Wenig positive Erkenntnisse der Studie „Gesundheit von Immigranten und ethnischen Minderheiten“

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Mitte 2009 hatte Tschechien 10,5 Millionen Einwohner. Davon waren etwa 450.000 Ausländer. Tendenz steigend. Ein Drittel der in Tschechien lebenden Ausländer sind EU-Bürger, vor allem Slowaken und Polen, zwei Drittel stammen aus Drittstaaten, vor allem aus Vietnam, der Ukraine, Russland und weiteren Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Für sie gilt ab dem 1. Januar 2010 eine neue Regelung zur Krankenversicherung, die mit der Novelle des Ausländergesetzes in Kraft getreten ist.

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Die Ausländer aus Nicht-EU-Staaten müssen seit Beginn dieses Jahres schon bei der Einreise nach Tschechien eine bezahlte Krankenversicherung vorweisen. Früher konnten sie dieser Pflicht auch erst nach ihrer Ankunft in Tschechien nachkommen. 40 Prozent der aus diesen so genannten Drittstaaten stammenden Ausländer leben in Tschechien mit einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung. Die anderen 60 Prozent hingegen verfügen nur über eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Der unterschiedliche Aufenthaltsstatus spiegelt sich auch in einem unterschiedlichen Gesundheitsschutz wider.

Die dauerhaft Niedergelassenen sind wie die tschechischen Bürger Teilnehmer der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie einen Arbeitgeber mit Sitz in Tschechien haben. Die anderen Nicht-EU-Bürger sind auf eine kommerzielle Versicherung angewiesen, mit der aber zahlreiche Probleme verbunden sind. Mit ihnen hat sich die Studie „Gesundheit von Immigranten und ethnischen Minderheiten“ befasst, die im Zeitraum von 2007 bis 2009 im Rahmen eines europäischen Projektes erarbeitet wurde.

Aus der Studie ergab sich, dass viele Immigranten aus Nicht-EU-Ländern keinen öffentlichen Krankenversicherungsschutz in Tschechien besitzen. Außerdem hat sich gezeigt, dass die kommerzielle Krankenversicherung den Versicherten keinen vollen Schutz garantieren kann, weil aus ihr eine ganze Reihe von Behandlungsleistungen ausgeschlossen ist. Wer aber sind die Versicherten? Dr. Helena Hnilicová, Koordinatorin der Studie:

„Das sind vor allem selbständige Unternehmer und ausdrücklich auch kleine Gewerbetreibende ohne eine dauerhafte Aufenthaltsgenehminung. Wenn sie selbst Beschäftigte haben, dann sind auch diese betroffen. Und wenn es dann noch Familie, also Frauen und Kinder oder andere Familienangehörige ohne eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung gibt, dann fehlt denen auch der Schutz. Das Gleiche gilt für ausländische Studenten aus Drittstaaten, die häufig nicht krankenversichert sind“.

Von ausländischen Studenten aus Drittstaaten gibt es in Tschechien ungefähr 25.000. Die Zahl der legal langfristig hier lebenden Nicht-EU-Bürger beläuft sich ungefähr auf 130.000 bis 150.000. Die kommerziellen Versicherer bieten einen zweistufigen Schutz: Es gibt eine Grundversorgung und darüber hinaus gehend den so genannten „umfassenden“ Schutz. Helena Hnilicová:

„Die große Mehrheit der Ausländer aus Nicht-EU-Staaten besitzt, wenn überhaupt, nur die Grundversorgung. Das ist billiger. Allerdings muss man auch sagen, dass der Unterschied zwischen den beiden Varianten gar nicht so groß ist“.

In den Verwaltungen der Krankenhäuser türmen sich unterdessen die unbezahlten Rechnungen. Nicht selten glauben kommerziell versicherte Ausländer, dass sie Anspruch auf eine komplexe Behandlung haben. Sie sind oft überrascht, wenn sie von dem behandelnden Arzt erfahren, dass ihre Versicherung dies und jenes gar nicht abdeckt. Dies bringt auch die Ärzte in unangenehme Situationen, sagt Karolína Dobiášová, die auch an der Studie beteiligt war:

„Aus der Studie geht unter anderem hervor, dass es Situationen gibt, in denen Ärzte ausländische Patienten davon zu überzeugen versuchen, für eine dringende notwendige Behandlung oder für eine Fachuntersuchung oder für Antibiotika zu bezahlen. Für die Ärzte ist es natürlich keine leichte Situation aus ethischen Gründen“.

