Prager Karlsuniversität hat ihre erste Rektorin: Milena Králíčková, ihre Ziele und Prioritäten
Die Karlsuniversität ist die älteste Hochschule nicht nur in Tschechien, sondern in ganz Mitteleuropa. Seit ihrer Gründung 1348 stand immer ein Mann an ihrer Spitze. Das ändert sich im kommenden Februar, denn dann tritt Milena Králíčková das Rektorenamt an. Welche Ziele und Prioritäten sie sich für ihre neue Funktion setzt, hat sie im Interview in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks verraten.
Die 49-jährige Milena Králíčková hat in Plzeň / Pilsen Medizin studiert. Seit 2014 ist sie an der Prager Karlsuniversität als Prorektorin für Studienangelegenheiten zuständig. Nun wird sie die erste Rektorin in der Geschichte der größten tschechischen Hochschule. Einstimmig wurde sie am 22. Oktober vom Akademischen Senat der Universität gewählt. Derzeit sei bei ihr das Bewusstsein für dieses historische Ereignis überdeckt vom Gefühl großer Verantwortung, sagt Králíčková zum Auftakt des Interviews. Und danach gefragt, ob Frauen und Männer in der akademischen Welt inzwischen halbwegs gleichgestellt sind, antwortet sie:
„Es kommt darauf an, wann und wo. Es gibt Stellen in der akademischen Welt, für die die Chancen mittlerweile ausgeglichen sind. Und es gibt Stellen, für die das nicht gilt. Gerade um diese möchte ich mich als Rektorin kümmern.“
An Ansatzpunkten mangelt es sicher nicht. Im Leitungsteam unter dem noch amtierenden Rektor Tomáš Zima ist Králíčková eine von drei Frauen neben sechs männlichen Prorektoren. Über die zukünftige Zusammensetzung dieses Gremiums unter ihrer Leitung verrät die Medizinerin nur so viel:
„Erstmals in ihrer Geschichte wird die Universität einen Prorektor für Informationstechnik haben. Dafür konnte ich meinen hervorragenden Kollegen Tomáš Skopal von der Fakultät für Mathematik und Physik gewinnen. Mein Team ist bereits komplett, insgesamt wird es aus sieben Prorektoren bestehen. Zusammen bereiten wir uns nun auf die Amtsübernahme am 1. Februar vor.“
Diese Vorbereitungen sind nicht das Einzige, was Králíčková derzeit beschäftigt. Sie ist als Prorektorin außerdem Mitglied im Corona-Krisenteam der Uni. Die Pandemie ist ohnehin schon ein Dauerthema, wird aber gerade wieder akuter. Noch-Rektor Zima hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren eher kritisch gegenüber den Corona-Maßnahmen der Regierung gezeigt, die Wirksamkeit von Impfungen bei jungen Menschen angezweifelt und gern auch von einer „medialen Pandemie“ gesprochen. Dazu seine Nachfolgerin:
„Diese Haltung teile ich nicht, und das weiß Rektor Zima auch. Ich war sehr froh darüber, wie gut die fachübergreifende Expertengruppe MeSES funktioniert hat und dass eine ganze Reihe von Experten der Karlsuniversität dort Mitglied ist. Meine Haltung entspricht mehr den Äußerungen dieser Gruppe. Für die Universität gilt aber, dass wir immer alle gültigen Regierungsanweisungen befolgen. Und im Krisenteam konnten wir uns davon überzeugen, dass auch unsere Studenten sehr achtsam und vorsichtig sind. In den Studentenwohnheimen liegen die Impfquoten bei bis zu 94 Prozent. Es ist eine tolle Erkenntnis für mich, dass unsere Studierenden die Pandemie ernst nehmen. Sie sind bereit, sich impfen zu lassen, und sie zeigen Verantwortung.“
Studiengänge modernisieren
Zur Impfbereitschaft des Lehrpersonals gebe es keine genauen Daten, fügt Králíčková an. Aber nach Schätzungen der jeweiligen Mitarbeiter läge sie auch in einigen Fakultäten wie etwa der medizinischen zwischen 85 und 90 Prozent.
