Auf die Minute genau: Gründung der Karlsbrücke

Karlsbrücke

Kein Weg führt an ihr vorbei, denn sie ist eines der Symbole der tschechischen Hauptstadt. Anstelle von Krönungszügen wie früher strömen heutzutage aber Tausende von Touristen über sie. Viele von ihnen bleiben stehen, um den einzigartigen Blick auf die Kleinseite mit der Prager Burg oder auf die Alt- und Neustadt zu genießen. Die Rede ist von der Prager Karlsbrücke, die bald ein rundes Jubiläum begehen wird. Aus diesem Anlass wurde vor einigen Tagen am Fuße der Brücke ihr Museum gegründet.

Jahrhunderte lang verbindet die Brücke die westlichen und östlichen Prager Städte beziehungsweise Stadtteile. Sie hat Krönungsumzüge, feierliche Prozessionen, aber auch Söldnerangriffe und nicht zuletzt auch Hochwasserkatastrophen erlebt und überlebt. Karl IV. ließ diese Brücke bauen, nachdem ihre Vorgängerin - die steinerne Judith-Brücke - 1342 vom Hochwasser beschädigt worden war. Die Judith-Brücke führte jedoch ein wenig stromabwärts über die Moldau. Der Brückenturm auf der Altstädter Seite befand sich im Gebäudekomplex des Kreuzherrenklosters.

Mit der Geschichte der Karlsbrücke sowie mit den Wandlungen des Alltagslebens um die Brücke herum kann man sich seit dem vergangenen Wochenende in einem Museum vertraut machen. Es wurde in den Räumlichkeiten des einstigen Kreuzherrenspitals eingerichtet. Über dem Eingang vom Altstädter Kreuzherrenplatz hängt eine Tafel, auf der man eine geheimnisvolle Zahlenreihe lesen kann. Diese auf den ersten Blick rätselhafte Inschrift stellt das Logo des neuen Museums dar. Die Zahlen 135797531 weisen auf die Zeit hin, zu der der Grundstein für die Prager Brücke gelegt wurde, die erst im 19. Jahrhundert nach ihrem Gründer Karl IV. benannt wurde. Die Grundsteinlegung wurde als wichtiger, astrologisch bedingter Akt, genau am 9. Juli 1357 um 5.31 Uhr vollzogen.

Museum zu Karlsbrücke
Auf die Idee, anlässlich des 650. Jubiläums ein Museum zu Karlsbrücke zu schaffen, kam Architekt Ondrej Sefcu vom Tschechischen Denkmalschutzinstitut. Seit dem Herbst des vergangenen Jahres hat Zdenek Bergman die Initiative ergriffen und allmählich den Gedanken des Denkmalschutzexperten in die Tat umgesetzt. Bergmans Bootsfahrtgesellschaft, die Moldaufahrten organisiert, hat unweit der Karlsbrücke ihren Sitz. Bergman ist ein passionierter Bewunderer der Prager Brücke. Der Kreuzherrenorden, der bereits mit der Judith-Brücke verbunden war, stellte seine Räumlichkeiten für das neue Museum zur Verfügung. Zdenek Bergman dazu:

"Dieser Ort ist durch folgendes interessant: Als die Karlsuniversität im Jahre 1848 nach einem geeigneten Ort für die Statue von Karl IV. gesucht hatte, hatte sie den hiesigen kleinen Platz - den Kreuzherrenplatz - errichtet. Auf den Pragen Veduten, die im Museum hängen, kann man sehen, dass da ursprünglich ein Moldauarm war. Direkt neben dem Denkmal, das anlässlich des 500. Gründungstags der Karlsuniversität errichtet wurde, befindet sich unser Museum. Wir wollen, dass möglichst viele Besucher der Karlsbrücke und des alten Prags den Weg in unser Museum finden."

Im Museum werden Bauinstrumente und Einrichtungen gezeigt, die einst bei Brückenbauten benutzt wurden. Die Besucher können auch die unterirdischen Räumlichkeiten betreten, die sich unmittelbar neben der einstigen Judith-Brücke befinden. Im Museum wird nicht nur die Karlsbrücke allein beschrieben, wir versuchten hier auch einen Blick auf Karl IV. und seine Regierung zu bieten, sagt Zdenek Bergman:

"Zur Epoche von Karl IV. gehört die Arbeit mit Edelsteinen und Edelmetallen - mit Gold und Silber. Hier in der Ausstellung kann man den so genannten Steinschneider besichtigen. Das war eine einzigartige Maschine mit Wasserantrieb. Interessant ist, dass man diese Technik weder vor noch nach Karl IV. vorfindet. Zur Stabilisierung der Regierung von Karl IV. trug die Goldförderung in Jilove bei."

