Gedenken an den Todesmarsch: Acht Deutsche und Tschechen laufen die Strecke noch einmal ab
Am 13. April 1945 wurde das Konzentrationslager im bayerischen Helmbrechts aufgelöst. Doch für die 1170 Häftlinge, alles Frauen, war der Leidensweg noch lange nicht zu Ende. Sie mussten sich auf einen langen Todesmarsch begeben ins heute tschechische Volary. Nur etwa 100 von ihnen überlebten. Diese Geschichte berührte ein Ehepaar und seine Freunde aus Bayern so sehr, dass sie zu einem Buß-und Gebetsmarsch aufbrachen – entlang derselben Strecke wie die Opfer von damals. Vivian Hömke sprach mit Hanne Müller.
Frau Müller, Sie sind letzte Woche zusammen mit sieben anderen Menschen zu einem, wie Sie es nennen, „Marsch zum Leben“ aufgebrochen. Das heißt, Sie sind vom bayerischen Helmbrechts aus nach Volary in Südböhmen gewandert. Auf Fußwegen sind das etwa 260 Kilometer in acht Tagen. Was hat es damit auf sich?
„Also das hat eine kleine Vorgeschichte. Und zwar war ich im Dezember 2008 in Prag. Und dort ist es mir sehr ins Herz gekommen, mich auf die Suche zu machen: Was war mit der jüdischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkrieges? Und unser Stadtführer hat mir sehr gute Auskunft gegeben. Und mich persönlich hat es sehr tief bewegt und ich musste vor ihm weinen und hab ihn auch um Vergebung gebeten, was unser deutsches Volk damals dem tschechischen Volk angetan hat. Ich habe dann die Sache weiter verfolgt und dann bin ich auf diesen Todesmarsch gestoßen.“
Und wer sind die Leute, die mit Ihnen zusammen gelaufen sind?
„Natürlich hat mich ganz fest mein Mann unterstützt. Und dann sind es Freunde, die auch Christen sind. Und wir waren dann im Sommer in Theresienstadt und dort kam eigentlich das ´Ja´ auch von tschechischen Freunden und das war unsere größte Freude, dass wir deutsch-tschechisch unterwegs waren.“
Heißt das, es haben sich unterwegs noch Leute angeschlossen?
„Ganz genau.“
Sie sind gewandert, um des Todesmarsches der Juden im Jahr 1945 zu gedenken und so quasi um Versöhnung zu bitten und „Leben in die Todesstrecke zu bringen“. Was verbindet Sie persönlich denn mit den Menschen von damals?
„Mein Glaube. Auf dem Todesmarsch waren ja lauter jüdische Frauen. Und somit bin ich ja auch verbunden mit dem jüdischen Volk.“
Fühlen Sie sich denn jetzt versöhnt mit den Opfern von damals?
„Ja. Und zwar hatten wir ein ganz starkes Erlebnis in Hartmanice. Dort waren wir in der Synagoge. Und wir konnten eine ganz enge Zeit der Versöhnung erleben und dort wirklich einander die Hand reichen und sagen: So etwas darf nie mehr geschehen. Und wir wollen dafür sorgen, dass wir wirklich gute Beziehungen pflegen, so dass die Fehler der Geschichte nicht wiederholt werden.“
Wie viele Stunden sind Sie denn am Tag gelaufen oder wie viele Kilometer?
„Das war unterschiedlich. Die erste Strecke waren nur 20 Kilometer, die zweite Strecke waren 42 Kilometer, die dritte Strecke waren 27 Kilometer. Und ab der vierten Strecke haben wir uns dann in zwei Gruppen geteilt, weil wir ja am Morgen begonnen haben mit einer Andacht und am Abend haben wir so unseren Tag beendet. Und das wollten wir ja wirklich in einer Weise tun, wo wir nicht so ausgelaugt sind, dass wir garnichts mehr tun können.„
Da müssen doch auch die Füße unglaublich weh getan haben?
„Ja, auch. Aber nichtsdestotrotz: Die Begegnungen, die wir unterwegs mit den Menschen hatten, wo wir wohnten oder die wir unterwegs getroffen haben oder mit denen wir sprechen konnten, haben das alles aufgewogen.“