Pharaonen, Funde und Forscher – die tschechische Ägyptologie

Miroslav Bárta vor dem Sarkophag des Priesters Neferinpu (Foto: Das Tschechische Ägyptologische Institut)

Die tschechische Ägyptologie kann auf 50 Jahre Grabungen am Nil zurückblicken. In der anstehenden neuen Ausgabe des „Kultursalons“ geht es daher um einen bedeutenden Fund von Ende 2007, den tschechische Archäologen gemacht haben, sowie um die tschechische Ägyptologie im Allgemeinen und darum, welche ägyptische Sammlungen in Tschechien zu sehen sind. Till Janzer hat sich dazu mit Miroslav Bárta vom Ägyptologischen Institut der Prager Karlsuniversität unterhalten, der unter anderem auch in Hamburg studiert hat.

Miroslav Bárta vor dem Sarkophag des Priesters Neferinpu  (Foto: Das Tschechische Ägyptologische Institut)
„Walk Like an Egyptian“: 23 Jahre ist es her, seitdem das Mädchenquartett „The Bangles“ seinen erfolgreichen ägyptischen Wackelgang in die Musikwelt hinausschickte. 23 Jahre, das ist im Vergleich mit dem Umfang der ägyptischen Geschichte wie die Länge eines Atemzugs im Leben eines Menschen. Allein die Zeit der ersten Hochkultur am Nil dauerte 2500 Jahre; und diese zweieinhalb Jahrtausende der Pharaonen haben genügend Spuren hinterlassen. Wer an den richtigen Orten gräbt, der wird auch fündig. Vieles davon ist heute allerdings relativ bedeutungslos, nur weniges wirklich Aufsehen erregend. Zur zweiten Kategorie gehört jedoch die Entdeckung eines tschechischen Teams unter der Leitung des Archäologen Miroslav Bárta. Der Fund wurde in Abusir am westlichen Nilufer südlich von Kairo gemacht und stammt aus der Zeit der Pyramidenbauer Mitte des 3. Jahrtausends vor Christus.

„Es handelt sich um ein unzerstörtes Grab – eine Grabkammer mit einem Sarkophag aus der 5. Dynastie. Wichtig ist die Tatsache, dass es sich um ein intaktes Grab aus dem Alten Reich handelt“, so Miroslav Bárta.

Intaktes Grab bedeutet indes nicht gleich auch interessant:

„Intakte Gräber entdecken wir jedes Jahr. In den meisten Fällen handelt es sich um ganz einfache Gräber mit einer Hock-Bestattung und ein paar keramischen Vasen. Im jetzigen Fall sieht es etwas anders aus, weil wir einen kompletten Fund mit der Sargkammer und der Bestattung in einem Kalkstein-Sarkophag haben. Diese zwei Fundgruppen machen dies zu einer einigermaßen ungewöhnlichen Entdeckung.“

Und das gibt den Wissenschaftlern die Möglichkeit, gleich eine ganze Lebensgeschichte aus der damaligen Zeit zu rekonstruieren. Bei dem Bestatteten handelt es sich um den Priester Neferinpu, der im damals stattlichen Alter von etwa 50 Jahren verstarb. Der Arbeitstitel könnte laut Bárta also lauten:

„Neferinpu und seine Familie in der Zeit der Familienbauer der 5. Dynastie. Das heißt, wie er wohnte, wie er lebte, wie sah seine Karriere aus, wie sah seine Familie aus, wie lange lebte er und auch wie waren die religiösen Vorstellungen der alten Ägypter vom Jenseits zu der Zeit seiner Bestattung.“


Wie aber ist es eigentlich, wenn man als Wissenschaftler am Rand eines intakten Grabs wie jenes des Neferinpu steht und es dann öffnet?

