Neues Zentrum für das Auftrocknen beschädigter Archivmaterialien im Prager Technik-Museum eröffnet
Das Technische Nationalmuseum in Prag hat durch die Flutkatastrophe, die im August 2002 die tschechische Hauptstadt heimsuchte, große Verluste und Schäden erlitten. Es wird sich noch Jahre lang mit den Folgen des Hochwassers auseinandersetzen müssen. Vorige Woche wurde neben dem Hauptgebäude des Museums im Stadtteil Letná ein neues Zentrum eröffnet, das sich auf das Austrocknen der eingefrorenen beschädigten Archivmaterialien aus den Sammlungen des Museums konzentrieren wird. Einzelheiten erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag von Martina Schneibergova und Daniel Satra.
Das Technische Nationalmuseum in Prag gehört mit seinen Sammlungen zu den weltweit ältesten und größten Museen für Technik. Während der Flutkatastrophe kam es zur Überschwemmung des Museumsdepots, das sich im historischen Gebäude Invalidovna in dem vom Hochwasser am stärksten betroffenen Stadtteil Karlín befand. Dort wurden auch die Sammlungen des Archivs der Architektur und des Archivs für die Geschichte der Technik und der Industrie aufbewahrt. Architekt Petr Krajci ist Kurator des Archivs der Architektur:
"Zwei Drittel unserer Sammlungen wurden überflutet. Das Wasser reichte im Archiv bis in eine Höhe von 3 Metern und 30 Zentimetern. Zwei Drittel der Sammlungen befanden sich also unter Wasser, ein Drittel wurde oben auf den Galerien aufbewahrt. Es gelang uns, ca. 95 Prozent der überfluteten Materialien einzufrieren. Es handelt sich dabei um etwa 170 Europaletten."
Um welche Art von Dokumenten handelt es sich, und aus welcher Zeit stammen sie?
"Sie stammen aus der Zeit von ungefähr 1860 bis in die Gegenwart. Es handelt sich dabei um Nachlässe von Architekten oder von Institutionen, die sich mit der Architektur befasst haben - z. B. vom ehemaligen Ministerium für Technik oder vom Ministerium für öffentliche Arbeiten. Bei den Architekten geht es sowohl um Prager Architekten als auch um Architekten und Baumeister aus anderen tschechischen Regionen. In den Sammlungen befanden sich also Skizzen, Skizzenhefte, Pläne, Fotografien, Fachliteratur aus den Nachlässen, Konzepte für Vorträge sowie persönliche Andenken."
Ich sprach mit Petr Krajci in dem neuen Zentrum, wo die beschädigten Archivmaterialien jetzt ausgetrocknet werden. Krajci sagte, damals während der Hochwasserkatastrophe habe er versucht, das Archiv zu betreten, so bald es nur möglich war:
"Am Freitag nach der Flutkatastrophe sind wir reingekommen, und es war erschütternd. Ich will darüber nicht sprechen, denn das wäre eine sehr lange Geschichte. Wir wussten am Anfang gar nicht, womit wir beginnen sollen. Da das Wasser so hoch stand, unterlagen sämtliche Möbelstücke dem Archimedischen Gesetz: sie schwammen einfach herum. Alle Regale waren umgestürzt, alles war verstreut. Damit mussten wir uns zuerst beschäftigen. Wir mussten zuerst überhaupt ein wenig Raum schaffen. Dazu kamen Kreuzhacken und Trennschleifmaschinen zum Einsatz. Jeden Tag kamen etwa 40 Freiwillige, uns zu helfen, was ich für fantastisch halte. Die Evakuierung des Papiers dauerte eine Woche lang, zehn Container mit Papiermaterial wurden zum Einfrieren transportiert. Und anderthalb Monate lang dauerte die Übertragung der Sammlungen in Ersatzräumlichkeiten."
Heute wird in Celakovice bei Prag ein neues Depot für wertvolle Archivalien und andere Gegenstände erbaut. Die getrockneten und desinfizierten Materialien sollen allmählich dorthin überführt werden.
Heutzutage hat das Museum immer noch ca. 200 Kubikmeter Archivdokumente, die eingefroren sind. Diese beschädigten und eingefrorenen Materialien müssen nun allmählich getrocknet werden. Ich ließ mir diese Methode von Architekt Krajci erklären:"Die technologischen Verfahren gliedern sich in drei Grundrichtungen. Die tragende Entscheidung war, alle vom Wasser beschädigten Archivalien einzufrieren. Damit hat man begonnen, und dank dessen gelang es, die Mehrheit der evakuierten Archivalien zu retten. Es zeigte sich danach, dass es für Dokumente von kleinerem Format geeignet ist, sie zuerst in Vakuum zu verpacken. Auf diese Weise konnte eine relativ große Menge von Dokumenten auf natürlichem Weg getrocknet werden. Diese Methode besteht darin, dass die Dokumente ähnlich wie z. B. Fleischwaren in Vakuumverpackungen behandelt werden. Zwischen die einzelnen Blätter werden Zeitungen gelegt, diese saugen das überflüssige Wasser ab. Danach wird die Vakuumverpackung eingeschweißt. Im Vakuum wachsen keine Mikroorganismen, wie es sie im Wasser gibt, und die Haltbarkeit der Schweißnähte beträgt 5 - 7 Jahre."
