Tschechien bietet Deutschen öffentliche Diskussionen über Temelín an
Tschechien und Deutschland haben zwei grundverschiedene Positionen zur Atomkraft. Während die Bundesregierung den Atomausstieg beschlossen hat, plant Prag, die Nuklearenergie stärker zu nutzen. Das südböhmische Atomkraftwerk Temelín soll zwei weitere Reaktorblöcke erhalten. Doch atomare Strahlung kennt keine Grenzen, und in Deutschland sowie in Österreich stößt der Temelín-Ausbau auf Ängste. Die tschechische Regierung will dem nun entgegenwirken und hat sich zu einem außergewöhnlichen Schritt entschlossen.
Tschechien ist bereit, sich den Fragen der Atompolitik auch im benachbarten Ausland zu stellen. Deswegen hat Premier Petr Nečas nun angeboten, dass die tschechische Seite auf deutschem Boden Diskussionsveranstaltungen über den Temelín-Bau ausrichtet.
„Uns geht es in der ersten Linie natürlich um die Sicherheit beim Betrieb von Atomanlagen. Das halten wir für eine grundsätzliche Bedingung. Wir wollen uns dabei mit maximaler Transparenz gegenüber unseren Nachbarländern verhalten und haben auch keine Probleme darüber öffentlich zu diskutieren, so wie wir das bereits auf politischer Ebene machen. Beim letzten Treffen des Europäischen Rates habe ich das Bundeskanzlerin Merkel mündlich bereits übermittelt. Und ich habe es in der vergangenen Woche auch in einem Brief bestätigt“, so Nečas am Mittwochmittag bei der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung.
Der Premier verwies darauf, dass Tschechien über Spitzenfachleute verfügt, die an den Diskussionen teilnehmen sollen. Das Staatliche Amt für atomare Sicherheit sei in diesem Bereich international anerkannt. Dana Drábová leitet das Amt. Zum möglichen Ablauf der Veranstaltungen sagte sie:„Solche Diskussionen beginnen meist mit einer kurzen Einführung in die Problematik. Der große Rest der Zeit steht dann den Fragen des Publikums zur Verfügung. Ein Grundsatz dabei ist, dass alle Fragen beantwortet werden müssen.“
Das Konzept soll vom Umweltministerium in Prag vorbereitet werden. Den deutschen Bürgern will Tschechien in den Diskussionen eine Botschaft vermitteln. Dana Drábová:„Wir haben eine einzige Sache, die wir gerne verstanden wissen möchten: Kein Staat, und damit auch nicht die Tschechische Republik, würde auf seinem Boden etwas dulden, das die Menschen bedrohen könnte. Wir wären froh, wenn wir wirklich als Partner betrachtet würden, die ihre Sache verstehen und so machen, wie es sich gehört - und das mit Verantwortung.“
Die Diskussionsveranstaltungen hat Nečas bisher nur Deutschland angeboten. Dies geschieht aus freien Stücken, da Tschechien durch kein Gesetz gezwungen ist, so zu verfahren. Doch besteht das Angebot selbstverständlich auch gegenüber den südlichen Nachbarn, wie der Regierungschef am Mittwoch bestätigte:
„Falls auch Österreich Interesse an diesem Schritt hat, dann gibt es keinen Grund dort anders zu verfahren.“Die öffentlichen Diskussionen im Ausland können die tschechischen Behörden indes nicht alleine vorbereiten. Sie brauchen dafür die Mitarbeit und Hilfe der Behörden des jeweiligen Landes. Um genau das hat Nečas in seinem Brief Kanzlerin Merkel gebeten. Zudem soll die Temelín-Aufklärung auch Thema sein, wenn sich der Premier am Mittwochabend mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer in Prag trifft.