Wirtschaftsrat macht Vorschläge zur Schulbildung: Überall verschlanken!

Die letzte Pisa-Studie war ein Schock: Die tschechischen Schülerinnen und Schüler haben sich im internationalen Vergleich dramatisch verschlechtert. Dass der Schulunterricht in Tschechien häufig altbacken ist und viel zu sehr auf Paukerei abzielt, war auch schon vorher klar. Bildungsminister Josef Dobeš reagierte auf den Pisa-Schock, indem er ein Reformpaket versprach. So sollen unter anderem Mindeststandards und das Zentralabitur eingeführt werden. Seitdem wird hierzulande heftig diskutiert. Nun hat sich auch noch der Nationale Wirtschaftsrat der tschechischen Regierung (NERV) eingeschaltet. In einer Studie schlägt er einen grundlegenden Wandel vor. Unter anderem soll nur noch Englisch Pflichtsprache sein, aber nicht mehr Deutsch.

Eine Radikalkur im Bildungswesen - das schlägt der Nationale Wirtschaftsrat vor. Das beginnt bei der Vorschulbildung, geht über die Lehrpläne und endet bei der Ausbildung von Pädagogen. Daniel Münich, einer der Autoren der Studie des Wirtschaftsrates:

„Grundlegend ist die Erziehung von Kindern aus wirtschaftlich und sozial schwachen Familien gerade bevor sie auf die reguläre Schule gehen. Denn dort entstehen dem Staat sonst langfristige Kosten.“

Deswegen sollte der Staat deutlich mehr in die Vorschulbildung investieren und mehr Plätze in Kindergarten und Kinderkrippen schaffen. Diese Empfehlung des Rates findet auch Zustimmung bei Bildungsminister Dobeš.

Ganz allgemein kritisiert der so genannte NERV, dass in tschechischen Schulen weiterhin vor allem Wissen gebüffelt wird, anstatt dass Zusammenhänge vermittelt werden. Auch dieser Bestandsaufnahme können sich der Minister und viele Fachleute anschließen. Der Wirtschaftsrat folgert daraus aber, die Lehrpläne zu entschlacken. Gute Englischkenntnisse würden genügen, eine zweite Pflichtfremdsprache sei eher Luxus unter den tschechischen Bedingungen. Dies gelte auch für die Gestaltung des Zentralabiturs, so Münich:

„Wir rufen zu großer Vorsicht auf bei gesamtstaatlichen Prüfungen inklusive dem Zentralabitur. Zugleich sagen wir, dieses Abitur sollte eingeführt werden, aber sich auf Grundwissen konzentrieren. Das sind Mathematik, der Umgang mit der tschechischen Sprache in jeglicher Weise und Englisch. Jeder weiterer Schritt ist schädlich.“

Englisch sei eine Weltsprache, so die knappe Reaktion von Bildungsminister Dobeš. Für Deutsch würde dies bedeuten, dass es gegenüber Englisch immer mehr ins Hintertreffen gerät. Die deutsche Sprache steht derzeit an zweiter Stelle hinter Englisch.

Friedrich Schiller Gymnasium
Anstatt in die Sprachen, findet der Rat, sollte aber in die Entwicklung von Fächern wie Finanz- und Rechtskunde sowie in den IT-Unterricht investiert werden. Ganz deutlich scheint der Wirtschaftsrat hier ein größeres Ziel zu verfolgen: die tschechischen Schülerinnen und Schüler fit zu machen für den freien Wirtschaftsmarkt.

Geht man nach der Studie des Wirtschaftsrates, sollen nicht nur die Bildungsinhalte verschlankt werden, sondern auch die Ausbildung der Lehrer. Ein Abschied vom langen Magisterstudium, wie Münich erklärt:

Jana Smetanová
„Studien aus der ganzen Welt zeigen, dass die Beziehung zwischen der wirklichen Qualität eines Lehrers und seiner formalen Ausbildung nur sehr gering ist.“

Es reichten ein Bachelor-Studium und pädagogische Kurse, befindet der Wirtschaftsrat. Das sehen indes weder Bildungsminister Dobeš noch die Betroffenen so. Jana Smetanová leitet eine Grundschule im ostböhmischen Pardubice. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk sagte sie:

„Wir haben es jedes Jahr mit immer mehr problematischen Kindern zu tun. Da geht es nicht nur um Erziehungsprobleme, sondern auch um psychische Störungen. Das fordert echte Fachleute, gebildete Leute.“

Drei Jahre Bachelor-Studium reichten dafür aber nicht, so die Lehrerin.

Autor: Till Janzer
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