Ein weiteres Thema der Ausstellung im Museum ist neben der Epoche von Karl IV. die Tätigkeit des Kreuzherrenordens. Er ist der einzige Männerorden tschechischer Herkunft. Er entstand aus einer Spitalbruderschaft, die 1233 von der Heiligen Agnes von Böhmen gegründet wurde. Die vollständige Bezeichnung des Ordens, der sich sowohl um die Judith-, als auch die Karlsbrücke gekümmert hatte, war der "Kreuzherrenorden mit dem roten Stern am Fuße der Prager Brücke". Im Museum wird eine der Tafeln des so genannten "Puchner-Altars" gezeigt. Großmeister Mikolas Puchner war eine namhafte Persönlichkeit in der Ordensgeschichte. 1482 ließ er einen dreiteiligen Altar für die Kreuzherrenkirche herstellen, erzählt einer der Ordensmitglieder:

"Dieser Großmeister wurde 1460 von seinen Mitbrüdern anstelle des regulär gewählten Großmeisters ernannt. Er hatte am Fuße der Judith-Brücke seinen Sitz und war ein großer Kunstmäzen. In Chlum Svate Mari / Maria Kulm ließ er eine gotische Zweischiffkirche erbauten. Für die Prager St. Franziskus-Kirche ließ er ein Altar herstellen, der heute als Puchner-Altar bezeichnet wird. Auf einer Altartafel sieht man die Gründung des Ordens durch die Heilige Agnes von Böhmen. Auf dem Bild trägt die Premyslidin-Prinzessin eine Krone und es ist bemerkenswert, dass sie einen Heiligenschein hat. Die Kreuzherren haben die Premyslidin als eine Heilige geehrt, auch wenn sie erst 1989 von Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen wurde. Auf dem Altar ist Großmeister Puchner selbst dargestellt, der Agnes die Kirche überreicht."

Michal Cihla
Große Bauten, zu denen auch Brücken gehörten, wurden im Mittelalter von Bauhütten erbaut. Es handelte sich um - wie wir heute sagen - Baufirmen, mit einer ganz bestimmten Hierarchie. Im Museum wird die Arbeit einer Bauhütte anschaulich gezeigt. Angefangen wird im Steinbruch. Die grob bearbeiteten Steine werden in eine Steinmetzenwerkstatt transportiert. Eine solche mittelalterliche Werkstatt kann man live erleben, erzählt Historiker Michal Cihla:

"Es gibt da zwei Figuren, eine davon stellt einen Steinmetz dar, der mit einem historischen Werkzeug - dem so genannten Doppelspitz - den Stein in die gewünschte Form bearbeitet. Nebenan steht der Baumeister mit einem Zirkel in der Hand. Außerdem ist hier eine Sammlung von historischen Werkzeugen zu sehen - von mittelalterlichen bis zu den neuzeitigen. Interessant ist die Zahnaxt, mit der auch Steine für die Karlsbrücke bearbeitet wurden. Eine Steinmetzenwerkstatt musste auch mit einem Zimmermann zusammenarbeiten. Der hier stehende Handwerker arbeitet an einem Pfosten, der mit einer Rötellinie gekennzeichnet ist."

Das wichtigste Exponat in diesem Museumsraum ist das Modell eines noch nicht fertigen Brückenpfeilers. Daran wird die Technologie des mittelalterlichen Brückenbaus vorgeführt. Es wird anschaulich gemacht, wie die Brücke gegründet wurde:

"Es gibt da einen Spundbohlen, also eine Wand, die den Bauarbeitern geholfen hat, im fließenden Wasser zu arbeiten. Es ist zu sehen, wie der Brückenpfeiler durch einen Kranz von Mühlsteinen befestigt war. Ein Originalmühlstein ist da auch ausgestellt."

Die Führung durch das neue Museum der Karlsbrücke werden wir in der nächsten Ausgabe des Spaziergangs durch Prag fortsetzen. In der heutigen Sendung wurde mehrmals die Judith-Brücke erwähnt. Falls Sie wissen, nach wem diese Brücke benannt wurde, können Sie es uns schreiben. Denn so lautet unsere Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Ihre Zuschriften richten Sie bitte an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Praha 2.

Im Mai fragten wir Sie danach, in welchem Jahrhundert der böhmische König Jiri z Podebrad - Georg von Podiebrad - gelebt hatte. Es war im 15. Jahrhundert. Ein Buch über Prag geht diesmal an Heinz-Günter Hessenbruch aus Remscheid.

Foto: Stepanka Budkova