Attentat an Prager Karlsuniversität: Was derzeit über die Tat und die Hintergründe bekannt ist
Es ist die tragischste derartige Tat in der Geschichte der Tschechischen Republik. Ein Attentat eines 24-jährigen Studenten hat am Donnerstag im Gebäude der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag 14 Menschenleben gefordert. Auch der Angreifer ist tot. Radio Prag International beantwortet die wichtigsten Fragen mit den Informationen, die zum frühen Freitagnachmittag bekannt sind.
14 Tote, 25 Verletzte, das ist die traurige Bilanz des Donnerstagnachmittags in Prag.
Wie war der Tathergang?
Über die ersten Informationen dazu informierte der tschechische Polizeipräsident, Martin Vondrášek, am Donnerstagabend.
„Die Polizei hat gegen 12.20 Uhr die Information erhalten, dass ein 24-jähriger Mann aus Hostouň nach Prag fahren und sich umbringen will. 12.45 Uhr wurden wir darüber informiert, dass in dem gleichen Ort eine männliche Leiche gefunden wurde. Wir haben daraufhin festgestellt, dass es sich um den Vater der Person handelt, die vermutlich die schreckliche Tat in Prag begangen hat.“
Die Polizei habe daraufhin herausgefunden, dass der Studierende um 14.00 Uhr eine Vorlesung in der Straße Celetná haben sollte. Die Behörden evakuierten das Gebäude, 14.20 Uhr sei dieser Prozess abgeschlossen gewesen. Der Täter hielt sich unterdessen allerdings im Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät auf. Polizeipräsident Vondrášek:
„Um 14.59 Uhr haben wir die ersten Informationen über eine Schießerei im Gebäude der Philosophischen Fakultät am Jan-Palach-Platz erhalten. Die erste Streife war innerhalb weniger Minuten vor Ort. Das Sondereinsatzkommando ist zwölf Minuten danach eingetroffen. 15.20 Uhr haben die eingesetzten Polizisten bekanntgegeben, dass der Schütze auf dem Balkon des Gebäudes leblos aufgefunden wurde.“
Laut Polizeiinformationen von Freitagmorgen soll sich der Täter selbst getötet haben, nach derzeitigem Ermittlungsstand mit einer Schrotflinte. Seine Schüsse sind vor allem in den oberen Stockwerken der Fakultät gefallen, wobei sich der Attentäter auch auf dem Dach aufhielt. Von dort aus schoss der Täter scheinbar wahllos auf Passanten, drei davon wurden verletzt.
Am Freitagmorgen waren alle Opfer und Verletzten identifiziert. Innenminister Vít Rakušan (Stan) zufolge seien alle getöteten Personen Tschechen.
„Unter den Verletzten aber gibt es drei Ausländer, zwei davon stammen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, einer aus den Niederlanden. Wir stehen in Kontakt mit den jeweiligen Auslandsvertretungen.“
Wer war der Täter und was waren seine Motive?
Laut dem Leiter der Prager Polizei, Petr Matějček, gibt es eindeutige Indizien, die darauf schließen lassen, dass der Täter identisch mit der Person ist, die am Freitag vergangener Woche in einem Wald am Stadtrand von Prag zwei Personen erschossen hat. Bei den Opfern handelte es sich Medienberichten zufolge um einen 32-jährigen Vater und sein zwei Monate altes Kind. Diese These müsse derzeit aber noch durch eine ballistische Analyse belegt werden, so Matějček.
Zu möglichen Beweggründen, die den Täter der Schießerei an der Universität bewegt haben könnten, sagte Vít Rakušan bereits am Donnerstagabend:
„Ich muss klar betonen: Es gibt derzeit keine Indizien dafür, dass der Täter in irgendeiner Verbindung zum internationalen Terrorismus steht.“
Polizeipräsident Vondrášek ergänzte:
„Wir wurden darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Person sich an einer ähnlichen schrecklichen Tat im Ausland orientiert haben könnte.“
Gleichzeitig tauchten am Abend in den Medien Meldungen auf, denen zufolge sich der Täter an einer Schießerei in der russischen Stadt Brjansku orientiert haben könnte. Dort hatte am 7. Dezember eine 14-jährige Schülerin ein anderes Mädchen und sich selbst erschossen. Der Täter hätte sich in einem Telegram-Chat auf die Tat in Russland bezogen, informierten übereinstimmend mehrere tschechische Medien. Polizeilich bestätigt wurden diese Aussagen jedoch noch nicht.
Als introvertiert und ruhig wurde der Angreifer von Mitstudierenden sowie von Anwohnern des Ortes Hostouň beschrieben. Innenminister Rakušan sagte am Abend:
„Diese Tat ist etwas, wovor es uns allen graut, und etwas, das man nur schlecht verhindern kann. Ein Mensch hat persönliche Probleme und entscheidet sich dazu, nicht nur sich selbst umzubringen, sondern auch andere Menschen.“
Am Freitagmorgen sagte Rakušan in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Die Person wurde bei keiner der Behörden geführt. Nicht nur, dass er keinen Eintrag im Strafregister hatte, auch in anderen Akten – wie etwa in der Liste der Steuerschuldner – fand sich nichts über ihn. Es gab keine Hinweise, die dazu geführt hätten, diese Person als risikohaft einzustufen.“
Der Täter habe zwar acht Waffen besessen, allerdings legal mit einer entsprechenden Erlaubnis.
Was sagt die Polizei zur Kritik an ihrem Einsatz?
Kritik an den Einsatzkräften wurde vonseiten der Behörden zurückgewiesen. Innerhalb von nur vier Minuten sei die erste Streife im Gebäude gewesen, so Petr Matějček von der Prager Polizei am Freitagmorgen. Innenminister Rakušan hatte bereits am Donnerstagabend gesagt:
„Die Polizisten haben nicht gezögert, das Gebäude zu betreten. Sie haben mutig agiert und den Schusswechsel mit dem Angreifer erwidert.“
Im Einsatz waren Hunderte Kriminalisten, keiner von ihnen wurde körperlich verletzt. Laut Polizeipräsident Vondrášek haben die Einsatzkräfte Schlimmeres verhindern können, denn der Angreifer habe ein ganzes Arsenal an Waffen und Munition bei sich gehabt.
Wie ist derzeit die Situation in Prag?
Eine Gefahr für die Öffentlichkeit in Prag besteht laut offiziellen Quellen derzeit nicht. Dennoch seien die Behörden auf der Hut, wie Petr Matějček am Freitagvormittag informierte:
„Dieser Fall kann bei einigen unserer Mitbürger unterschiedliche Emotionen hervorrufen. Sie können sich die Tat zum Vorbild nehmen. Ich habe dafür ein Beispiel: Gegen 00.30 Uhr hat uns in der Nacht auf Freitag ein Anruf erreicht. Eine Person wolle sich den Schützen zum Vorbild nehmen, auf Menschen schießen und sie bedrohen, hieß es. In den frühen Morgenstunden konnten wir die Person identifizieren, und sie wurde durch ein Einsatzteam festgenommen.“
Vor dem Rektorat der Karlsuniversität wurde derweil ein Ort des Gedenkens eingerichtet, an dem Studierende und die Öffentlichkeit Kerzen anzünden und Blumen niederlegen können. Für Samstag hat die tschechische Regierung eine eintägige Staatstrauer angekündigt.