Aktion „Nacht der Würde“ fordert besseres Leben für Menschen mit geistiger Behinderung

Bei der Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung gibt es in Tschechien deutlichen Verbesserungsbedarf. Darauf weisen die Organisatoren der Aktion „Noc důstojnosti“ (Nacht der Würde) hin, die am Montag zum zweiten Mal in Prag stattfindet.

Das tschechische Sozialsystem sei in einem alarmierenden Zustand. Denn es könne Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung kein Leben in Würde garantieren. So begründet der Verein Děti úplňku (Kinder des Vollmonds), warum er schon zum zweiten Mal in Tschechien die „Nacht der Würde“ organisiert. In dem Verband haben sich Eltern von Kindern mit geistiger Beeinträchtigung zusammengeschlossen, um für sie bessere Lebensbedingungen zu erwirken. Petr Třešňák ist der Vereinsvorsitzende und sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Petr Třešňák | Foto: Věra Luptáková,  Tschechischer Rundfunk

„Die betroffenen Menschen und ihre Familien brauchen von früher Kindheit an und das ganze Leben über eine intensive Unterstützung. Diese Dienstleistungen bestehen derzeit aber nicht. Es gibt zu wenig Assistenten, die Frühversorgung ist nur schwer zugänglich, und es mangelt an Unterstützungsdiensten. Und wenn die Menschen erwachsen werden, haben sie meist keinen guten Ort zum Leben.“

Die erste „Nacht der Würde“ hatte der Verein vergangenes Jahr ebenfalls im Januar organisiert. Anlass war der Todestag von Dorota Šándorová. Sie war Bewohnerin einer Betreuungseinrichtung im südböhmischen Jindřichův Hradec / Neuhaus und wurde 2021, als sie 37 Jahre alt war, von einem Pfleger getötet. Ein solcher Vorfall dürfe sich nie wiederholen, so der Aufruf der Elternvereinigung Děti úplňku. Třešňák beschreibt die Überforderung von betroffenen Familien am Beispiel einer Mutter, die mit den Autoaggressionen ihres Sohns umgehen muss:

„Die Frau ist mit dem Verhalten ihres Sohnes überfordert und versteht es nicht. Zudem wird der Junge von Schulen und sozialen Diensten abgewiesen, sodass die Mutter schon von Selbstmord spricht. Dieser Fall erfordert eigentlich einen hohen Grad an Unterstützung. Wenn die Familie in einem weiter entwickelten Land im Westen leben würde, dann bekäme sie die benötigte Hilfe. In Tschechien aber fehlen diese Dienstleistungen einfach und auch die Fachkenntnisse zum Verständnis eines solchen Verhaltens.“

Darauf soll also die „Nacht der Würde“ aufmerksam machen. Mit der ersten Aktion dieser Art war im vergangenen Jahr ein ganzes „Jahr der Würde“ eingeleitet worden. Im Rahmen dessen wurde im Regierungsamt eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine nationale Strategie zur Unterstützung für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und mit Verhaltensauffälligkeiten erarbeitet hat. Die Leitung des Gremiums hat die Regierungsbeauftragte für Menschenrechte, Klára Šimáčková Laurenčíková. Sie benennt die Ziele der Strategie:

„Es muss eine bessere Verfügbarkeit von persönlichen Assistenten und von Unterstützungsdiensten garantiert werden. Auch stationäre Tagesdienste müssen zugänglicher sein. Denn niemand sollte sein soziales Umfeld verlassen und in eine Betreuungseinrichtung umziehen müssen, nur weil das Hilfsangebot am Wohnort nicht verfügbar ist.“

Klára Šimáčková Laurenčíková | Foto: Šárka Ševčíková,  Tschechischer Rundfunk

Laurenčíková hält am Montagabend dann auch bei der „Nacht der Würde“ eine Rede. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr vor dem Arbeits- und Sozialministerium in Prag. Redebeiträge kommen ebenso vom Ressortleiter Marian Jurečka (Christdemokraten) und dem stellvertretenden Ombudsmann Tschechiens, Vít Alexander Schorm. Jurečka hatte schon vor einem Jahr versprochen, sich des Themas anzunehmen. Am Montag wird ihm ein Bericht zum zu Ende gehenden „Jahr der Würde“ übergeben sowie eine Liste mit den weiteren notwendigen Schritten. Aktuell stellt der Minister eine Erhöhung der finanziellen Unterstützung für Pflegedienstleistungen in Aussicht:

„Für die Variante, bei der die Beträge für alle vier Pflegestufen aufgestockt werden, würden sich die jährlichen Kosten im Umfang von etwa 8,5 Milliarden Kronen erhöhen.“

Das wäre eine Mehrbelastung von umgerechnet 350 Millionen Euro jährlich für den tschechischen Staatshaushalt. Sollte diese Erhöhung kommen, würde sich bei der vierten und höchsten Pflegestufe der Zuschuss von derzeit 19.200 Kronen (780 Euro) monatlich auf 23.100 Kronen (940 Euro) erhöhen. Ginge es nach Jurečka, würden diese Änderungen ab Juli dieses Jahres gelten.

Autoren: Daniela Honigmann , František Zajíc | Quelle: Český rozhlas Plus
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