Rauchen: Russisches Roulette
Wo endet die Bushaltestelle, wo beginnt die Gesetzeslücke? Der brave Soldat Svejk würde in seiner Prager Lieblingsgaststätte wohl gerne über diese Fragen schwadronieren. Medizinische Fakten lassen da schon weniger Spielraum für die freie Interpretation. Die chronisch obstruktive Bronchitis (COPD), eine irreversible Verengung der Atemwege, zählt zu den weltweit häufigsten Erkrankungen und war im Jahre 2001 die vierthäufigste Todesursache. Die COPD wird meist hervorgerufen durch inhalierte Aerosole, allen voran Tabakrauch. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende Limitierung des Atemflusses, die in den meisten Fällen vom Patienten zunächst unbemerkt bleibt. Ein Forschungsteam an der Universitätsklinik Helsinki hat sich zum Ziel gesetzt, die Früherkennung der Erkrankung zu verbessern. Seit knapp zwei Jahren suchen fünf junge Wissenschaftlerinnen nach so genannten Signalsubstanzen, die den Beginn der COPD anzeigen sollen. Stefan Tschirpke hat das Team im Forschungszentrum Biomedicum der Universitätsklinik Helsinki besucht:
Im Labor des Biomedicum, dem medizinischen Forschungszentrum der Universitätsklinik in Helsinki. Messgeräte, Reagenzgläser, Mikroskope, Wissenschaftler in weißer Schutzkleidung. Das Arbeitsumfeld von Professor Vuokko Kinnula, Spezialistin für Lungenerkrankungen, und Leiterin der Forschungsgruppe "Lung Factor", zu Deutsch, Lungenfaktor. Die Forschungsgruppensitzung ist beendet. Fünf junge Wissenschaftlerinnen eilen zurück an ihre Arbeitsplätze. Ihre Chefin wirkt resolut und sportlich. Fast 60 Jahre sind der Professorin nicht anzumerken:
"Wir befassen uns unter anderem mit der chronischen Lungenerkrankung COPD, vor allem mit dem Problem ihrer Früherkennung", sagt sie. COPD, eine irreversible Verengung der Atemwege, gilt als Volkskrankheit. Hervorgerufen wird die Erkrankung durch eingeatmete Aerosole, vor allem durch Zigarettenrauch. Über 90 Prozent der Patienten sind Raucher, aber nicht bei jedem Raucher entwickelt sich die Erkrankung.
"Das ist wie Russisches Roulett. Bei 15 oder 20 Prozent der Raucher entwickeln sich Lungenverengungen."
Das Teuflische der Erkrankung ist ihr unbemerktes, schleichendes Voranschreiten. Erst nach Jahren alarmieren deutliche Atemnot und eine spürbare Abnahme der körperlichen Belastbarkeit, die Patienten.
"Die Lungenverengung ist stark unterdiagnostiziert. In Finnland dürften rund 400.000 Menschen daran leiden, aber nur ein kleiner Teil weiß dies. Patienten, die Beschwerden haben, sind häufig sofort für die Intensivstation reif. Die Erkrankung hat sich über Jahre unbemerkt entwickeln können."
Das Ziel des Teams besteht darin, so genannte Signalsubstanzen ausfindig zu machen, die frühzeitig eine sich entwickelnde Lungenverengung anzeigen. Zur Gruppe gehört auch die Eestin Helen Ilumets, Fachärztin für innere Medizin:
"Ich untersuche Früherkennungssubstanzen, so genannte Matrix-Metalloproteinasen. Es geht um Stoffe mit zerstörerischer Wirkung, ihre Gegenspieler und um das Gleichgewicht zwischen beiden. Wir wollen frühzeitige Veränderungen im Lungengewebe aufklären, damit wir in der Früherkennung der Erkrankung weiterkommen. Dabei möchten wir Indikatoren finden, die künftig in Anti-Tabak-Kampagnen genutzt werden können."
Die Gruppe selbst betreibt eine auf Jugendliche gerichtete Anti-Raucher-Kampagne im Internet. Neben Informationen über Risiken und Schäden des Rauchens werden in einem Internet-Shop Produkte angeboten - T-Shirts, Mützen, Accessoires. Der Erlös fließt in die Forschung von Lungenerkrankungen und in die Anti-Tabak-Aufklärung. Es besteht viel Aufklärungsbedarf, sagt Marjukka Myllärniemi, Betreuerin der Internet-Kampagne:
"Jeder weiß im Allgemeinen, dass Rauchen schädlich ist. Man hat etwas von Lungenkrebs gehört, aber kaum etwas von Lungenverengungen. Über Frühwirkungen des Rauchens weiß man überhaupt nichts. Wir wollen zeigen, dass Rauchen schon in kleinen Mengen besonders für Jugendliche sehr schädlich ist."