Trotz brauner Tonne – zu viel Biomüll auf Deponien

Foto: Vít Pohanka, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Seit dreieinhalb Jahren muss hierzulande Bioabfall gesammelt werden. Die tschechischen Kommunen haben dabei zwei Möglichkeiten: Entweder sie bieten Biomüllsammelstellen an oder eine Abholung vom Haus. Obwohl die Vorschrift zu gewissen Erfolgen führte, hat das Umweltministerium sie noch einmal ergänzt. Denn Tschechien hinkt hinter den Vorgaben der EU hinterher.

Foto: Vít Pohanka,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Im Sommer kommen die Wagen für den Bioabfall einmal in der Woche, im Winter nur jeden Monat. Hradec Králové / Königgrätz hat im vergangenen Jahr bereits die ganzjährige Abfuhr eingeführt. Damit hat die Stadt in Ostböhmen einer neuen landesweiten Verordnung vorgegriffen. Mit dem 1. April gilt nämlich, dass Biotonnen ganzjährig angeboten werden müssen. Damit will Umweltminister Richard Brabec den Verwertungsgrad weiter erhöhen. 2015 war die gesetzliche Pflicht zur Biomüllsammlung eingeführt worden. Und der Ano-Politiker hält sie für einen Erfolg:

„Immer mehr Bioabfälle werden getrennt gesammelt, anstatt dass sie in den Restmülltonnen und nachfolgend auf den Deponien landen. Wir haben den Umfang schrittweise erhöht – von 300.000 bis 400.000 Tonnen auf mittlerweile 650.000 bis 670.000 Tonnen im Jahr.“

Großstädte ohne Biotonne

Richard Brabec  (Foto: Archiv des tschechischen Umweltministeriums)
Tatsächlich haben viele tschechische Gemeinden und Städte in den vergangenen drei Jahren Biotonnen eingeführt. Doch meist nur dort, wo Einfamilienhäuser stehen mit Gärten. In den dichter besiedelten Teilen und vor allem in den Großstädten gibt es die Möglichkeit nicht. Ostrava / Ostrau etwa verzichtet daher ganz auf die braunen Behältnisse. Schließlich erlaubt das Gesetz als Alternative auch eine Sammelstelle etwa auf dem Recyclinghof. Aber Umweltminister Brabec sagt:

„Deutlich mehr Kommunen, und gerade die kleineren, kombinieren die braune Tonne mit der Abholung von Bio-Müllsäcken. Natürlich bestehen auch zentrale Sammelstellen, aber bei den meisten Haushalten werden die Bioabfälle alle ein bis zwei Wochen abgeholt.“

Rechnet man die Zahlen nach, relativieren sie sich aber. Denn tatsächlich sind es nur 65 bis 67 Kilogramm Bioabfälle pro Kopf und Jahr in Tschechien, die verwertet werden. Zum Vergleich: In Deutschland sind es jährlich 125 Kilogramm, also fast doppelt so viel. Milan Havel beschäftigt sich beim Umweltverband Arnika mit Abfallwirtschaft. Gegenüber Radio Prag erläutert er:

Foto: Antonín Slejška,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0
„Bisher ist vor allem Abfall von Gärten und Grünanlagen gesammelt worden. Der Anteil des Restmülls hingegen ist in den vergangenen Jahren fast nicht gesunken. Derzeit sind es rund 100 Kilogramm pro Kopf und Jahr mehr als in Österreich, Deutschland oder anderen Staaten.“

Vorwiegend Gartenabfälle

Küchenabfälle landen bisher nämlich kaum in der Biotonne. Dabei ist man unter Druck. Hintergrund ist die EU-Deponierichtlinie. Diese schreibt vor, dass der Anteil sogenannter biologisch abbaubarer Siedlungsabfälle auf Deponien reduziert werden muss. Biologisch abbaubar bedeutet zwar nicht nur Biomüll, sondern meint auch weitere wiederverwertbare Stoffe wie Papier, Pappe oder Klärschlamm. Doch gerade die gängigen Küchenabfälle sind das Problem. Bei Papier etwa erreicht Tschechien eine relativ hohe Recyclingquote, und etwa 40 Prozent des Siedlungsabfalls sind biologisch abbaubar. Da also muss der Hebel ansetzen.

