Die Rolle der Medien bei der tschechischen Regierungskrise

Wie haben die tschechischen Medien über die knapp acht Monate dauernde politische Krise in Tschechien berichtet? Dieser Frage geht nun für Sie Robert Schuster nach und zwar in einer neuen Ausgabe von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag.

Liebe Hörerinnen und Hörer, in den vergangenen Wochen haben wir uns auch in unserer Mediensendung des Öfteren mit der langen Regierungskrise in Tschechien befasst. Natürlich konnte diese an den heimischen Medien nicht spurlos vorbei gehen, hatte es doch nach der Wende noch nie so lange gedauert, bis sich die Politiker auf eine neue Regierung einigen konnten.

Die Medien waren jedoch in den vergangenen Monaten bei weitem nicht nur als Berichterstatter oder Beobachter tätig. Einige Akteure der langen politischen Schachpartie versuchten, die Medien für ihre politischen Ziele einzuspannen, indem sie zum Beispiel den Redaktionen gezielte Indiskretionen über die laufenden Verhandlungen zuspielten.

Was lässt sich nun über die Rolle der Medien im Zusammenhang mit der tschechischen Regierungskrise sagen? Das fragten wir den Publizisten und freien Autoren Karel Hvizdala, der gleich zu Beginn einen Vergleich zwischen der deutschen und der tschechischen Medienlandschaft zieht:

"Die Aufteilung der Medien hierzulande verläuft ganz anders als in Deutschland. Hier gibt es keine prestigeträchtigen Zeitungen, welche die politische Lage sehr gründlich analysieren würden. Das gleiche gilt auch für die Nachrichtenmagazine, die etwa mit dem deutschen Spiegel vergleichbar wären. An der Spitze der tschechischen Medienlandschaft stehen so genannte Pop-Medien, und die Mehrheit dieser Medien bilden wiederum Boulevard-Zeitungen. Das Niveau dieser Mehrheit bestimmt auch das Niveau der elektronischen Medien. Das bedeutet, dass es von Seiten der Medien eher zu einem Transfer von Emotionen, als zu einem Transfer von Informationen an die Leser kommt. Deshalb greifen die Medien nur jene Themen auf, die schnell und leicht verkäuflich sind. Für die Bürger ist dann eine Orientierung sehr kompliziert."

Lassen sich im Nachhinein irgendwelche Tief- oder Höhepunkte feststellen, was die Berichterstattung der Medien zur Regierungskrise angeht? Dazu sagt Karel Hvizdala:

"Was man vielleicht allgemein sagen könnte ist, dass das geringe Niveau der Medien ganz konkrete Auswirkungen hat, nämlich das alles emotionalisiert und hochgeschraubt wird. Die Form und die Ästhetik der Medien bestimmt dann die Ethik in der Gesellschaft. Wir haben das erst vor ein paar Tagen gesehen, als die politische Lage sehr ernst und kompliziert war, die Hauptzeitungen aber - mit Ausnahme der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny - auf der Titelseite ausgiebig über die familiären Probleme von Premier Topolanek berichteten. Das war das beherrschende Thema bei den meinungsbildenden Medien und so etwas ist nicht normal."

Der Journalist und Autor Karel Hvizdala, der vor der Wende im Exil in Deutschland lebte, und heute zu den profiliertesten Kritikern der gegenwärtigen tschechischen Medienlandschaft gehört, war in den 90er Jahren selber einige Jahre Chefredakteur und Herausgeber einiger tschechischer Zeitungen, wie etwa der auflagestärksten unter den seriösen Tageszeitungen, der Mlada fronta Dnes.

Wie schwierig ist es eigentlich für die Redaktionsverantwortlichen bei einem politischen Ereignis, dass sich über mehrere Monate hinzieht, nicht den Überblick zu verlieren und das beherrschende Thema den Lesern immer wieder von einer neuen Seite zu zeigen? Ist das den Redaktionen der tschechischen Medien in den vergangenen Wochen und Monaten gelungen? Karel Hvizdala:

Foto: CTK
"Ja, ab und zu bestimmt. Nur von jenen Autoren, die das so gründlich machen können und zum Beispiel fähig sind eine Parallele zwischen der jetzigen Situation und jener der Ersten Republik herzustellen, davon gibt es nicht viele. Das ist aber nur eines der Probleme. Die zweite Ebene ist vielleicht noch viel wichtiger: Die Konkurrenz ist in Tschechien sehr groß und die Chefredakteure und Redakteure sind gezwungen auf diese Situation ganz anders zu reagieren, um bestimmte Emotionen auch an die Leser, also die Verbraucher der Medien, weiter zu geben und zu transportieren. Deshalb ist die Rolle der Chefredakteure so schwer und es nicht leicht in dieser Situation eine Redaktion zu führen."

Kann man die bereits erwähnte Emotionalisierung bei der Behandlung eines ausgesprochen politischen Themas, wie der Regierungskrise, nicht aber auch so verstehen, dass den Redaktionen ganz einfach früher oder später die seriösen Ideen ausgehen und dann der Versuchung ausgesetzt sind, auf eine boulevardeske Ebene auszuweichen? Ist diese Interpretation zulässig? Hören Sie dazu abschließend noch einmal Karel Hvizdala:

"Ja, die ist bestimmt zulässig, aber es geht nicht nur um das Thema, es geht um die Platzierung der Sache in den Medien. Ich denke, dass dieses Thema nicht auf der Titelseite behandelt werden sollte. Zweitens geht es aber auch darum, wie man darüber schreibt - ob wirklich analysiert wird, ob das eine Wirkung auf die Politik haben könnte usw., oder ob man nur oberflächlich über diese emotionale Wirkung spricht. Das ist meiner Meinung nach das Negative an dieser Sache bei uns."