Wie sind die bisherigen Erfahrungen der Mitarbeiter des Museums mit den vakuumverpackten Archivalien? Petr Krajci dazu:
"In der ersten Verpackung lagen die Dokumente nach unseren Erfahrungen ungefähr eine Woche lang. Dann folgte derselbe Schritt zum zweiten Mal - die Schweißnaht wird abgeschnitten, die nassen Zeitungen werden weggeworfen, das Dokument wird wieder in trockene Zeitungen eingepackt und schließlich in Vakuum verpackt. Dieses Verfahren wird ungefähr dreimal wiederholt. Danach wird das Archivmaterial in der Luft getrocknet, weil es wenig Feuchtigkeit enthält. Es werden die einzelnen Blätter voneinander getrennt, damit sie nicht zusammenkleben, denn oft waren verschiedene Klebstoffe im Wasser gelöst. Und dann werden die Materialien in Schachteln zur Desinfizierung ins Zentralarchiv transportiert."
Die geretteten Dokumente, die man bei der Eröffnung des neuen Arbeitszentrums besichtigen konnte, waren aus hygienischer Sicht unschädlich. Petr Krajci bezeichnete die Tatsache als wichtig, dass die Mitarbeiter des Museums auch beim Auspacken der Dokumente dabei sind, sodass sie sie gleich so sortieren können, wie sie ursprünglich im Archiv aufbewahrt wurden. Zur Rettung des Materials gibt es aber noch andere Verfahren:
"Das zweite Technologieverfahren betrifft die Großformate - d. h. meistens Zeichnungen oder Pläne. Diese müssen ein Blatt nach dem anderen behandelt werden. In großen Wannen werden die Blätter voneinander getrennt, und in den dafür bestimmten großen Rahmen werden sie dann getrocknet. Man lässt sie nur ein wenig abtropfen. Danach benutzt man die so genannte 'Sandwich-Methode': auf den Tisch legt man ein dickes Filtrationspapier, darauf kommt ein Stoff namens Geotextilie, darauf die Zeichnung, wieder die Geotextilie, und wieder Filtrationspapier - wirklich wie bei einem mehrfachen Sandwich. Zum Schluss wird dieses Sandwich mit etwas Schweren belastet, sodass die Belastung das Wasser aus dem Blatt ins Filtrationspapier quetscht. Am nächsten Tag ist das Material meistens so trocken, dass es bereits in der Luft ausgetrocknet werden kann."
Die Zeichnungen, die durch die beschriebene Methode getrocknet wurden, sahen meistens fast unbeschädigt aus. Sie könnten zwar noch besser restauriert werden, aber die Restaurierung ist eine finanziell anspruchsvolle Angelegenheit, sodass sie nur bei bestimmten besonders wertvollen Dokumenten in Frage kommen wird. Da jetzt allmählich eine Digitalisierung der Sammlungen durchgeführt wird, werden viele der geretteten Materialien nicht mehr in die Hände der Forscher kommen.
Es gibt jedoch noch einen dritten Weg, um die beschädigten Archivalien zu retten:
"Die dritte Möglichkeit, die am problematischsten ist, ist das Austrocknen von Fotografien, bei denen die Emulsionsschicht von Bakterien befallen wurde. Nach verschiedenen Versuchen und Konsultationen mit anderen Experten haben wir uns für das folgende Verfahren entschieden: Gleich beim Auftauen wird das Foto in bestmöglicher Qualität mit einer Digitalkamera fotografiert. Danach kommt es darauf an, wie stark die obere Schicht beschädigt wurde. Die Schicht beginnt, wegzufließen. Wir haben aber die Fotografie inzwischen schon festgehalten. Es gibt Fotos, die vollständig verschwinden, von einigen bleibt die Mitte erhalten. Es hängt davon ab, ob sie in Päckchen, oder ob sie einzeln frei herumlagen. Das Verfahren, das für die Fotos vorgeschlagen wurde, sieht folgenderweise aus: Mit einem harten Schwamm wird die gesamte freigewordene Emulsion abgewischt, und das Foto wird dann noch einmal aufpoliert. Es muss noch hinzugefügt werden, dass die Fotografien als die einzigen Dokumente direkt mit einem Desinfektionsmittel behandelt werden."
Bei den Fotos ist der Augenblick des Auftauens sehr wichtig, denn es kommt manchmal dazu, dass sich ein Foto auf ein anders abdrückt. Bei Fotografien, die aus historischer Sicht einen besonderen Wert haben, kann man mit Hilfe eines Scanners die abgedruckte Schicht noch rekonstruieren. Nach Worten von Petr Krajci wird manchmal auf diese Weise aus zwei unterschiedlich beschädigten, aber sonst gleichen Fotos ein neues Foto rekonstruiert. Da diese Methode nicht gerade billig ist, wird sie nur dann benutzt, wenn es wirklich notwendig ist:
"Dies ist beispielsweise bei Portraits von Technikern, Architekten und Baumeistern der Fall, die nirgendwo anders erhalten geblieben sind. Wenn z. B. eine Ausstellung vorbereitet wird, dann lohnt es sich, ein solches Foto zu rekonstruieren. Massenweise wird das nicht gemacht. Was wir jedoch machen werden: Die Fotografien werden in dem Zustand, in dem sie sich befinden, digitalisiert. Mit den Digitalbildern kann man schon arbeiten und sie mit Bildern aus anderen Archiven vergleichen."
Damit sind wir, liebe Hörerinnen und Hörer, am Ende eines etwas ungewöhnlichen Spaziergangs durch Prag angelangt, in dem wir Ihnen die Probleme beschrieben, mit denen sich nicht nur das Prager Museum für Technik, sondern auch andere von der Flutkatastrophe betroffenen Institutionen immer noch auseinandersetzen müssen.