Kunstgewerbeschule in Uherske Hradiste im Wandel der Zeit

Schule als Künstlerbrutstätte - so etwa ließe sich das Thema unserer Begegnungen diesmal kurz und bündig formulieren. So eine Akademie der bildenden Künste - die gibt es in Tschechien nur in Prag - ist schon eine exklusive Schule, an der selbstverständlich nicht jeder studieren kann. Da muss man schon ein hohes Maß an Talent vorweisen, aber auch Glück haben, um aufgenommen zu werden. Doch nicht von dieser exklusiven Schule wird jetzt bei uns die Rede sein, sondern von einer Schule, die 15 - 19 jährigen Schülern die Chance bietet, ihr Talent auf die Probe zu stellen und zu entwickeln und - last but not least - Kontakte mit der Außenwelt zu unterhalten. Jitka Mladkova berichtet über ihre Begegnung mit einem Menschen, der viel über diese Schule und ihre Schüler zu erzählen weiß: Frantisek Petrak von der Kunstgewerbeschule im südmährischen Uherske Hradiste.

Es war noch während der diesjährigen Ferien, als ich die Kunstgewerbeschule in Uherske Hradiste besucht habe. Schüler waren hier also nicht anzutreffen, und doch waren sie auf Schritt und Tritt präsent. Überall Vitrinen und Schränke mit den Arbeiten angehender Künstler bzw. Kunstgewerbler, die in dem historischen Gebäude aus der Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik eine spezifische Atmosphäre schaffen. Dass sich ausgerechnet hier bis zur Wende 1989 ein berühmt-berüchtigtes Gefängnis befand, in dem es nach dem Machtantritt der Kommunisten im Jahr 1948 auch Folterungen politischer Gefangener gab, würde heute einem Unwissenden beim Schlendern durch die Schulgänge und Klassenräume kaum in den Sinn kommen. Das Leben hat hier seit etwa 1990 mit den Schülern der Kunstgewerbeschule ein völlig neues Kapitel zu schreiben begonnen. Die Schule selbst kann aber auf eine wesentlich längere Existenz zurückblicken und hat im Wandel der Zeit eine Entwicklung durchgemacht. Über die Vorlage der Kunstgewerbeschule in UH sagte mir einer ihrer Lehrer, Frantisek Petrak, Folgendes:

"Der Werdegang der Schule war am Anfang mit der Firma Bata verbunden, die hierzulande schon längst vor dem Krieg die sich rasant entwickelnde Schuhindustrie und damit eine bestimmte Nachfrage repräsentierte. Es entstand also ein Bedarf an kunstgewerblichem Design, das heißt an angewandtem Design, plastischem Design, grafischem Design, Schuhdesign usw., usf. Erst etwas später entstand eine auf üblichen Standards begründete Kunstgewerbeschule. Heute sind wir zwar eine staatliche Schule, die aber auch auf die gesellschaftliche Nachfrage reagieren muss. Wir müssen z.B. schon reflektieren, was auf dem Gebiet der Reklame geschieht. Unsere Schüler werden auf dem Laufenden gehalten und auch unsere Lehrpläne müssen den aktuellen Trends angepasst werden. Auf der anderen Seite bieten wir auch traditionelle Fächer an."

Der Wandel der politischen Verhältnisse im Lande wurde jedoch ausnahmslos in jedem Fach reflektiert. Mehr oder weniger, je nachdem. Früher gab es hierzulande faktisch keine Reklame, angewandte Grafik nur in begrenztem Umfang, und so musste man das ganze Unterrichtsfach "Grafik" in dieser Schule neu gestalten. Ganz neu haben sich die Fächer Fotografie und Bekleidung etabliert. Zu den traditionellen Berufsbereichen zählen nach wie vor die des Steinbildners und Keramikers. Insgesamt bietet die Kunstgewerbeschule in UH neun Fächer an. Die Schule wird mit dem Abitur abgeschlossen, das in einer Fremdsprache und Kunstgeschichte abgelegt werden muss, außerdem wird eine so genannte Diplomarbeit geschrieben. Insgesamt gilt es, die Beherrschung der Technologie des gewählten Faches theoretisch und praktisch nachzuweisen.

