Sportmode im Prager Kunstgewerbemuseum
Das Prager Kunstgewerbemuseum feierte vor kurzem seinen 120. Gründungstag. Bei dieser Gelegenheit brachten wir in einer der vergangenen Ausgaben der Sendereihe "Spaziergang durch Prag" ein Gespräch mit der Museumsdirektorin Helena Königsmarková. Anlässlich des Jubiläums wird das Museum in diesem Jahr eine Reihe von Sonderveranstaltungen organisieren. Über die erste große Ausstellung, die anlässlich des 120. Gründungstags des Museums veranstaltet wird, hören Sie mehr von Martina Schneibergova und Sabine Winter im folgenden "Spaziergang durch Prag".
Der Entwicklung der Sportmode seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart widmet sich eine Ausstellung, die in den Räumen des Prager Kunstgewerbemuseums untergebracht wurde. Die Mehrheit der Exponate stammt aus den Sammlungen des Museums, einige Kleidungsstücke wurden vom Prager Sportmuseum zur Verfügung gestellt. Es handelt sich nicht um die erste Ausstellung zum Thema Sportmode, die das Kunstgewerbemuseum organisiert hat. Die jetzige Ausstellung knüpft vielmehr an eine sommerlich orientierte Ausstellung von Sportbekleidung an, die im vergangenen Jahr im Prager Repräsentationshaus zu sehen war. Die derzeitige Ausstellung konzentriert sich jedoch der Jahreszeit entsprechend eher auf die Winter-, bzw. die Herbstmode. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt nicht auf Bekleidung von Profis, sondern auf der Ausrüstung von Hobbysportlern, die ihre Freizeit dem Reit-, Ski- oder Radsport gewidmet haben. Die Ausstellung ist in drei Teile gegliedert. Sie beginnt mit dem Jahr 1860. Eine der beiden Kuratorinnen der Ausstellung, Eva Uchalová, sagt dazu:
"Im Jahre 1862 wurde die tschechische Sportorganisation "Sokol" gegründet. Auch im Rahmen von "Sokol" wurden einige Sportarten betrieben. Wir haben das Jahr 1860 an den Anfang der Ausstellung gesetzt, weil sich zu der Zeit die Sportbekleidung zu entwickeln begann. Im ersten Teil wird also die Bekleidung aus den Jahren 1860 bis 1918 gezeigt. Im zweiten Teil wird die Sportmode aus der Zwischenkriegszeit, sowie aus der kurzen Zeitetappe nach dem Kriegsende bis 1948 vorgestellt. 1948 fand der kommunistische Putsch in der Tschechoslowakei statt. Im dritten Teil werden schließlich Beispiele von Sportbekleidung aus der Zeit um 1948 bis in die Gegenwart ausgestellt. Unsere Aufmerksamkeit gehört der Winter- und die Herbstbekleidung. Im Hinblick auf die Entwicklung ist die Sportmode für den Herbst genauso interessant wie die Wintersportmode."
Die Ausstellung beginnt mit einem Touristenpaar aus den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Sportorganisation "Sokol" organisierte damals patriotisch orientierte Ausflüge, bei denen die Teilnehmer historisch bedeutsame Sehenswürdigkeiten besuchten. Die weiteren Figuren tragen Bekleidung aus den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Dazu Eva Uchalová:
"Es handelt sich erstens um Bekleidung für den Reitsport - das Kostüm wurde "Amazonin" genannt. Dies ist eine der ersten Formen der Sportbekleidung überhaupt, die sich schon im 16. Jahrhundert zu entwickeln begann. Interessant ist auch die Tatsache, dass dank dem Reitsport die ersten Damenhosen entstanden sind. Aus den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts stammt auch die Bekleidung, die man beim Schlittschuhlaufen trug. Die Dame hatte ein normales Kleid an, über das Kleid trug sie eine Pelerine. Auch wenn sie Schlittschuh laufen ging, zog sie ein Ausgehkleid mit allem Zubehör an, als ob sie nur spazieren gehen würde."Der Sport stellte der Kuratorin zufolge einen wichtigen Schritt zur Emanzipation der Frau dar. Diese Tatsache wirkte sich auf die Sportbekleidung in dem Sinne aus, dass die Frauen Elemente der Herrenmode übernahmen:
"Sie trugen Krägen, Manschetten, Krawatten, Fliegen. Diese Elemente findet man in verschiedenen Arten der Sportbekleidung für Damen. Sie trugen sogar Herrenhüte: Ein Zylinder war Bestandteil eines Reitkostüms. Die Zeitetappe wird außerdem durch ein Tennisspielerpaar dokumentiert. Ich ging davon aus, dass man Tennis auch im Herbst gespielt hat. Die Dame trägt ein leichteres Kleid mit einer Pelerine. Eine spezielle Bekleidung hat man hingegen bei der Jagd getragen. Das ausgestellte Damenkostüm wurde in Wien genäht, es wurde mit Leder kombiniert und hat sehr schöne Knöpfe, auf denen herrliche Uhus zu sehen sind."Damen begannen zu der Zeit auch Rad zu fahren. Dies führte wiederum zur Entstehung des Hosenrocks. In den Sammlungen des Museums gibt es jedoch keinen einzigen Hosenrock zu sehen - weder aus der Pionierzeit des Radsports, noch aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Eva Uchalová zufolge würden sich die Mitarbeiter des Museums freuen, wenn ihnen jemand ein solches Kleidungsstück schenken würde. Die Radfahrerin in der Ausstellung ist eher konservativ gekleidet:
"Sie hat einen schwarzen Rock und eine Bluse an, die eher an ein Herrenhemd erinnert. Der Mantel wurde im Prager Kaufhaus "Novák" gekauft. Bis heute findet man in der Vodickova-Straße das Haus "U Nováku". Damals war das ein sehr beliebtes Kaufhaus. Der Mantel stammt aus dem Jahr 1897."Ausgestellt ist auch Bekleidung für den Automobilsport, die höchst zweckmäßig war. Ergänzt wurde sie durch die typische Mütze, einen Schal und eine Automobilbrille. Diese Bekleidung sieht fast modern aus:
"Die Sportbekleidung hatte die Eigenschaft, dass sie einigermaßen zeitlos war. Man trug sie eine längere Zeit. Aus dem Grund wurde sie aus strapazierfähigem Material hergestellt, meistens wurde sie aus englischen Stoffen genäht. Der Großteil der Sportmode stammte aus England. Dort setzte sich Sport früher als in den anderen Ländern Europas durch. Aus dem Grund entwickelte sich dort auch die Sportmode entsprechend früher und schneller."