Die Karlsuniversität hat derzeit knapp 50.000 Studierende, aufgeteilt auf 17 Fakultäten. Für die neue Rektorin ist dies eine Größe, die sich bisher gut meistern lässt. Eine deutliche Erhöhung der Studierendenzahlen strebt Králíčková laut eigener Aussage nicht an. Vielmehr wolle sie sich darauf konzentrieren, dass der Akademikernachwuchs bestmöglich auf die Berufspraxis vorbereitet werde:
„Eines meiner Mottos im Wahlprogramm war das der modern ausgebildeten und auf die Praxis vorbereiteten Absolventen.“
„Eines meiner Mottos im Wahlprogramm war das der modern ausgebildeten und auf die Praxis vorbereiteten Absolventen. Die ist sehr wichtig, denn in den heutigen Zeiten ändern sich die Technologien im laufenden Prozess. Wenn wir also unsere Studiengänge abriegeln und sie nicht permanent anpassen würden, hätten unsere Absolventen auf dem Arbeitsmarkt nur kurzzeitig Bestand.“
Dazu müssten im Studium die Anforderungen aus der Praxis berücksichtigt werden…
„Meiner Meinung nach sollte eine Universität mit der unternehmerischen Sphäre sehr gute und enge Beziehungen haben. Dazu gehören die Vorbereitung und die Umsetzung von Studiengängen sowie die Forschung und ihre Praxisrelevanz. Andererseits ist jeder Studiengang anders angelegt. Einige lassen sich ganz natürlich umsetzen, andere treffen immer noch auf gewisse Barrieren. Sehr typisch für ihre Praxisbezogenheit sind etwa die medizinischen Fakultäten, dort geht es gar nicht anders.“
Die Praxisbezogenheit des Studiums ist ein Aspekt, der sich im internationalen Qualitätsvergleich von Hochschulen niederschlägt. Die Karlsuniversität liegt weltweit ungefähr bei Platz 250. Gefragt, ob sie damit zufrieden sei, relativiert Králíčková, dass es viele solcher Ranglisten gebe und Tausende von Universitäten bewertet würden. Das heißt, dass die größte tschechische Bildungseinrichtung weltweit immer noch zu den besten zwei Prozent gehört. Wenn sich Prag in einem solchen Ranking nach oben bewegen wolle, sei dies nicht nur, aber auch eine Frage des Geldes, so die neue Rektorin mit Verweis auf die staatliche Finanzierung. Aber auch die Uni selbst könne etwas für ihr Ansehen tun:
„Dies ist eine Kleinarbeit an jeder einzelnen Fakultät. Jede von ihnen betreibt Forschung, und diese muss eben konkurrenzfähig sein. Je mehr Erfolg unsere Teams in internationalen Projekten verbuchen, desto mehr ausländische Akademiker kommen zu uns. Und umso näher kommen wir der internationalen Konkurrenz. Das Problem ist breit gefächert und reicht von der Teilnahme an internationalen Programme bis hin zu einer besseren Umsetzbarkeit unserer Forschungen in die Praxis durch Patente und Lizenzen.“
Darum habe ein besseres Ranking der Karlsuniversität nicht unbedingt den höchsten Stellenwert in den Zielsetzungen für ihr neues Amt, so Králíčková:
„Meine Priorität ist die Qualitätspflege sowohl des Lehrangebotes als auch der Wissenschaft. Falls wir uns dabei nicht im internationalen Rating verbessern, weil uns etwa eine besser finanzierte asiatische Universität überholt, wird mich das nicht den Schlaf kosten. Für mich ist es wichtig, dass wir auf unsere Qualität achten. Und dass wir Mechanismen haben zu ihrer Weiterentwicklung wie auch für unsere internationale Konkurrenzfähigkeit.“
Was die Finanzierung angeht, will sich die neue Rektorin nicht nur auf den Staat verlassen…
„Wir müssen andere Quellen für die Tätigkeiten der Karlsuniversität auftun. Meiner Meinung nach sind diese durch ein stärkeres Engagement in internationalen Projekten zu finden. In Europa gibt es Unterstützungsprogramme für Forschungstätigkeiten. Dabei handelt es sich um umfangreiche Kooperationen mit europäischen Prestige-Universitäten. In diese sollte sich unsere Hochschule stärker einbringen. Wir arbeiten daran, immer mehr unserer Akademiker in diese internationalen Finanzierungsmodelle einzubeziehen.“
Schaffung eines internationalen Akademikermilieus
Andersherum soll die Internationalisierung der Prager Uni durch die Beschäftigung von mehr ausländischen Lehr- und Forschungskräften erreicht werden. Ein Großprojekt zu diesem Zwecke ist der Ausbau des Campus im Stadtteil Albertov, der seit 2006 in Vorbereitung ist und bis 2026 abgeschlossen sein soll. Für acht Milliarden Kronen (310 Millionen Euro) sollen auf dem traditionellen Campusgelände zwei moderne Lehr- und Forschungscentren entstehen. Dazu Králíčková:
„Dies ist eine der großen Aufgaben, die mir wohl öfter den Schlaf rauben wird. Es handelt sich um ein umfassendes Investitionsprojekt, für das die einstimmige Unterstützung der Universitätsleitung notwendig ist. Einbezogen sind drei tolle Fakultäten – die Erste medizinische Fakultät, die Fakultät für Mathematik und Physik sowie jene für Naturwissenschaften. Es ist eine echte Gelegenheit, um auf dem Campus Albertov eine Spitzeninstitution zu errichten, in der sich fachübergreifend die besten Lehrkräfte und die besten Forscher versammeln.“
Nicht nur dort, sondern auch im restlichen Universitätsbetrieb wünscht sich Milena Králíčková Englisch als alltägliche Zweitsprache und ein internationales Akademikermilieu. Zugleich soll die Karlsuniversität über weitere Zielgruppen stärker in der breiteren Gesellschaft verankert werden. Die neue Rektorin erläutert, dass die Hochschule neben Lehre und Forschung auch noch diese „dritte Rolle“ zu erfüllen habe:
„Diese dritte Rolle der Universität ist sehr breitgefächert. Sie macht Angebote für das lebenslange Lernen – angefangen bei Absolventen der Mittelschule über Menschen im aktiven Alter bis hin zur ‚Universität des dritten Alters‘. Dabei geht es darum, Wissenschaft populärer zu machen.“
Diesen Zweck würden auch öffentliche Veranstaltungen außerhalb der Unieinrichtungen erfüllen. Science Slams etwa seien ein weiterer Weg, um Wissenschaft und Forschungsergebnisse quasi unter die Leute zu bringen. Und nicht zuletzt, so schließt Králíčková ab, mache die Karlsuniversität ihre Expertise auch in der Zusammenarbeit mit der staatlichen oder öffentlichen Sphäre geltend.