Prag des 19. Jahrhunderts und Werbung (II. Teil)
Bereits im 19. Jahrhundert klagten die Bewunderer der historischen Sehenswürdigkeiten in Prag darüber, dass die schönen Fassaden der Barockpaläste durch hässliche Werbetafeln verunstaltet werden. In der letzten Ausgabe des Spaziergangs durch Prag haben wir Sie ins Prag des 19. Jahrhunderts eingeladen, um über die Anfänge der Werbung in der tschechischen Metropole zu berichten. Wie wir versprachen, werden wir den Spaziergang durch die Geschichte der Werbung in der Moldaumetropole diesmal fortsetzen. Ins Prag des 19. Jahrhunderts laden Sie in den folgenden Minuten Martina Schneibergova und Thomas Kirschner ein.
Die ersten vornehmeren Aushängeschilder, die schon Werbecharakter hatten, tauchten in Prag in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf. Besonders attraktive Schilder gab es damals schon bei Läden, die Kolonialwaren anboten. Beim Eingang in einen solchen Laden hingen meistens Girlanden aus verschiedenen exotischen Früchten - aus Zitronen und Orangen. Die Kunden sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass nur hier diese einzigartigen Früchte zu bekommen waren. Als Aushängeschilder wurden bunt gemalte Bilder aus fernen Kolonien benutzt. Nach Meinung der Historikerin Pavla Vosahlíková konnte man ähnliche Werbung nicht nur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verzeichnen, sondern die ersten Anzeichen dieser Art der Reklame gab es in Prag sogar schon im 18. Jahrhundert. Die Historikerin betont aber:
"In Prag gab es damals jedoch noch nicht so viel Werbung. Denn Prag war immerhin eine Provinzstadt. Die damaligen Werbeversuche waren etwas unvollkommen, und zwar auch aus dem Grund, weil das Angebot in den Läden stereotyp war. Die Geschäfte hatten damals keine Schaufenster, wie wir sie heutzutage kennen. Man war nicht in der Lage, einen größeren Teil der Fassade durch eine Glastafel zu ersetzen. In dem Bemühen, die Aufmerksamkeit der Kunden zu erwecken, hängten die Ladenbesitzer verschiedene Vitrinen auf die Fassade oder auf die Ladentür. Darin wurden bestimmte Warensorten ausgestellt. Die Vitrinen boten jedoch wenig Raum. Es gibt aber Zeugnisse von Zeitgenossen - es handelt sich z. B. um französische Bürger, die nach den Napoleonischen Kriegen nach Prag kamen, die davon tief beeindruckt waren, wie die Prager ihre Waren anboten. Diese Erinnerungen stammen aus den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts."
Die lobenden Worte der ausländischen Besucher galten der Reklame für Artikel, die man heute offensichtlich als "Souvenirs" bezeichnen würde. In Prag wurden damals kleine Gegenstände - z. B. Anhänger aus Elfenbein oder aus Saffian angeboten. Der Historikerin zufolge kann man andererseits bei anderen Zeitzeugen aus derselben Zeit eher kritische Worte an die Adresse der Geschäfte finden. Es wurde ihnen vorgeworfen, dass sie nicht imstande seien, ihr Sortiment entsprechend anzubieten. Die französischen Emigranten dagegen fanden das Angebot in Prag großartig. Die negativen Eindrücke stammen nach Worten der Historikerin eher aus der Feder der deutschen Besucher. Die Meinungen waren vor allem von den Erfahrungen der Besucher mit der Werbung abhängig.
