Bundeskanzler Scholz beschwört in Prag das geeinte Europa
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz weilt am Montag in Prag. Vor seinem Treffen mit Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) hielt er in der Karlsuniversität eine knapp einstündige Grundsatzrede zur Zukunft Europas.
Es sei ihm eine Ehre, an der altehrwürdigen Prager Karlsuniversität eine Rede zur Zukunft zu halten. Und diese gemeinsame Zukunft verbinde sich für ihn mit dem Wort Europa. So begann der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz seine Ansprache am Montagvormittag. Prag sei ein Europa im Kleinen, denn hier fände sich allergrößte Vielfalt auf engstem Raum:
„Wer sich zu den Quellen Europas aufmacht, dessen Weg führt unweigerlich hierher – in diese Stadt, deren Erbe und Gestalt so europäisch sind wie die kaum einer anderen Stadt unseres Kontinents.“
Nach einem Rückblick auf die jüngere Geschichte und der Zusicherung, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten die Deutschen auch heute noch schmerzen und beschämen würden, kam Scholz schnell auf das eigentliche Thema seiner Rede. Und machte einmal mehr klar, dass das heutige Europa und seine nahe Zukunft eng mit dem Krieg in der Ukraine verbunden sind. Scholz wiederholte seine Einschätzung, dass der Angriff Russlands eine Zeitenwende darstelle. Putins Krieg sei auch ein Angriff auf die europäische Sicherheitsordnung, und dem würde sich die EU mit aller Entschlossenheit entgegenstellen, betonte der Kanzler:
„Geboren wurde dieses vereinte Europa als ein nach innen gerichtetes Friedensprojekt. Nie wieder Krieg zwischen seinen Mitgliedsstaaten – so lautete das Ziel. Heute ist es an uns, dieses Friedensversprechen weiterzuentwickeln, indem wir die Europäische Union in die Lage versetzen, ihre Sicherheit, ihre Unabhängigkeit und ihre Stabilität auch gegenüber Herausforderungen von außen zu sichern.“
Der Schutz des Friedens sei es, was die Menschen überall in der EU am meisten von ihren politischen Vertretern erwarten würden, äußerte Scholz. Und mit Blick auf Tschechien sagte er weiter:
„Es ist daher eine glückliche Fügung, dass in diesen Zeiten mit der Tschechischen Republik ein Land die EU-Ratspräsidentschaft innehat, das die Bedeutung dieser Aufgabe schon lange erkannt hat und Europa in die richtige Richtung leitet. Tschechien hat dafür die volle Unterstützung Deutschlands.“
Er wolle gemeinsam mit Premier Fiala die richtigen Antworten auf die Zeitenwende finden, fügte Scholz an.
Bei dem Treffen der beiden Regierungschefs am frühen Nachmittag soll es dabei ganz konkret um die Energieversorgung in Europa und die hohen Preise für Erdöl und Erdgas gehen. Als weiteres Thema wurde im Vorfeld die aktuelle Lage in der Ukraine benannt. Bei seiner Rede in der Karlsuniversität versicherte Scholz den Zuhörenden, dass Deutschland seine Unterstützung für das angegriffene Land aufrechterhalten werde, so lange dies nötig sei. Als Fiala im Mai in Berlin war, hatten beide Politiker bereits einen Ringtausch vereinbart: Die Panzer, die Tschechien in die Ukraine liefert, werden demnach mit modernerer Technik aus Deutschland ersetzt.
Neben dieser Kooperation der Mitgliedsländer würde die EU auch weltweit agieren, so der Hinweis des Kanzlers mit Blick auf den Europarat, verschiedene UN-Gremien sowie die Nato. Ausreichend sei dies allerdings nicht:
„Was aber fehlt, ist ein regelmäßiger Austausch auf politischer Ebene. Ein Forum, in dem wir Staats- und Regierungschefs der EU und unsere europäischen Partner ein- oder zweimal jährlich die zentralen Themen besprechen, die unseren Kontinent als Ganzes betreffen: Sicherheit, Energie, Klima oder Konnektivität.“
Ein solcher Zusammenschluss wäre aber, so bekräftigte der Kanzler, keine Alternative zur anstehenden Erweiterung der EU. Diesbezüglich wiederholte Scholz seine unterstützende Haltung für einen Beitritt nicht nur der Westbalkan-Länder, sondern auch der Ukraine, Moldawiens sowie perspektivisch Georgiens. Die Osterweiterung sei, meinte Scholz, für alle ein Gewinn.
Die gesamte Rede des Kanzlers in der Karlsuniversität stand unter dem mehrmals angebrachten Stichwort eines „geeinten Europas“. Ob mit zukünftig 30 oder 36 Mitgliedern – die europäische Idee müsse gemeinsam verteidigt werden, mahnte Scholz. Eine erweiterte EU würde sich allerdings auch verändern, und deswegen käme etwa das Europäische Parlament an einer Reform seiner Struktur nicht vorbei, so Scholz‘ Ausblick in die Zukunft der EU.