„In den ersten Sekunden hatte ich wirklich das Gefühl, dass es wie bei Indiana Jones ist. Dann habe ich aber vor allem die Last der Verantwortung gespürt. Es kommt der Moment der Organisation. Man muss sehen, dass alle Spezialisten da sind, bevor man reingeht. Es muss alles dokumentiert werden durch Zeichnungen und Fotos. Die ersten Sekunden waren also wunderbar, aber danach war es nur noch Arbeitsstress.“

Wir leben ja nicht mehr im Zeitalter des Imperialismus. Das heißt, Sie forschen zusammen mit ägyptischen Stellen und ägyptischen Wissenschaftlern. Hat denn die tschechische ägyptische Sammlung durch diesen Fund irgendeine Möglichkeit reicher zu werden?

„Nein, alle Funde, die Expeditionen in Ägypten machen, gehören den Ägyptern. Also bleiben auch alle Funde, die wir machen, in Ägypten. Das ist wie in Europa. Wenn eine fremde Mission in Deutschland gräbt, dann bleiben die Funde ebenfalls dort. Was wir hier in Tschechien machen können, sind Ausstellungen. Die kosten jedoch ziemlich viel Geld und sind eigentlich noch nie zustande gekommen.“

Was gibt es denn an Fundstücken aus Ägypten in Tschechien in und außerhalb der Museen zu sehen? Im 19. Jahrhundert haben sich ja auch Schlossbesitzer Privatsammlungen zugelegt.

„Damals hat man hauptsächlich Mumien und schöne Sachen gesammelt. Dies bildet zum Beispiel auch einen Teil der Sammlung im Náprstek-Museum. Der zweite Teil stammt aus den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als Professor Jaroslav Černý in Medina arbeitete. Der dritte Teil der Sammlung im Náprstek-Museum kommt aus den 70er Jahren, als es noch möglich war, ein Teil der Funde, die damals das tschechoslowakische Institut der Ägyptologie gemacht hat, zu bekommen. Das sind aber nur kleine Teile: Siegelabdrücke, ein paar Statuen und Torsi, Keramik und Steingefäße. Seitdem ist es nicht mehr möglich, neue Funde aus Ägypten zu bekommen, was auch gut so ist.“

Das heißt: Ein Fundstück wie die Büste der Nofretete in Berlin finden wir in tschechischen Museen nicht?

„Nein, leider nicht, dafür muss man nach Berlin fahren.“

Sie haben ja unter anderem in Hamburg studiert. Allerdings gibt es ja auch eine gewisse Tradition der tschechischen Ägyptologie…

„Die tschechische beziehungsweise natürlich tschechoslowakische Ägyptologie hing am Anfang stark mit der deutschen zusammen, weil die meisten Wissenschaftler zu Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Deutschland studierten. Erst später hat sich auch hier in Tschechien eine eigene Tradition entwickelt durch Professor Zbyněk Žába, teilweise Jaroslav Černý und später Miroslav Verner. Die Geschichte der Ägyptologie in unseren Ländern reicht sogar bis ins 19. Jahrhundert zurück. Früher war es vor allem Philologie, heute ist es hauptsächlich altägyptische Archäologie, was unser Institut ziemlich interessant macht in seiner Stellung in ganz Europa. Denn es gibt nur wenige Universitäten, an denen man so richtig altägyptische Archäologie studieren kann. Natürlich lernt man hier auch alle Stufen der alten ägyptischen Sprachen, aber der Schwerpunkt liegt auf der Archäologie.“

Seit wann graben tschechische Forscherteams denn in Ägypten?

„Seit den 60er Jahren. Gerade dieses Jahr feiern wir 50 Jahre Grabungen in Ägypten.“

Wie werden sie dies begehen?

„Im März eröffnen wir eine größere Ausstellung im Ägyptischen Museum in Kairo. Wir veranstalten dort auch ein Seminar. Aber auch hier in der Tschechischen Republik werden wir einige Seminare und Ausstellungen abhalten. Sie finden im April und im Herbst statt und Besucher sind herzlich eingeladen.“