Holocaust an Prager Juden: Neue Online-Karte führt an Orte mit historischer Bedeutung
Am Donnerstag wird weltweit dem Holocaust gedacht. Eine neue Online-Karte führt in Prag an Orte, die Juden während der Okkupation nicht aufsuchen durften oder an denen sie gewohnt haben, bevor sie deportiert wurden.
MemoGIS Praha heißt das Informationssystem, das anlässlich des Holocaust-Gedenktages am Donnerstag freigeschaltet wurde. Es wende sich sowohl an Schüler und Experten, als auch an historisch interessierte Laien, wie Michal Frankl vom Masaryk-Institut und -Archiv der tschechischen Akademie der Wissenschaften in den Inlandsssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte:
„Es ist vor allem bestimmt für Menschen aus Prag, die sich täglich an den gekennzeichneten Orten aufhalten. Sie können nun herausfinden, welche jüdischen Bewohner einst in den Häusern der Nachbarschaft lebten, welche Geschäfte sie nicht besuchen durften und wo es damals im Alltag zu Konflikten kam.“
Unter ehri.cz ist eine Karte von Prag zu finden, die mit etwa 10.000 gelben Häusersymbolen bestückt ist. Sie markieren Adressen, an denen Juden unmittelbar vor ihrer Deportation gemeldet waren. Beim Klick auf das Symbol kann man mehr zu dem Schicksal dieser Personen erfahren. Die blauen Punkte auf der Karte machen auf Orte aufmerksam, die von alltäglichen Einschränkungen und dem gesellschaftlichen Ausschluss von Juden berichten. Dies sind etwa Synagogen, die als Lager für konfisziertes Eigentum umfunktioniert wurden, oder Parks, deren Besuch für Juden verboten war. Darüber hinaus verweisen rote Punkte mit einem Ausrufezeichen auf Vorfälle, bei denen Personen wegen Verstößen gegen die diskriminierenden Judengesetze festgesetzt wurden.
Bisher ist die Seite nur auf Tschechisch verfügbar. Sehr bald schon soll sich ihre Zielgruppe aber erweitern, kündigt Frankl an:
„Ich wäre sehr froh, wenn auch Touristen auf sie aufmerksam werden. Eine englische Version wird bald veröffentlicht und kann dann einen breiteren Einblick geben in die multikulturelle Geschichte Prags.“
Finanziert wurde das Projekt von der Technologischen Agentur Tschechiens. Ein Expertenteam aus Historikern, Pädagogen und IT-Spezialisten hat drei Jahre lang an der Karte und den Hintergrundinformationen gearbeitet.
„Vor allem haben wir dafür die Datenbank zu den Opfern des Holocausts von der Theresienstädter Initiative genutzt, das Institut hat diese seit den 1990er Jahren aufgebaut. Außerdem wurde eine große Anzahl an digitalisierten Dokumenten der Prager Polizei aus dem Nationalarchiv verarbeitet.“
Inspiration haben die Wissenschaftler auch in anderen Ländern gefunden, vor allem in Österreich, wo es die App Memento Wien gibt. Über eine Ausweitung auf andere Städte Tschechiens wird laut Frankl bereits nachgedacht:
„Auch wenn wir es nicht gleich übermorgen umsetzen können, erwägen wir doch eine Zusammenarbeit mit anderen größeren Städten. Als erstes bietet sich meiner Meinung nach aber das ehemalige Ghetto Theresienstadt an. Dazu gibt es eine Menge Daten, und der Ort wird von vielen Schülern und Touristen besucht.“
Zudem könne er sich vorstellen, dass sich zukünftig auch Schulen an der Weiterentwicklung der Online-Karte beteiligen, so der Historiker.