügel in Prag fand am Donnerstagmorgen die Militärparade zur Erinnerung an die Anfänge der Ersten Demokratischen Republik statt. Begleitet vom Militärorchester und Salutsalven wurden zahlreiche Kränze niedergelegt. Der Senatsvorsitzende Miloš Vystrčil (Bürgerdemokraten) betonte anschließend gegenüber dem Inlandssender des Tschechischen Rundfunks die Bedeutung des Tages:
„In diesem Land hält der Senat die demokratische Freiheit dauerhaft in Ehren. Sie wurde mitbegründet durch die Bildung der unabhängigen Tschechoslowakei.“
Bei dem Festakt fehlte Staatspräsident Miloš Zeman, denn er wird derzeit im Krankenhaus behandelt. Aus diesem Grund fand am Donnerstag auch nicht die traditionelle Ordensverleihung auf der Prager Burg statt. In der Hoffnung, die staatlichen Auszeichnungen dann in besserer Kondition persönlich übergeben zu können, hat Zeman die Zeremonie auf den 1. Januar 2022 verschoben.
Die Präsidialkanzlei veröffentlichte am Abend aber die Namen der diesjährigen 29 Würdenträger. Fünf Persönlichkeiten werden mit der höchsten Ehrung, dem Orden des Weißen Löwen, bedacht. Zudem werden Tapferkeits- und Verdienstmedaillen vergeben. Der Politologe Daniel Kroupa von der Purkyně-Universität in Ústí nad Labem / Aussig kommentierte am Freitagmorgen im Tschechischen Rundfunk die Auswahl der Ordensträger:
„Der Präsident weicht auch dieses Mal nicht von seiner Gepflogenheit ab, mit der er seine Anhänger auszeichnet. Das sind Menschen, die nicht unbedingt zu denen gehören, die sich besonders um den Staat verdient gemacht haben. Im Kulturbereich etwa sind dies keine Künstler, sondern eher Entertainer. Ich finde, das ist für den Wert und die Bedeutung der Auszeichnungen schädlich.“
Die traditionelle Ordensverleihung konnte schon im vergangenen Jahr nicht stattfinden. Damals fiel sie wegen der Corona-Pandemie ersatzlos aus. Auf die immer noch angespannte epidemiologische Lage im Land ging am Donnerstagsabend in seiner Fernsehansprache auch Premier Andrej Babiš (Partei Ano) ein. Angesichts Corona und des schlechten Gesundheitszustands des Präsidenten wählte Babiš dieses Mal eher demütige Worte:
„Aus den Zeitungstiteln scheint es, als folge eine Katastrophe der anderen. Vielleicht hat auch uns darum schon eine Krankheit befallen – nicht nur körperlich, sondern ebenso seelisch. Darum sollten wir, besonders an diesem Feiertag, innehalten und die Lage mit einem klaren Kopf beurteilen. Ja, die Aussichten sind nicht gerade optimistisch. Aber unsere Republik und unser Volk haben schon viel schlimmere Epochen überstanden.“
Von der sich gerade neu bildenden Regierung erwarte er darum, dass sie weiterhin die Interessen des tschechischen Volkes verteidige, fuhr Babiš fort:
„Die Zahlen sind für Tschechien vorteilhaft und die Ausgangsposition ist gut. Dies gilt aus ökonomischer Sicht für einen der am wenigsten verschuldeten Staaten der EU oder auch politisch für ein Land, das in der Union klar seine nationalen Interessen verteidigt.“
Kommentatoren werten Babišs Ansprache als umgänglich und sachlich. Bürgerdemokraten-Chef Petr Fiala, der Babiš als Premier beerben will, würdigte zudem die Abkehr von einer konfrontativen Rhetorik. Und angenehm überrascht zeigt sich auch Politologe Daniel Kroupa:
„Ich habe davon einen durchaus positiven Eindruck. Eine solche Ansprache hat es von Premier Babiš noch nicht gegeben. Gerne hätten wir sie aber schon vor einem Jahr gehört.“
Neben dem erneuten Aufruf, sich gegen Corona impfen zu lassen, ließ Premier Babiš in seine kurze Rede auch den Wunsch einfließen, dass Politiker sich wie Rivalen, aber nicht wie Feinde verhalten sollten. Kroupa ordnet dies wie folgt ein:
„Einige Politologen halten dies für den Beginn der Präsidentschaftskandidatur von Andrej Babiš. Ob dem tatsächlich so ist, weiß ich nicht, denn bisher hat er seine Kandidatur nicht angekündigt. Es gibt aber schon einige Hinweise darauf, die diese Interpretation zulassen.“