Ausstellung "80 Jahre Rundfunk" im Tschechischen Nationalmuseum
Der Rundfunk auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei feiert am 18. Mai seinen 80-jährigen Geburtstag. Und Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, können auf den Wellen von Radio Prag dieser Tage eine ganze Reihe von Sendungen hören, die sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit diesem Thema befassen. Doch nicht nur wir nehmen uns dieses Ereignisses an. Die Zeitungen des Landes bringen die unterschiedlichsten Rückblicke, und das tschechische Nationalmuseum gratuliert mit einer Ausstellung namens "80 Jahre Rundfunk", zu der Gerald Schubert den folgenden "Schauplatz" gestaltet hat:
Die eigentliche "Geburtsstunde" des Radios ist wohl nicht so klar festzumachen. Doch als jene des Rundfunks auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei gilt der 18. Mai 1923, der Tag, an dem hierzulande das erste Mal eine regelmäßige Rundfunksendung ausgestrahlt wurde. Rechtzeitig zum 80. Jubiläum wurde im tschechischen Nationalmuseum auf dem Prager Wenzelsplatz eine Ausstellung eröffnet, die sich der Geschichte dieses Mediums in all ihren Facetten widmet und noch bis zum 17. August zu sehen sein wird. Radio Prag hat mit dem Gestalter der Ausstellung, dem langjährigen Rundfunkregisseur Jiri Hrase gesprochen, und ihn zunächst gefragt, wie er denn eigentlich an die Suche geeigneter Objekte herangegangen war. Bei deren Auffindung und Auswahl hätte es, so Hrase, vor allem zwei Probleme gegeben:
"Das erste Problem besteht darin, das erwähnte Material wirklich zu finden. Das heißt im Fotoarchiv, im Negativarchiv, in Rundfunkjahrbüchern und alten Zeitungen, im Archiv der Schriftstücke und der Szenarien, und selbstverständlich auch in dem der Dokumente, in statistischen Übersichten, Protokollen, Landkarten und so weiter. Verschiedene Exponate fanden wir auch in der Rundfunkbibliothek, aber auch in den Schubladen der Redaktionsschreibtische. Und unser Dank gehört auch unseren Radiohörern, die uns verschiedene Dokumente aus eigenen Familienarchiven schenkten."
Das zweite Problem ergab sich für Hrase stets dann, nachdem er in inhaltlicher Hinsicht fündig geworden war. Denn das, was man in einem Ausstellungssaal letztlich zeigen kann, unterliegt natürlich auch gewissen formalen Einschränkungen. So mussten etwa die zunächst für geeignet befundenen Materialen wie Schriftstücke oder Fotografien auch klar und scharf sein, damit man sie schließlich dem Raum entsprechend vergrößern konnte. Eine Vorgabe, die vor allem bei älteren Dokumenten nicht immer erfüllt werden kann. Und nicht zuletzt, so Hrase, sei es für ihn stets besonders wichtig gewesen, dass die verwendeten Materialien auch ohne lange Erklärungen verständlich präsentiert werden können. Das bedeutet unter anderem: Die Konzentration auf das eigentliche, engere Thema musste immer gewahrt werden. Und das ist wohl gerade deshalb, weil der Rundfunk in einen so weitreichenden gesellschaftspolitischen und historischen Kontext eingebettet ist, besonders schwierig.
Und noch eine zentrale Schwierigkeit gibt es bei der Gestaltung einer Ausstellung über die Geschichte des Radios: Nämlich die, dass man ein akustisches Medium in einem traditionell eher visuell orientierten, musealen Umfeld erfahrbar machen muss. Wie ist Jiri Hrase mit diesem Problem umgegangen? Zunächst einmal so, dass er in diesem grundsätzlichen Widerspruch auch einen Vorteil erkannt hat:
"Die Ausstellung kann dem Hörer Räume und Leute zeigen, die er bisher nur gehört hat. Wir hoffen also, dass wir aus dem Hörbaren etwas Sichtbares zeigen können."
Selbstverständlich aber, so Hrase, konnte die Ausstellung nicht ganz ohne Klang bleiben:
"Wir haben im Ausstellungsraum zwei Abspielgeräte mit Kopfhörern installiert, zur individuellen Auswahl aus diversen Rundfunkaufnahmen. Mit diesen kann sich der Besucher unter anderem verschiedene historische Momente, über die der Rundfunk gesendet hat, anhören."
