Grenzüberschreitendes Radio Freistadt
Vor etwa zwei Wochen haben wir in einem kürzeren Beitrag über den seit Frühjahr 2005 existierenden Sender Radio Freistadt mit Sitz in der gleichnamigen oberösterreichischen Stadt berichtet. Seine Programmschwerpunkte sieht der regionale Sender vorrangig in grenzüberschreitenden Themen - liegt doch Freistadt unmittelbar an der tschechischen Grenze! Trotz der Nähe besteht in den beiden Grenzregionen - Mühlviertel und Südböhmen - immer noch ein beträchtliches Informationsmanko, aber auch Interesse an Informationen über die jeweils jenseits der Grenze lebenden Nachbarn. Dem soll jetzt nachgeholfen werden, sagt Otto Tremetzberger, Geschäftsführer von Radio Freistadt, der uns vor kurzem einen Besuch abstattete. Mehr dazu in einem Gespräch, das mit ihm Jitka Mladkova für das nun folgende Regionaljournal führte:
"... und zwar aufgrund unserer besonderen Schwerpunkte, die wir für das Programm entworfen haben.
Diese Schwerpunkte sind erstens aufgrund der Grenznähe, aufgrund der besonderen Situation in dieser Region, das Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und das Thema "Dialog mit dem Nachbarn". Der zweite Schwerpunkt liegt in der Arbeit mit regionalen Kultureinrichtungen, Sozialeinrichtungen, Künstlern, Musikern, Schulen und Ausbildungseinrichtungen, die wir für das Radio interessieren und begeistern möchten."
Bleiben wir noch bei dem ersten Schwerpunkt, den Sie genannt haben: Sie wollen einen Dialog anregen. Das klingt zwar schwer, aber etwas allgemein. Was soll man sich darunter vorstellen?
"Das Radio, von dem wir hier sprechen, ist ein österreichisches Regionalradio, das natürlich auf der österreichischen Seite sendet. Aber dieses Radio versteht sich als Kommunikations- und Informationsplattform für alle Menschen in der gesamten Region. Es versteht sich auch als eine Plattform für die Themen und für die Fragestellungen, die in dieser Region wichtig und zentral sind. Dazu gehört schlicht und einfach auch die Beziehung zum Nachbarn, das Verhältnis zu den Menschen auf der tschechischen Seite, die vielen Projekte, die in diesem Zusammenhang im Mühlviertel und auch in Südböhmen realisiert werden - viele Stammtische, Kooperationen auf der Ebene der Menschen und auch auf der Ebene der Institutionen."Das alles mit dem gemeinsamen Nenner: All die Aktivitäten, die Sie genannt haben, sollen die Menschen von beiden Seiten der Grenze zusammenzubringen und dadurch auch dazu beizutragen, die Barrieren abzubauen. Wo sind - aus ihrer Sicht - die Barrieren zu beseitigen?
"Die für uns bedeutendste Barriere ist die Informationsbarriere oder auch die Medienbarriere. Damit die Menschen den Sinn füreinander entwickeln, müssen sie über bestimmte Informationen verfügen. Das heißt, sie müssen darüber wissen und erfahren können, wie das Leben auf der anderen Seite, der Alltag der Menschen aussieht und was diese Menschen denken. Sie müssen ein Bild davon bekommen, auch um eine Basis für die Kommunikation zu finden. Das ist sozusagen dieses Informationsdefizit, das wir mit unseren Projekten beseitigen möchten. Dabei geht es nicht darum, nur darüber zu berichten, was auf der anderen Seite passiert, sondern von der anderen Seite zu berichten und die Sichtweise des Anderen zu verschiedenen Themen kennen zu lernen und die anderen dazu einzuladen zu kommunizieren."
Brennende Themen werden bei dieser Kommunikation kein Tabu sein?
"Ganz gewiss nicht, denn gerade diese Themen sind die Themen, bei denen Kommunikation passiert, wo sich die Menschen damit auseinandersetzen, wo vielleicht auf politischer Ebene oft ein Tabu herrscht, aber die Menschen beschäftigen sich damit."
Inwieweit sind in ihrem Programmen schon jetzt die Themen von der anderen Seite der Grenze vertreten?
"Das wird in den nächsten Wochen durch das Festival-der-Regionen-Projekt zum ersten Mal realisiert. Im Rahmen des Projektes ´Erregerfrequenzen´ werden wir Programmteile, die auch von tschechischen Partnern zu Themen aus der Grenzregion produziert werden, senden. Wir können aber auch auf einzelne Programme zurückgreifen, die wir in diesem Zusammenhang schon gemacht, aber aus organisatorischen Gründen noch nicht aufgenommen haben, auf die wir aber zurückgreifen, wenn wir dann den Schwerpunkt "Tschechien -grenzübergreifende Nachbarschaft" weiter entwickeln werden."
Wie würden Sie das Interesse des österreichischen Radiopublikums an tschechischen bzw. "südböhmischen" Themen einschätzen?
"Grundsätzlich muss man sagen, dass es für die Menschen aus der Region kaum Informationen gibt, was eigentlich auf der anderen Seite der Grenze passiert, dass es aber trotzdem das Interesse dafür gibt. Wenn man beispielsweise in kleineren Gemeinden mit Menschen spricht, dann sieht man, wie groß das Interesse auch unter der ländlichen Bevölkerung ist am Thema Tschechien und tschechische Sprache. Viele machen Sprachkurse, viele haben auch persönliche familiäre Beziehungen."
Das von ihnen angesprochene Festival der Regionen steht ins Haus. In welchem Umfang werden die tschechischen Themen in Ihrem Programm vertreten sein?
"Das Festival der Regionen ist ein Festival, das mehr als 25 Projekte, die alle im oberen Mühlviertel unmittelbar an der Grenze stattfinden, verbindet - teilweise auch Projekte, die mit tschechischen Partnern, mit Schulen, Fraueneinrichtungen realisiert werden. Doch das Thema des Festivals und die Projekte des Festivals sind eigentlich schon zum Teil grenzübergreifend umgesetzt. Da gibt es viele Tschechen, die daran beteiligt sind. Mit dem Radioprojekt ´Erregerfrequenzen´ wollen wir eine besondere Plattform bieten und uns vor allem mit grenzüberschreitenden Problemen auseinanderzusetzen. Natürlich machen wir das nicht nur auf Deutsch. Wir haben auch ein tschechisches Redaktionsteam und auch Jugendliche aus Krumau, die sich auch mit diesen Themen intensiv beschäftigen."
Das Erregerfrequenzen-Projekt ist ein auf drei Wochen befristetes Pilotprojekt während des Festivals der europäischen Regionen. Sie wollen aber im Herbst ein viel größeres Projekt starten.
"Das Erregerfrequenzen-Projekt ist der erste Schritt für ein weiteres Projekt, und zwar für das Magazin "Viceversa", das dann kontinuierlich ab September täglich ein Programm zu grenzübergreifenden Themen bieten soll. Viceversa bezeichnet ein Magazin von täglich einer halben Stunde, das mehrmals wiederholt wird, in der Grenzregion auf beiden Seiten. Zurzeit verhandeln wir mit der oberösterreichischen Landesregierung über eine Förderung dieser Aktivitäten. Es ist ein Interregprojekt, also ein Projekt, das wesentlich durch die EU unterstützt und es ist geplant, es auf der tschechischen Seite einzureichen."