Es gab damals in Prag bestimmte Geschäfte, die imstande waren, ihre Waren gut zu propagieren, was damals vor allem wortwörtlich bedeutete, sie zu zeigen, sie auszustellen. Neben verschiedenen so genannten Luxusartikeln wurden auch z. B. Konditoreiwaren gut propagiert. Pavla Vosahlíková dazu:
"Berühmt durch die Werbung für ihre Waren, waren z. B. einige Prager Konditoreibesitzer. Es handelte sich um Konditoreien, die sich in den so genannten "Neuen Alleen", also in der damaligen Ferdinand-Straße befanden. Einige Konditoreien wetteiferten dort praktisch darum, welche von ihnen ihr Angebot am besten präsentiert. Sie formten z. B. Figuren aus Marzipan, diese Figuren, die verschiedene bekannte Persönlichkeiten darstellten, wurden in den Vitrinen ausgestellt. Die Konditoreien konnten sich damals keine politische Karikatur erlauben, meistens wurden deswegen populäre Schauspieler aus Marzipan geformt. Wir haben Informationen darüber, dass andere namhafte Persönlichkeiten wiederum diese Konditoreien besuchten, um die Marzipanfiguren zu konsumieren. Diese Form der Werbung stellte für die Prager eine Sensation dar."
Nicht alle Läden haben aber für ihre Waren geworben. Zu den populärsten Delikatessenläden gehörte in Prag damals das Geschäft "Zu den Schwertaseks". Die Brüder Schwertasek hatten ihr Geschäft auf dem Perstyn in der Altstadt. Die Historikerin dazu:
"Sie betrieben damals eine Art Weinstube oder eher ein Delikatessengeschäft, wo man auch essen konnte. Dieses Lokal befand sich direkt in der heutigen Kirche St. Martin in der Mauer. Brüder Schwertasek waren dadurch berühmt geworden, dass sie den Prager solche Delikatessen wie Langusten oder Austern nahe brachten. Ihre Klientel stammte meistens aus den aristokratischen Kreisen oder aus den reichsten Bürgerschichten. Schwertaseks Geschäft blühte auch nach 1848. Der Name Schwertasek war damals im Prager Delikatessenbereich ein solcher Begriff wie später die Namen Paukert oder Lippert, die bis heute bekannt sind. Die Schwertaseks hatten, was die Werbung anbelangt, eine eigene Theorie, nach der man die Delikatessen den einfachen Menschen gar nicht zeigen sollte. Denn wenn die sich so etwas sowieso nicht leisten konnten, sollte man ihnen keinen Appetit darauf machen, meinten die Brüder."
Die Schwertaseks lehnten es ab, ihre Delikatessen auszustellen. Unter ihren Kunden haben sich die Angebote jedoch herumgesprochen. Den Brüdern gelang es, eine bestimmte geheimnisvolle Atmosphäre um ihren Laden zu schaffen. Denn niemand ahnte, was für Leckerbissen er dort genau erwarten konnte.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war noch eine andere Art der Werbung verbreitet, die gedruckte Reklame. Diese Reklame war oft mit den Prager Hotels verbunden.
"Bedeutende Hotels der Zeit - wie z. B. "U Stepana" oder "U modre hvezdy" - ließen sich Werbekärtchen drucken. Dies gilt nur für vornehme Hotels. In Prag gab es damals nicht so viele gute Hotels. Auf dem erwähnten Kärtchen war gewöhnlich ein Bild des Hotels und eine Überschrift meistens in deutsch, bzw. in deutsch und in tschechisch zu lesen: Die Reklamen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren fast ausschließlich in Deutsch geschrieben. Erst mit einer Vertiefung des nationalen Bewusstseins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tauchten zweisprachige Werbetexte auf - dieser Trend war in den sechziger Jahren zu verzeichnen."
Am Ende des Spaziergangs bleibt nur noch die übliche Quizfrage zu stellen, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können. Im heutigen Spaziergang war über die Konditoreien in der einstigen Ferdinandstraße die Rede. Wenn Sie wissen, wie diese Straße heute heißt, können Sie es uns schreiben. Ihre Zuschriften richten Sie, bitte, an Radio Prag, Vinohradska 12, PLZ 120 99 Prag 2.
Vor vier Wochen fragten wir Sie im Spaziergang nach dem berühmtesten Werk der Schriftstellerin Bozena Nemcova. Das bekannteste Buch von Nemcova heißt "Babicka" zu Deutsch "Großmutter". Ein Souvenir aus Prag geht diesmal an Gerald Hruby in Waldsassen. Herzlichen Glückwunsch! Damit ist der heutige Spaziergang beendet, wir freuen uns auf ein Wiederhören in zwei Wochen.