In den Arztpraxen des Landes war es bislang durchaus üblich, dass auch Patienten ohne Versicherung in den Wartezimmern Platz nahmen. So handhabt es auch die Kinderärztin Helena Tichá aus Prag, die viele kleine Patienten aus Vietnam und der Ukraine behandelt:

„Wenn ich Sprechstunde habe, interessiert mich nicht, ob jemand legal oder illegal im Land ist. Wichtig ist für mich, ob eine Familie krankenversichert ist oder nicht. Wenn sie das nicht ist, behandele ich gegen Barzahlung. Manchmal - wenn die Menschen sichtlich verzweifelt sind - behandele ich sie auch einfach so.“

In gewisser Hinsicht stellt das kommerzielle Behandlungssystem der Ausländer eine Gefahr dar für den allgemeinen Schutz der öffentlichen Gesundheit hierzulande, sagt Dr. Hnilicová:

„Die so genannten behandlungspflichtigen Krankheiten wie psychiatrische Krankheiten oder sexuell übertragbare Geschlechtskrankheiten einschließlich der HIV-Infizierung und Aids-Erkrankung sind paradoxerweise aus der kommerziellen Versicherung ausgeschlossen. In der Praxis sieht es so aus, dass erkrankten Ausländern lediglich eine elementare Behandlung gewährt wird. Wenn sie aber nicht über ausreichende Finanzmittel verfügen und sich aus diesem Grund keiner empfohlenen weiterführenden Behandlung unterziehen, wird damit eigentlich gegen die gesetzliche Schutzpflicht auf dem Gebiet der Volksgesundheit verstoßen.“

Statistiken zufolge sind 20 Prozent der in Tschechien lebenden HIV-Infizierten die Ausländer. Ihr Anteil an Trippererkrankungen beläuft sich gar auf 30 Prozent. Laut dem Gesetz zum Schutz der Volksgesundheit müssen sie sich einer Pflichtbehandlung unterziehen. Im Fall, dass jemand nicht in der Lage ist, die Behandlungskosten zu bezahlen, müssen diese Kosten von der betreffenden medizinischen Einrichtung beziehungsweise vom Staat getragen werden.

Im Resumé der Studie zur Gesundheit von Immigranten in Tschechien gibt es Kritik zu lesen: Die gesetzliche Krankenversicherung in Tschechien grenzt einen beträchtlichen Teil der Ausländer aus Nicht-EU-Staaten aus. Dr. Helena Hnilicová:

„Auch diese Ausländer aus Drittstaaten halten sich in Tschechien legal auf. Sie arbeiten hier und zahlen Steuern. Dass sie sich dann nicht gesetzlich versichern lassen können, so wie EU-Ausländer, ist nicht okay. Das ist diskriminierend“.

Illustrationsfoto: Europäische Kommission
Und noch etwas erwähnt Hnilicová, was ihr ein besonderer Dorn im Auge ist:

„Das Problem ist, dass nicht einmal die Kinder der bei uns ganz legal arbeitenden Eltern in die gesetzliche Krankenversicherung dürfen. Auch sie sind auf die kommerziellen Anbieter angewiesen. Europaweit ist das sehr ungewöhnlich. Gerade Kinderrechte gelten in der EU als sehr wichtig. Und zwar unabhängig vom Herkunftsland.“

Auch wenn der Versicherungsschutz seit Beginn dieses Jahres bei der Einreise nachgewiesen werden muss, wird man das Problem kaum ganz in den Griff bekommen. Ein Hoffnungsschimmer könnte der Vorschlag des Regierungsrates für Menschenrechte sein, mit dem die Krankenversicherung bei Unternehmern aus Drittstaaten und deren Familienangehörigen neu geregelt werden sollte. Die gesetzliche Initiative hat bereits das Gesundheitsministerium unterstützt und sie liegt derzeit dem Finanzministerium zur Beurteilung vor.