Tschechischer Desinformator Čermák für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis geschickt

Tomáš Čermák verlässt das Gericht in Prag (19.7.2023)

Tomáš Čermák ist einer der einflussreichsten Desinformatoren Tschechiens. Vor Gericht stand er schon mehrfach. Am Mittwoch wurde ein Urteil über fünfeinhalb Jahre Haft bestätigt. Diese muss Čermák nun wegen Unterstützung des Terrorismus antreten.

Aufruf zur Gewaltanwendung gegen Politiker – das ist bei Tomáš Čermák nichts Ungewöhnliches. Nun wird er dafür aber für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis gehen müssen. Konkret bezieht sich das Urteil, das am Mittwoch vom Obergericht in Prag als rechtskräftig bestätigt wurde, auf ein Facebookvideo vom Februar 2022. Darin fordert Čermák die Zuschauer zum aktiven Widerstand gegen die Verabschiedung einer Novelle des Pandemiegesetzes im tschechischen Parlament auf. Er spricht zudem von „Machtübernahme“ und der „Freimachung Tschechiens aus den Strukturen von EU und Nato“. Anlässlich der ersten Gerichtsverhandlung dazu in Plzeň / Pilsen im März gestand der Angeklagte gegenüber den Reportern des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (ČT) ein, dass seine Wortwahl wohl nicht die beste gewesen sei:

„Es ging eher darum, dass wir einfach mit der Lage unzufrieden waren. Jeder Mensch reagiert darauf anders, und ich bin eben so ein Hitzkopf.“

Das Kreisgericht in Pilsen sah mit dem Video allerdings den Strafbestand der Unterstützung und des Aufrufs zum Terrorismus gegeben und verhängte die fünfeinhalbjährige Haftstrafe. Beim Berufungsprozess am Mittwoch wollte Richter Jiří Lněnička die Auslegung als Übertreibung ebenfalls nicht gelten lassen:

Tomas Cermak mit seinem Anwalt Norbert Naxera | Foto: Michaela Říhová,  ČTK

„Wir können keine andere Schlussfolgerung ziehen, als dass dies der Aufruf zur Gewalt gegen die Mitglieder von Parlament und Regierung Tschechiens ist, und zwar in der Absicht, auf die Ausübung ihrer Funktion einzuwirken.“

Für die Verhandlung war der größte Saal des Prager Obergerichts ausgewählt worden. Etwa 100 Anhänger Čermáks saßen im Zuschauerraum. Prozesse gegen Personen aus der Desinformationsszene mobilisieren in Tschechien regelmäßig ein aktives Publikum. Im Mai verschafften sich aufgebrachte Fans der Journalistin Jana Peterková sogar Zutritt zum Verhandlungssaal, der wegen Überfüllung geschlossen worden war. Vor diesem Hintergrund war am Mittwoch vorsorglich die Zahl der Wachposten erhöht und jedem einzelnen Besucher eine Zutrittserlaubnis ausgehändigt worden.

Das Urteil quittierte das Publikum dann mit Pfiffen und „Schande“-Rufen. Die Richter wurden zudem als „Faschisten“ und „Terroristen“ bezeichnet. Staatsanwalt Martin Bílý sagte nach der Verhandlung gegenüber der Presse:

„Ich denke, das Urteil ist angemessen. Es entspricht dem gesetzlich möglichen Strafmaß und auch dem Verhalten des Angeklagten. Die Strafe liegt an der unteren Grenze der gesetzlich vorgegebenen Spanne von fünf bis 15 Jahren.“

Tomáš Čermák ist somit die erste Person überhaupt, die in Tschechien wegen der Anstachelung zum Terrorismus rechtskräftig verurteilt wurde. Der 36-Jährige bezeichnet sich selbst als oppositionellen Aktivisten. Sein Anwalt Norbert Naxera hatte am Mittwoch Freispruch gefordert. Er bestritt, dass Čermák seine Anhänger zur Gewalt gegen Politiker anstacheln wollte. Vielmehr habe er sie nur dazu aufgerufen, an einer Demonstration teilzunehmen. Auf dieser hätte es aber zu Gewalt kommen können, räumte Naxera vor Gericht ein. Nach der Verhandlung kommentierte der Anwalt:

„Mit dem Urteil sind wir natürlich nicht einverstanden. Wir halten es für ungerecht, denn Herr Čermák hat nicht zum Terrorismus aufgerufen. Ähnliche oder schlimmere Fälle gehen hier straflos aus, es gibt also zweierlei Maß. Wir reichen nun Berufung beim Obersten Gerichtshof ein.“

Zu seiner Verteidigung tritt Tomáš Čermák schon fast routinemäßig vor Gericht an. Aus einem früheren Verfahren stammt eine zehnmonatige Bewährungsstrafe wegen hassmotivierter Äußerungen zur Ukraine. Und ein weiterer Prozess ist derzeit anhängig wegen der Belästigung des Vorsitzenden der tschechischen Ärztekammer, Milan Kubek, sowie des Evolutionsbiologen Jaroslav Flegr.