Nun, Inspirationen wollen Lehrer und Schüler der Kunstgewerbeschule auch außerhalb des eigenen Landes suchen. Auf die Frage, ob sie die Möglichkeit haben zu hören und zu sehen, kurz um zu erfahren, was sich woanders in diesem Bereich tut, bekam ich von Frantisek Petrak die folgende Antwort:

"Ja, diese Möglichkeit haben wir. Mittels unserer Kollegen - Englischlehrer haben wir eine ganze Reihe von Kontakten geknüpft. Wir haben z.B. einen Schüleraustausch mit einer Partnermittelschule im belgischen Antwerpen. Seit 1992 unterhalten wir auch Kontakte mit der Universität in Ipswich in Sofolk. Die Bildungskonzepte unterscheiden sich sehr von unseren, trotzdem ist es für uns sehr interessant und ebenfalls lehrreich bzw. inspirativ. Zwei bis drei Tage der auf eine Woche anberaumten Begegnung werden der gemeinsamen Arbeit gewidmet. Die Belgier oder die Engländer bevorzugen die traditionelle Herstellung von Keramik oder kleineren Bronzefiguren. Wir hingegen haben uns während des Besuchs z.B. in Videoart, Grafik oder in Netzdruck versucht."

Viele Jahre lang, bis 1989, lebte man in der Ex-Tschechoslowakei in einer Isolation, und so fragte ich Frantisek Petrak, der seinerzeit selbst Grafik an der Pädagogischen Hochschule studiert hat und u.a. als Buchillustrator tätig ist, wie er die erst vor 13 Jahren entstandene Möglichkeit wahrnehme, sich in den internationalen Kontext integrieren zu können:

" Unsere Schule ist eine Kunstgewerbeschule und als solche basiert sie auf Fächern des angewandten Designs, und eben hier wurde der Kontakt mit der Welt unterbrochen. Wir hatten keinen Vergleich mit der Welt. Auch wenn unsere Schüler vieles z.B. schon vor zwanzig Jahren lernen konnten, so konnten sie es nicht in der Praxis zur Geltung bringen, weil kein entsprechender Bedarf bestand. Und so sind nicht wenige talentierte Leute in das Gebiet des Ausstellungswesens abgetaucht, wo sie z.B. Weihnachtsdekorationen mit Spray herstellten. Ähnlich war es auch in anderen Fächern. Wir waren von dem aktuellen Geschehen im Kunstgewerbebereich abgeschnitten, aber trotzdem ist es gelungen, relativ schnell an die Traditionen, die in unserem Land existierten, anzuknüpfen."

Die Kunstgewerbeschule in UH bietet auch ihren Lehrern die Möglichkeit, sich weiter zu bilden, zum Beispiel in der gut ausgestatteten Schulbibliothek. Darüber hinaus organisiert sie fast jedes Jahr Auslandsreisen für die Lehrer. Das weiß Frantisek Petrak besonders zu schätzen:

"Vor der Samtenen Revolution konnte ich gar nicht ins Ausland reisen. Nach der Revolution habe ich dank der Schule fast ganz Europa durchreist. Außer in Großbritannien und Belgien mittels eines Schüleraustausches war ich in Schweden und Spanien - das war jeweils ein Studienaufenthalt. Im Rahmen des Kunstgeschichts-Unterrichts veranstaltet unsere Schule Studienfahrten nach Paris, in die Normandie, nach Italien usw. Also, dank der Schule habe ich kennen gelernt, was ich mir immer gewünscht hatte kennen zu lernen. Das Reisen macht es möglich, die Sachen auch mit anderen Augen zu sehen als dies nur beim Blick von hier, also aus Tschechien, der Fall wäre."