Elefantenpfleger mit Leib und Seele
"Auf ´ner schönen grünen Wiese liegt ein großer grauer Berg...", singt man in einem Lied, und wenn Sie Kinder oder Enkelkinder haben oder selbst noch vor kurzem ein Kind waren, dann wissen Sie, von wem da gesungen wird. Von einem Elefanten, den alle gleich lieb haben. Die netten, witzigen, tollpatschigen, naschhaften und klugen Elefanten gibt es aber auch in unserer realen Welt, auch wenn sie nicht gerade Benjamin Blümchen heißen. Davon, wie sehr sie beliebt sind, kann man sich allein schon bei einem Besuch im Zoo überzeugen: Zum Gehege mit den Elefanten pilgern doch alle, ob Jung oder Alt. In der nun folgenden Rubrik "Heute am Mikrophon" möchten wir Ihnen einen Mann vorstellen, der sich aufgrund seiner Tierliebe den Beruf des Tierpflegers gewählt hat. Durch die Sendung führt Sie Jitka Mladkova:
Jiri Javurek, um die dreißig Jahre alt, ist Chef des Elefantenpavillons im Prager Tierpark. In seiner Obhut hat er auch Tapire, Nilpferde und Kapybaras, auf Deutsch Meerschweine. Von sich selbst redet er eigentlich nicht viel, doch dadurch, wie er über seine Zöglinge und seinen Job spricht, erfährt ein aufmerksmer Zuhörer trotzdem viel:
"Meine Domäne sind die Elefanten. Sie sind asiatischen Ursprungs, und leider haben wir nur drei - einen Bullen und zwei Elefantinnen. Der Bulle kam vor drei Jahren aus dem holländischen Emen zu uns und gilt als einer der besten Elefantenzuchtbullen in Europa. Leider fehlt ihm bei uns ein reproduktionsfähiges weibliches Pendant. Die eine der beiden Elefantenkühe ist bereits 47 Jahre alt und kann kein Baby mehr austragen. Die andere ist zwar jünger, sie ist 31 Jare alt, hat aber gesundheitliche Probleme, die ihre Befruchtung wie auch die Austragung eines Elefantenbabys verhindern."
Im Herbst vergangenen Jahres konnte Jiri Javurek zwei Wochen lang im Berliner Tierpark hospitieren. Warum ausgerechnet dort? In Berlin gebe es 20 Elefanten, afrikanische wie auch indische, und der Tierpark gehöre europaweit zu den größten und erfolgreichsten im Bereich der Elefantenzucht, sagt Javurek mit Anerkennung:
"Aus meiner Sicht als Elefantenpfleger war der Aufenthalt in Berlin sehr interessant. Vor allem hatte ich dort die Gelegenheit, Unterschiede im Verhalten der beiden Tiergattungen zu vergleichen. Dass es sie in der Tat gibt, kann sich ein Laie kaum vorstellen, und ich selbst war bis dahin auch nicht ganz im Bilde. In Prag hatten wir zwar einst eine afrikanische Elefantin, da sie aber alleine war, waren die für diese Elefantenart typischen Merkmale in ihrem Verhalten nicht so deutlich, wie man sie ansonsten bei einer Herde zu sehen bekommt. Außerdem hat man in Berlin Elefanten verschiedenen Alters, angefangen von nur ein paar Monate alten Babys bis hin zu bejahrten Tieren, und in jeder der beiden Artgruppen gibt es je einen voll integrierten Bullen. Also das war für mich am interessantesten."
Andere Länder, andere Sitten, sagt man, und ob man will oder nicht, um das Vergleichen kommt man nicht herum. Auch Jiri Javurek hat es getan:
"Für mich war es ein bisschen traurig zu vergleichen: Das Verhalten unserer Tiere in Prag ist bei weitem nicht so natürlich wie das der Tiere in Berlin. Unsere Elefanten haben nicht die Möglichkeit, in einer größeren Gruppe zu leben, in der die Tiere mit sich selbst beschäftigt sind. Das ist für sie die optimale Lebensweise, wenn sie sich um ihre Jungen kümmern können. Das ist einfach der beste Zeitvertreib."
Es gab vieles, was Jiri Javurek in Berlin gefallen hat, eines aber ganz besonders:
"Was mich besonders fasziniert hat, war die Arbeitsproduktivität! Ich muss sagen, dass das dortige Zoo-Personal im Vergleich zu uns im selben Zeitraum eine höhere Zahl von Tieren zu pflegen hat. Das hat mich ein bisschen überrascht. Es ist wahrscheinlich auch darauf zurückzuführen, dass die Berliner Tierpfleger nicht mit einer ganzen Menge von sinnlosen Aufgaben belastet werden, wie es bei uns der Fall ist. Ein anderer Grund mag sein, dass unsere Tiere in einem alten und ihren Bedürfnissen kaum entsprechenden Pavillon leben. Und noch etwas habe ich im Berliner Tierpark nicht übersehen können: den Stolz darauf, dass man mit Elefanten arbeitet. Einige machen sogar Werbung mit einem Aufkleber auf der Rückscheibe ihrer Privatautos, der zu einem Besuch ihres Tierparks animiert. Also das ist etwas, was man bei uns kaum sehen kann."
Jiri Javurek ist mit vielen Eindrücken und Erfahrungen aus Berlin zurückgekehrt und hofft nun auf ihre Verwertung:
"Für mich war es eigentlich wie eine Dienstreise, offiziell vereinbart zwischen den beiden zoologischen Gärten in Prag und Berlin. Zustande kam sie wahrscheinlich auch deshalb, weil wir bei uns den Elefanten immer noch einiges schuldig sind. Der Prager Tierpark hat in den zurückliegenden Jahren einen umfassenden Wandel zum Besseren erfahren, nur die Elefanten haben davon noch nicht profitieren können. Zur Zeit ist in unserem Tierpark der Bau eines neuen Elefantenpavillons in Sicht, und ich hoffe, dass ich in Zukunft die Möglichkeit haben werde, meine Erfahrungen aus Berlin in dem neuen Domizil unserer Elefanten in die Praxis umzusetzen."
Der Elefantenpfleger und Elefantenfreund in einer Person erinnert sich insgesamt sehr gerne an seinen zweiwöchigen Aufenthalt in Berlin, wo er nach eigenen Worten sehr nett von den deutschen Berufskollegen empfangen wurde. Abschließend wollten wir von ihm wissen, in welcher Sprache man sich eigentlich mit den Elefanten verständigt. Und hier ist seine Antwort:
"Einiges ist international, so dass ein Tier, das in ein anderes Land geschickt wird, auch dort verstehen und reagieren kann. Viele Einzelwörter sind zum Beispiel im Falle der asiatischen Elefanten bei der Elephantenzucht in Asien entstanden. Ein Teil des 'Elefantenwortschatzes' stammt aber aus der Muttersprache der Menschen, die sich um das Tier kümmern."
Der Prager Tierpark blickt auf eine 75-jährige Geschichte zurück. Das allererste Tier, das die Eröffnung am 31. September 1931 erlebt hatte, war die Wölfin Lotta, bald gefolgt vom Przewalski-Pferdepaar Minka und Ali. Durch das Hochwasser 2002 hat der Zoo verheerende Schäden, einschließlich Tierverluste erlitten. Im Sommer 2005 gab es dort insgesamt 4562 Tiere zu sehen, davon nur drei Elefanten.