step21: Initiative für Toleranz und Verantwortung, die Grenzen überschreitet

Martin (Team Uherské Hradiště) mit Andreas Wiedemann (Foto: Bente Stachowske, www.step21.de)

Menschen zusammenbringen, Gespräche und Austausch anregen und bestehende Vorurteile hinterfragen und abbauen, das sind die Ziele der Organisation step21 – der Initiative für Toleranz und Verantwortung, die in Hamburg ihren Sitz hat. Sie hat ein Geschichtsprojekt für Schüler vorbereitet, bei dem Menschen zusammengebracht, Gespräche und Austausch angeregt werden sollen.

Jugendliche aus Deutschland, Polen und Tschechien beschäftigen sich seit Mai mit historischen Themen, die in der Geschichte so genannte „weiße Flecke“ darstellen. Diese weißen Flecken aus der Zeit des Nationalsozialismus haben 16 Redaktionsteams der beteiligten Länder seit Anfang Mai in ihren Lokalzeitungen verfolgt. Dabei geht es nicht nur um die Aufarbeitung der Geschichte, sondern auch um europäische Verständigung. Das Projekt hat step21 – Initiative für Toleranz und Verantwortung vorbereitet.

„Das Projekt step21 „Weiße Flecken“ ist ein journalistisches Erinnerungsprojekt, bei dem 16 Jugendredaktionen aus Tschechien, Deutschland und Polen die vergangenen zehn Monate zur NS-Geschichte in dem jeweiligen Heimatort recherchiert haben. Die Jugendlichen haben mit den letzten noch lebenden Zeitzeugen gesprochen, Archive durchgestöbert und dann geschaut, wie über ein Ereignis, das in ihrem Heimatort geschehen ist, in der damaligen, von den Nationalsozialisten kontrollierten Presse, berichtet wurde. Sie haben also eine Presseanalyse aus der damaligen Zeit gemacht“, sagt die Projektreferentin Lena Knäpple aus Hamburg.

Die Idee zu step21 entstand Anfang der neunziger Jahre als Reaktion auf die ausländerfeindlichen Übergriffe in Deutschland. Umgesetzt wurde sie jedoch 1998. Das Projekt „Die Weißen Flecken“ gibt es seit 2005.

„Aus Tschechien und Polen gab es ein großes Interesse, weil in diesen beiden Ländern die Schüler daran sehr interessiert sind, über das Projekt ihre Deutschkenntnisse zu verbessern – die Projektsprache ist nämlich Deutsch – und weil das Thema Nationalsozialismus bzw. die deutsche Besatzung nicht so häufig bearbeitet wurde wie in Deutschland. In Deutschland gab es viele Bewerber, aber nicht so viele wie aus Tschechien und Polen.“

Überraschte die Schüler dabei etwas?

„Die Jugendlichen waren sehr erstaunt, wie wenig über die Ereignisse, die für ihren Heimatort wichtig sind, in ihrer Elterngeneration gesprochen wurde. Auch bei der Suche nach Zeitzeugen sprach man öfter mit eigenen Großeltern und für Einige war es eine Überraschung, dass ihre Großeltern zu diesen Ereignissen so viel zu sagen haben, aber vorher dazu nie gesprochen haben“, sagt die Projektreferentin Lena Knäpple.

Mit der NS-Vergangenheit in Prag setzte sich ein tschechisches Schülerteam auseinander, Lukáš Boček war dabei:

„Unser Thema waren die Folgen des Attentats auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhardt Heydrich im Mai 1942. Uns haben vor allem die Erlebnisse der Bürger interessiert.“

Die Schüler widmeten sich ihrem Thema gründlich.

„Wir haben in Archiven recherchiert, in Prag Chodovec, und haben auch zwei Zeitzeuginnen, Zwillingsschwestern, gefunden. Sie sind 94 Jahre alt, die eine war damals Juristin und die andere Ärztin im Prager Krankenhaus Bulovka. Es war wirklich sehr interessant“, sagt der Prager Schüler Lukáš Boček.

Das Projekt „Die Weißen Flecken“ wurde fachkundig, sprich historisch, betreut. Und da die Schüler ihre Kenntnisse in einer Zeitung veröffentlichen sollten, die nach dem Projekt „Die Weißen Flecken“ benannt ist, wurden sie auch journalistisch betreut.

„Ich war für zwei Gruppen zuständig, für eine Schülergruppe aus Ústí nad Labem / Aussig und aus Uherské Hradiště. Meine Aufgabe war in erster Linie, die Schüler zu beraten, wie sie ihre Artikel aufbauen, stilistisch formulieren, wie sie ihre Kommentare bearbeiten und was sie dabei aus journalistischer Sicht her beachten müssen. Und auch aufzupassen, dass die historischen Fakten stimmen“, sagt der Historiker und Journalist Andreas Wiedemann.

Ob das Projekt den Schülern gefallen hat? Wenn man Lukáš Boček zuhört, kann man daran gar nicht zweifeln.

„Es war total super, es war das beste Projekt, an dem ich mich je beteiligt habe. Die deutsche Seite hat das bestens organisiert. Wir sind zweimal in Hamburg, einmal in Berlin gewesen, wie haben neue Freunde gefunden, viel über die Vergangenheit als auch die Gegenwart erfahren“, sagt Lukáš Boček.

Wie wichtig die Herausgabe der bereits erwähnten Zeitung „Die Weißen Flecke“ für das Projekt war, erklärt Andreas Wiedemann:

„Jede Gruppe hat eine Seite gestaltet und diese Seite in verschiedene Abteilungen aufgeteilt: man schrieb den Bericht über die Ereignisse, eine Reportage und einen Kommentar über die medienkritischen Aspekte. Sie haben auch die Sichtweise des Teams zum Ausdruck gebracht, also was sie dabei gelernt und interessant gefunden haben.“

Die Zeitung, in der alle Gruppenergebnisse zusammengefasst sind, wurde im Januar präsentiert. Die erste Leserin war die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Zeitung wurde ihr im Axel-Springer Journalistenhaus feierlich überreicht.

Die Initiative step21 plant auch für nächstes Jahr, dieses Projekt der „Weißen Flecken“ zu organisieren. Es bleibt dabei noch bei der NS-Vergangenheit. Lena Knäpple:

„Im Moment ist der Bedarf für die lokalgeschichtliche Erforschung der NS-Zeit noch so hoch, dass wir jetzt auf jeden Fall noch einen Durchlauf mit dieser Zeitspanne für sinnvoll halten.“

Aber wie Lena Knäpple noch hinzufügte, wird man künftig auch andere Zeitspannen in Erwägung ziehen. So sei zum Beispiel die kommunistische Vergangenheit ein Thema, das sich in Tschechien, Polen und dem ehemaligen Ostdeutschland sicherlich Aufmerksamkeit verdiene.