Foto: Airelle,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0
Denn schon kommendes Jahr gelten die Vorgaben der EU auch hierzulande. Das bedeutet, den Umfang biologisch abbaubarer Siedlungsabfälle auf den Deponien auf 35 Prozent zu reduzieren. Der Haken liegt jedoch darin, dass dafür ein Basisjahr bestimmt wurde. Und zwar bezieht sich die Quote auf die Gesamtabfallmenge des Jahres 1995. Allerdings sei damals bei den Zahlen schwer untertrieben worden, beklagt Milan Havel:

„Bis 1995 sind keine Kompostieranlagen gebaut worden, auch wurden die Gartenabfälle und der Biomüll aus städtischen Grünanlagen nicht erfasst. Deswegen hat Tschechien einen Wert von knapp 160 Kilogramm biologisch abbaubarem Müll pro Kopf und Jahr angegeben. In Deutschland waren es zum Vergleich 360 Kilogramm. Laut meiner Schätzung müssten es in Tschechien damals eigentlich so 260 Kilogramm gewesen sein. Wir haben auch die Europäische Kommission darauf aufmerksam gemacht. Deswegen aber erfüllen wir bisher nicht die Ziele der EU-Richtlinie über Abfalldeponien.“

Müll | Foto: Honza Ptáček,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Eigentlich dürften im kommenden Jahr nur noch insgesamt 130 Kilogramm Müll je Einwohner auf tschechische Deponien verbracht werden. Derzeit seien es 200 Kilogramm, sagt der Experte und rechnet weiter…

„Das bedeutet, ab 2020 insgesamt 800.000 Tonnen Müll im Jahr weniger auf die Deponien zu karren. Da weiß ich aber nicht, ob das möglich ist“, so Havel.

Pilotprojekt gescheitert

Nun also müssen die Biotonnen das ganze Jahr über abgeholt werden. Damit könnte in diesen auch endlich mehr Küchenabfall landen, denn im Winter dürfte kaum Grünzeug anfallen. Rund 30 Kilogramm weniger Abfälle pro Kopf und Jahr im Restmüll ließen sich einsparen, schätzt Milan Havel.

Radek Sokol  (Foto: Milan Baják,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Das Problem bleiben aber nach wie vor die Ballungsräume. Hradec Králové hat als einzige Stadt hierzulande versucht, auch in Plattenbau- und Mietshaussiedlungen braune Biotonnen aufzustellen. 2016 lief dazu ein Pilotprojekt an. Im vergangenen Jahr erklärte man dies aber für gescheitert. So kann die Sortiervorrichtung der Biogasanlage zwar Plastik und Papier aussondern, doch die braunen Tonnen seien regelrecht missbraucht worden, hieß es. Radek Sokol leitet die Stadtwerke von Hradec Králové:

„Das reichte von Sperrmüll wie Möbelstücke bis zu extremen Fällen, bei denen selbst ein Druckkochtopf dort gelandet ist. Er war samt Inhalt auf der Herdplatte verbrannt. Dieses massive Metallstück hat an der Biogasstation erhebliche Schäden angerichtet.“

Foto: Michal Polášek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Beim Umweltministerium sucht man nach weiteren Hebeln. So müssen ab kommendem Jahr die Kommunen auch Speiseöle und Speisefette getrennt sammeln. Erneut wird ihnen aber freigestellt, ob sie diese Stoffe abholen lassen oder die Einwohner sie auf den Recyclinghof bringen müssen. Mehr Druck könnte da eine weitere Maßnahme bringen. So wird gerade innerhalb der Regierung ein Gesetz geprüft, das die Kosten für die Verbringung von Müll auf Deponien von der Menge abhängig macht. Das heißt: Je weniger auf der Kippe landet, desto billiger wird es für Städte und Gemeinden. Diese Regel würde jedoch frühestens 2021 in Kraft treten.