Tschechien beendet Corona-Notstand

Foto: ČTK / Slavomír Kubeš
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Die Corona-Infektionszahlen in Tschechien sind weiter besorgniserregend. Trotzdem hat das Parlament eine Verlängerung des Notstands am Donnerstag abgelehnt. Die Kreishauptleute kündigten nun an, sie würden die Ausrufung eines neuen Notstands von der Regierung fordern.

Tschechisches Abgeordnetenhaus  (Foto: ČTK / Michal Krumphanzl)

Nach 132 Tagen wird am kommenden Sonntag um 24 Uhr der Corona-Notstand  in Tschechien aufgehoben. Die Minderheitsregierung aus Partei Ano und Sozialdemokraten hat für eine weitere, bereits sechste, Verlängerung nicht die nötigen Stimmen der Opposition gewinnen können. Sowohl die Kommunisten, die die Regierung bisher toleriert haben, als auch die liberal-konservativen Parteien verweigerten ihre Stimmen.

Der Parteichef der Bürgerdemokraten, Petr Fiala, wirft der Regierung vor, mit der Opposition nicht kommuniziert zu haben. Gegenüber dem Inlandssender des Tschechischen Rundfunks sagte er:

Petr Fiala  (Foto: ČTK / Kateřina Šulová)

„Wir haben wiederholt Verhandlungen initiiert und eigene Vorschläge gemacht. Dafür haben wir einen Sechs-Punkte-Plan zur Bewältigung der Lage vorgelegt. Auf der Seite der Regierung haben wir keinen Partner gefunden, der bereit wäre, die Situation zu lösen.“

Laut der Opposition hat die Regierung versagt. Vlastimil Válek leitet die Abgeordnetenfraktion der Partei Top 09:

„Die Regierung wird nun gezwungen sein, sehr intensiv zu arbeiten. Sie muss jede Maßnahme gut begründen können und Argumente für ihre Wirksamkeit vorlegen. Es lässt sich nichts mehr bloß beschließen, ohne darüber nachzudenken, wer davon betroffen wird und ob es Sinn hat.“

Andrej Babiš  (Foto: ČTK / Michal Kamaryt)

Die Regierung beschuldigt nun die Opposition, zur möglichen Verschlechterung der Lage in Tschechien beizutragen. Wer nicht den Notstand unterstütze, erklärte Premier Andrej Babiš vor der Abstimmung, werde direkt für den Tod seiner Mitbürger verantwortlich sein.

Durch die Aufhebung des Notstands werde die Lage in Tschechien komplizierter, sagte Gesundheitsminister Jan Blatný (parteilos) vor den Abgeordneten:

Jan Blatný  (Foto: ČTK / Michal Krumphanzl)

„Wir werden die Instrumente sofort umsetzen, die uns ohne den Notstand geblieben sind. Man darf aber nicht denken, das s diese mit den Möglichkeiten im Notstand vergleichbar sind. Sie werden nicht so effektiv sein.“

Mit der Aufhebung des Notstands können einige der Maßnahmen nicht mehr angeordnet werden. So darf etwa die Versammlungsfreiheit nicht mehr beschränkt werden. Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) nennt weitere Beispiele:

„Geschäfte und Dienstleistungen können wieder öffnen, wahrscheinlich auch Galerien, Museen, Wellness- und Fitness-Center sowie Sportanlagen. Der Rest der Maßnahmen kann mit gewissen Einschränkungen in Kraft bleiben.“

Robert Plaga  (Foto: ČT24)

So bleiben etwa die Schulen weiterhin geschlossen, wie Bildungsminister Robert Plaga (parteilos) am Freitag bestätigte.

Premier Andrej Babiš (Ano) trifft sich am Freitag zu Verhandlungen mit den Regierenden der Kreise. Diese können in den jeweiligen Regionen den sogenannten Gefahrenstand ausrufen. Das erwägt auch er Hauptmann des Kreises Liberec / Reichenberg, Martin Půta (SLK).

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns ab Montag verhalten, als ob es keinen Coronavirus gäbe, und abwarten werden, bis die Krankhäuser voll sind. Anderseits ist klar, dass das Abgeordnetenhaus der Regierung ein Signal gegeben hat, wie sie weiter handeln soll.“

Jan Schiller  (Foto: Jan Bachorík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Die Kreishauptleute kündigten am Freitag an, sie werden die Regierung auffordern, einen neuen Notstand auszurufen. Der Hauptmann im Kreis Ústí nad Labem / Aussig, Jan Schiller (Ano) sagte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:

„Darüber herrscht eine hundertprozentige Übereinstimmung. Wir werden an die Regierung nicht appellieren, sondern von ihr fordern, den Notstand auszurufen.“

Die Kreise seien laut Krisenplan dazu berechtigt, reagierte der Innenminister. Sollten sie diesen Schritt gehen, würde die Regierung ihnen stattgeben, kündigte Hamáček an.