Ombudsfrau: Ausländer bei Wahlrecht und Krankenversicherung diskriminiert
Tschechien ist schon längst ein Einwanderungsland geworden. Aber es bestehen weiter Bereiche, in denen Ausländer auf diskriminierende Hürden stoßen. Die tschechische Ombudsfrau Anna Šabatová hat nun das System der Krankenversicherung und das Kommunalwahlrecht ins Auge genommen.
„Schon seit Langem äußern Fachleute im Integrationskonzept für Ausländer und auch in den Empfehlungen sowohl der Beratungsorgane für die Regierung als auch internationaler Organisationen die Ansicht, dass Ausländer in das gesetzliche Krankenversicherungssystem aufgenommen werden sollten. Sie sollten nicht Opfer kommerzieller Anbieter werden.“
Zwar sind in Tschechien alle Ausländer mit Daueraufenthaltsgenehmigung und einem festen Beschäftigungsverhältnis automatisch in die gesetzliche Krankenversicherung integriert, doch freiberuflich Tätige und bestimmte Familienangehörige aus Nicht-EU-Staaten zum Beispiel nicht. Sie können es bei gesetzlichen Versicherern zwar versuchen, werden sie abgelehnt, bleiben ihnen aber nur die Privaten. Und das kann in konkreten Fällen teure Folge haben. Denn die Behandlung bestimmter Erkrankungen wird von den Privaten nicht erstattet. Auf diese Weise drohen sich die Ausländer hoch zu verschulden, letztlich bleibt häufig der tschechische Staat auf den Kosten sitzen. Deswegen fordert die Ombudsfrau, dass prinzipiell alle Ausländer bei Erhalt des Daueraufenthaltsrechts auch in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden sollten. Linda Janků ist Juristin im Büro der Ombudsfrau:„In dem nun vorgelegten Gesetzesentwurf rechnen die Parlamentarier damit aber nicht. Eine Gruppe an Ausländern wird weiter ausgeschlossen. Die bestehende Regelung soll dabei nicht nur beibehalten, sondern in bestimmten Aspekten sogar noch verschärft werden.“
Experten weisen darauf hin, dass Ausländer als regulär Versicherte dem System eher Vorteile brächten, weil sie meist jung und produktiv seien. Aufgrund der Kritik hat die tschechische Regierung am Montag ihre Unterstützung für den Gesetzesvorschlag zurückgezogen und Änderungen angemahnt. Doch die Ombudsfrau will auch die Mitglieder beider Kammern des Parlaments überzeugen.
Diskriminierend ist zudem das Wahlrecht in Tschechien, wenn auch ohne mögliche dramatische Folgen. Zwar können alle EU-Ausländer, die eine gewisse Zeit in Tschechien leben, an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen, doch kritisiert Anna Šabatová:„Im Gesetz über die Kommunalwahlen besteht leider eine andere Formulierung, sie erlaubt nur Ausländern mit Daueraufenthaltsgenehmigung die Teilnahme. Damit fällt die relativ große Gruppe an EU-Ausländern mit nur vorübergehendem Aufenthaltsstatus heraus. Und das bedeutet, dass diese Menschen nicht ihr Wahlrecht erhalten, das ihnen in den EU-Verträgen eigentlich garantiert wird.“
Bereits im Oktober stehen in Tschechien Kommunalwahlen an. Die Ombudsfrau hat sich daher an das Innenministerium gewandt. Anna Šabatová will erreichen, dass die bisher ausgeschlossenen EU-Bürger auch ohne Gesetzesänderung schon im Herbst ebenfalls über die Vertreter in den tschechischen Stadt- und Gemeinderäten abstimmen können. Laut Schätzungen könnten dies bis zu 160.000 Menschen sein.