Sudetendeutscher Tag: Tschechische Politiker erhalten Applaus – und Kritik von Zuhause
Der Sudetendeutsche Tag, das ist seit Jahrzehnten die Veranstaltung, die so manchem tschechischen Politiker den Hals anschwellen lässt. Doch nun sind zum zweiten Mal Mitglieder der Regierung aus Prag zu dem traditionellen Pfingsttreffen der Vertriebenen gefahren. Ist damit Normalität eingekehrt?
„Wir dürfen natürlich nicht die Vergangenheit vergessen, die Zeiten der Brutalität vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Das darf nie mehr wieder geschehen. Menschen dürfen nie wieder aus ihren Häusern vertrieben werden, nur weil sie anderer Nationalität sind, einen anderen Glauben haben oder aus rassistischen Gründen.“
Deutliche Worte zur Vertreibung – das kam bei den Besuchern gut an. Vor einem Jahr hatte Kulturminister Daniel Herman als erstes Regierungsmitglied aus Prag beim Sudetendeutschen Tag gesprochen. Damals wie heute aber bilden Herman und nun auch Bělobrádek keine offizielle Abordnung des tschechischen Mitte-Links-Kabinetts.„Wir sind nicht von der tschechischen Regierung entsandt, nehmen aber mit ihrer Kenntnis teil – und das in voller Übereinstimmung mit unseren außenpolitischen Prioritäten. Denn Deutschland ist unser strategischer Partner. Da besteht also kein Widerspruch. Wir Christdemokraten legen in der Außenpolitik einen Akzent auf die Versöhnung, vielleicht wegen unserer christlichen Identität. Das ist aber nicht gegen die anderen Parteien gerichtet, sondern wir ergänzen uns auf demokratische Weise“, so Daniel Herman.
Allerdings: Beim Koalitionspartner, den Sozialdemokraten, herrscht nicht nur Verständnis für den Besuch der beiden Christdemokraten in Augsburg. So sagte der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Jan Hamáček, im Tschechischen Fernsehen an die Adresse von Bělobrádek:„Ich respektiere seine Entscheidung dort hinzufahren. Aber ich erwarte auch, dass er sie den tschechischen Bürgern erklären kann.“
Die schärfsten Kritiker sitzen in den Reihen der Kommunisten. Ihr Abgeordneter Zdeněk Ondráček schrieb am Montag in einem Zeitungsbeitrag, dass es keine Versöhnung mit Sudetendeutschen geben dürfe, solange diese weiter die Aufhebung der sogenannten Beneš-Dekrete forderten. Die Dekrete des damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Beneš bildeten nach dem Krieg die Grundlage, um Deutsche und Ungarn zu enteignen und zu vertreiben.
Allerdings hat sich die Landsmannschaft offiziell bereits gewandelt. Vor zwei Jahren strich sie aus ihrer Satzung jenen Passus, in dem die Rückgabe der „alten Heimat“ und des früheren Eigentums gefordert wurden. Und genau darauf weist zum Beispiel Marek Ženíšek hin, stellvertretender Vorsitzender der konservativen Top 09:„Nach der Aufgabe der Eigentumsforderung dürfte doch eigentlich niemand mehr ein Problem sehen. Gerade diejenigen aus Tschechien, die dort hinfahren, haben darauf hingewiesen, dass dies die nachbarschaftlichen Beziehungen verbessert und vereinfacht hat.“
Im Übrigen sind schon seit vielen Jahren zahlreiche tschechische Vereine und Verbände immer wieder zu Gast bei den Sudetendeutschen Tagen. Doch auf offizieller Seite tut man sich deutlich schwerer. Dies merkte auch Bernd Posselt an, der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft:
„Wir sind nach wie vor in einer sehr fragilen Situation. Ein falsches Wort, ein falscher Schritt – und das Ganze kann wieder schiefgehen.“