Gespannte Lage in Mitteleuropa war 1936 Anlass für die Gründung des Auslandssenders
Als der offizielle Beginn der Auslandssendungen des Tschechischen Rundfunks gilt der 31. August 1936. Radio Prag kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken, das sich nicht nur im Äther, sondern in den letzten 17 Jahren auch im Internet abspielt.
Der Tschechoslowakische Rundfunk begann am 18. Mai 1923 zu senden. Die Auslandssendungen des Tschechoslowakischen Rundfunks wurden 13 Jahre später gestartet. Fremdsprachige Sendungen gab es jedoch schon vor 1936. Die Rundfunkgesellschaft Radiojournal brachte seit 1924 Sonderprogramme - zuerst in Englisch und Esperanto, später auch in Französisch und Deutsch, die für den Empfang im Ausland bestimmt waren und über die Tschechoslowakei informierten.
Die politischen Ereignisse in Deutschland in den 1930er Jahren wirkten sich auch auf die Rundfunkpolitik der Tschechoslowakei aus. 1934 wurde der Bau einer Kurzwellenstation beschlossen. In einem Memorandum des Außenministeriums wurde der Bau wortwörtlich damit begründet, dass eine solche Station eine Propaganda im Ausland ermöglichen würde. Am 31. August 1936 um 10 Uhr wurde das erste fürs Ausland bestimmte Programm aus dem Gebäude der radiotelegraphischen Station in Poděbrady ausgestrahlt. Im ersten Jahr seiner Existenz sendete Radio Prag rund sechs Stunden täglich. Die Ansagen und Nachrichten erfolgten immer live. Gesendet wurde in Tschechisch, Slowakisch, Deutsch, Englisch, Französisch, gelegentlich Russisch, Spanisch, Italienisch, Flämisch und Ruthenisch. Es wurden Sendungen für Hörer in Europa und in Amerika vorbereitet.
Im Tonarchiv sind mehrere Aufnahmen aus den ersten Radio-Jahren erhalten geblieben. Der Rundfunk galt damals noch als ein technisches Wunder. Über den Rundfunk spricht auch Thomas Mann in seiner Rede, die er im Oktober 1936 im Volksbildungshaus Urania in Prag hielt:
„Wir alle kennen die ungeheuere Rolle, die das Technische in modernem Leben spielt. Und wir kennen auch die Gefahren für die höhere – oder besser gesagt – tiefere Gesittung, die sich aus dieser beherrschenden Rolle ergeben. Es sind Gefahren der Verflachung, der seelischen Primitivisierung und Verrohung."
Soweit die warnenden Worte von Thomas Mann.
Zu den Mitarbeitern der deutschen Redaktion gehörten Ende der 1930er Jahre auch einige Emigranten aus dem Deutschen Reich. Radio Prag versuchte damals, in seinen Sendungen auch Deutsche zu Wort kommen zu lassen, die sich für die Tschechoslowakei aussprachen. Seit dem Herbst 1938 wurden die Sendungen von Radio Prag bedeutend erweitert, Nachrichten wurden fast rund um die Uhr gesendet. Der deutsche Einmarsch in die Tschechoslowakei am 15. März 1939 bedeutete dann das vorübergehend Ende der Auslandssendungen.
Nach dem Kriegsende fing man wieder an, aus dem Tschechoslowakischen Rundfunk Auslandsprogramme zu senden. Doch nach einer kurzen Zeit ist aus Radio Prag ein Propagandasender des Sozialismus geworden. Nachdem die Kommunisten im Februar 1948 die Macht in der Tschechoslowakei ergriffen hatten, wurden - wie damals in allen Berufen - auch bei den Auslandssendungen viele der Mitarbeiter gekündigt und durch neue, regimetreue Leute ersetzt. Die sozialistische Propaganda wurde 20 Stunden täglich in zwölf Sprachen gesendet.
Hoffnungsvolle Zeiten erlebte Radio Prag erst in den 1960er Jahren, als die gesamte politische Lage etwas gelockert war. Prag ist zu der Zeit plötzlich auch zum einem attraktiven Ziel für namhafte Künstler geworden, die zuvor die kommunistische Tschechoslowakei eher gemieden hatten. Zum ersten Mal erlebten 1963 die Prager Musikfans live den großen Dirigenten Herbert von Karajan. Radio Prag hat mit dem Maestro damals gesprochen. Auf die Frage nach seiner Beziehung zu Prag antwortete der Dirigent:
"Ich bin heute das erste Mal in der Stadt und auch zum ersten Mal mit dem Orchester hier. Ich hatte zwei Stunden Zeit und der Botschafter war so freundlich und hat mich herumgeführt. Es ist begeisternd schön gewesen.“Was das Programm des heutigen Abends betrifft. Hat es eine Bewandtnis, dass Sie gerade die Jupiter-Symphonie spielen?
„Wir haben uns eigentlich mehr nach den Wünschen der hiesigen Mozart-Gesellschaft gerichtet, die sich das ausgewählt hat aus den Vorschlägen, die wir ihnen machen konnten.“
Nach der politischen Entspannung, die sich auch auf den Inhalt der Auslandsprogramme auswirkte, sollten bald wieder die Einführung der Zensur und eine Gleichschaltung des gesamten Programms folgen. Ähnlich wie 1948 mussten nach 1968 wieder viele Redakteure, die sich während des Prager Frühlings engagierten, gehen. Bei Radio Prag wurden seit den 1970er Jahren Kommentare in einer Zentralredaktion verfasst, die dann nur von den Redakteuren der Sprachredaktionen übersetzt wurden.
Eine neue Ära – in der man endlich wirklich frei berichten konnte - begann für Radio Prag erst nach der Wende von 1989. Nach der Teilung der Tschechoslowakei ist Radio Prag seit 1998 der Auslandssender der Tschechischen Republik. Im Jahr seines 75. Jubiläums musste Radio Prag infolge der Einsparungsmaßnahmen die Kurzwelle aufgeben. Der 75-jährige Sender geht aber mit der Zeit und ist im Internet und über den Satelliten zu erreichen. Zum Trendy-Outfit des Jubilars kam erst kürzlich seine neue Facebook-Präsenz hinzu.