Historische Momente, die sich unmittelbar auch in der Geschichte des tschechoslowakischen Rundfunks wiederfinden, gibt es freilich viele. Und dies gleich in zweierlei Hinsicht. Denn erstens muss natürlich das Radio als Informations- und bisweilen auch Propagandamedium gleichermaßen als Gestalter und als Zeuge des Geschehens gelten - bezogen auf seine Inhalte, die uns heute noch in großem Umfang zur Verfügung stehen und als Archiv dienen können. Zweitens aber befindet sich, gerade in Augenblicken entscheidender Umwälzungen, die Institution "Radio" selbst immer wieder im Brennpunkt der Ereignisse. Macht über den Rundfunk war stets ein zentraler Bestandteil der Macht im Staat. In den Demokratien der Gegenwart wird über wirtschaftliche Kanäle und über die Besetzung diverser Gremien versucht, Einfluss auf die Sendeanstalten zu gewinnen. In der Geschichte des Tschechoslowakischen Rundfunks aber gab es auch Momente, wo das Hauptgebäude in der Vinohradska-Straße mit Waffengewalt umkämpft wurde. Wie zum Beispiel im Mai 1945, als sich die Tschechen im Zuge des sogenannten "Prager Aufstands" von den nationalsozialistischen Besatzern befreiten, noch ehe die ersten sowjetischen Panzer in Prag einrückten.
Beim Stichwort "sowjetische Panzer" aber denkt man hierzulande freilich meist auch an ein anderes Datum. Nämlich an den 21. August 1968, als jene gemeinsam mit Streitkräften aus vier anderen Warschauer-Pakt-Staaten durch Prag rollten und die Reformbewegung des "Prager Frühlings" niederwalzten. Auch damals wurde vor dem Rundfunkgebäude geschossen. Die folgende Archivaufnahme ist bereits von der Ausweglosigkeit der Lage angesichts der Übermacht der fremden Truppen in den Straßen der Hauptstadt geprägt. "Wir glauben, dass die Wahrheit siegt", heißt es hier unter anderem. Ansonsten ruft man bereits dazu auf, in erster Linie Ruhe zu bewahren und sich nicht provozieren zu lassen - um wenigstens unnötige Todesopfer zu vermeiden. Und man spielte - wie zum Trotz - die bereits immer wieder von Gewehrsalven übertönte Nationalhymne:
Was auf diesen Tag folgte, ging als "Normalisierung" nicht nur in die tschechische Geschichte, sondern auch in die Geschichte der sprachlichen Deformationen ein. Erst einundzwanzig Jahre später gelang der friedlich verlaufende Übergang zur Demokratie. Und weitere drei Jahre später kam es schließlich zur Spaltung der tschechoslowakischen Föderation in zwei unabhängige Staaten. Dies bedeutete auch das Ende des Tschechoslowakischen Rundfunks, aus dem dann, westlich der neu entstandenen Grenze, der Tschechische Rundfunk in seiner heutigen Form hervorging.
Doch geben wir zum Abschluss noch einmal dem Gestalter der Ausstellung "80 Jahre Rundfunk", Herrn Jiri Hrase das Wort, und beschreiben wir mit ihm noch einen anderen Bogen durch die Geschichte, einen, der weit über die Wirren des 20. Jahrhunderts hinausreicht:
"Die ersten Schritte des Besuchers führen zu den historischen Vorgängern des modernen Mediums. Es sind dies: Der Heilige Method, der auf dem Wandbild des Meisters Zenisek die Heilige Schrift übersetzt. Und er symbolisiert dabei die erste Stufe, das Wort. Der Buchdrucker, Buchverleger und auch Historiker aus dem 16. Jahrhundert, Daniel Adam von Veleslavin, symbolisiert die zweite Stufe, den Druck. Der Journalist, Dichter und Politiker Karel Havlicek Borovsky aus der Mitte des 19. Jahrhunderts symbolisiert die dritte Stufe, die Presse. Und die vierte Stufe schließlich, die aktuelle sofortige Informationssendung, zeigt die ganze folgende Ausstellung."