In der Ausstellung wird außerdem die Bekleidung für den Skisport ausgestellt. Die ausgestellten Kleidungsstücke kann man auch mit Fotos und Plakaten aus der damaligen Zeit vergleichen. Eva Uchalová dazu:"Zum Skisport hat man eine normale Bekleidung getragen. Die Damen hatten Röcke und Mäntel, beziehungsweise Kostüme aus Wolle an. Hier kann man zwei solche Kostüme sehen, in denen die Damen Ski fuhren. Die Skier sowie Schlittschuhe haben wir für die Ausstellung vom Sportmuseum ausgeliehen. Die Kostüme sind durch Muffe ergänzt, die beliebt waren, da sie sehr warm waren. Sie sahen zwar dekorativ aus, aber haben ihren Zweck erfüllt. Die gesamte Kleiderschau, die hier zu sehen ist, wurde anhand von historischen Fotos zusammengestellt. Ich blättere ständig durch historische Zeitschriften und suche nach Material, um möglichst authentische Exemplare von Sportmode auszustellen."
Mit einigen Kleidungsstücken und Bildern wird in der Ausstellung die Tätigkeit der bereits erwähnten Sportorganisation "Sokol" dokumentiert. Der weitere Teil der Ausstellung umfasst die Sportmode aus den Jahren 1918 bis 1948. Hier handelt es sich schon um sehr spezielle Sportbekleidung - mit der Skisportmode an der Spitze.
"Es ist die Sportbekleidung vom ´norwegischen Typ´. Diese Bekleidung entwickelte sich seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie war sehr beliebt, weil sie formal vollkommen war. Anfang der zwanziger Jahre tauchten Stimmen auf, die dieser Mode vorwarfen, dass sie angeblich an die Uniform der österreichischen Armee erinnert und allzu grau und dunkel sei. Trotzdem wurde diese Bekleidung viel getragen. Außerdem wurde die englische Sportmode getragen - die verschiedenen Windjacken mit Hosen."Ausgestellt wird auch ein Regenmantel von der Firma Bata, der die folgende Geschichte hat: 1938 kaufte ihn eine Krankenschwester, die sich damals auf die Mobilisierung vorbereitete. Sehr attraktiv ist der Reiteranzug des Stabskapitäns Frantisek Ventura, des Olympia-Siegers aus Amsterdam 1928. Aus der Zwischenkriegszeit stammt auch die höchst zweckmäßige Bekleidung für den Motor- und Automobilsport. Die Kuratorin hebt jedoch ein Exponat hervor:
"Den Höhepunkt stellt hier ein Fliegeroverall dar, der aus dem Historischen Institut der Armee ausgeliehen wurde. Es war ein Symbol der Zeit, ein Symbol der zweckmäßigen Bekleidung."Im abschließenden Teil der Ausstellung, in dem die Wintersportmode aus der Zeitetappe 1948 bis 2004 zu sehen ist, findet man Bekleidung für Skifahrer, Eiskunstläufer oder Bergwanderer. Bis auf eine einzige Ausnahme handelt es sich um Bekleidung für Hobbysportler. Diese Ausnahme stellt das Kostüm der berühmten tschechoslowakischen Eiskunstläuferin Aja Vrzanova dar, die 1949 und 1950 Weltmeisterin wurde. Nach der Weltmeisterschaft 1950 in London emigrierte sie und lebte seitdem in Großbritannien und in den USA, wo sie sich weiterhin mit dem Eiskunstlauf beschäftigte. Vrzanova hat ihre Heimat nie vergessen und seit der Wende von 1989 kommt sie oft nach Tschechien zu Besuch.
Die Ausstellung der Sportmode ist durch ein Begleitprogramm ergänzt, das die Besucher zur aktiven Mitarbeit anregt. Die Mitarbeiterin des Museums Vladimíra Sehnalíková dazu:"Sie können bei uns im Museum zwei Tätigkeiten ausprobieren. Einerseits können Sie hier selbst eine Sportbekleidung entwerfen. Den Entwurf können sie mit nach Hause nehmen oder ihn hier lassen und wir werden ihn eventuell ausstellen. Die zweite interessante Möglichkeit, sich an der Ausstellung des Museums zu beteiligen, ist die Mitwirkung an dem sog. "Fotoalbum der Besucher". Falls die Besucher ein interessantes Foto zum Thema Wintersport besitzen, können sie es mitbringen und gegebenenfalls durch eine kurze Geschichte ergänzen. Das Foto werden wir kopieren und es wird Bestandteil des Fotoalbums der Besucher. Die schönsten Fotos werden auf den Webseiten des Kunstgewerbemuseums veröffentlicht."
Soweit Vladimíra Sehnalíková vom Prager Kunstgewerbemuseum. Die Ausstellung mit dem Titel "Treib Sport und Bewegung" ist bis zum 13. März geöffnet.