Verborgene frühere Bauten der Prager Burg können mit neuer App entdeckt werden
Zwar dürfen Besucher nicht physisch in den Untergrund der Prager Burg steigen, aber zumindest virtuell. Eine neue App ermöglicht, die Überreste älterer Bauten auf dem Hradschin zu erkunden. Die Anwendungssoftware ist eine Idee von Archäologen der tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Die Prager Burg ist das am häufigsten besuchte Touristenziel in Tschechien. Im vergangenen Jahr kamen 2,19 Millionen Besucher zu dieser Dominante der Stadt, wie aus den Daten von Czech Tourism vom Juni hervorgeht. Die Burg, die auch Sitz des tschechischen Staatspräsidenten ist, verzeichnete damit einen Zuwachs von 54 Prozent und überholte damit in der Statistik zwei andere beliebte Prager Besucherhotspots: die Standseilbahn auf den Petřín / Laurenziberg und den Zoo.
Die ersten Bauten auf dem Hradschin lassen sich auf das neunte Jahrhundert datieren. Aber sie wurden in der Folge überbaut. Um die ältesten Reste der Besiedlung an dem Ort zu erforschen, laufen bereits seit 150 Jahren Grabungen. Viele Besucher der Burg wissen jedoch gar nicht, was alles unter Erde schlummert. Das lässt sich nun aber mit einer speziellen App erkunden. Vier Jahre lang haben Archäologen der Akademie der Wissenschaften zusammen mit der Verwaltung der Burg an der Erstellung gearbeitet. Geleitet wurde das Team von Jana Maříková-Kubková:
„Wichtig zu wissen ist, dass man mit der App nicht nur die einzelnen archäologischen Fundstätten anschauen kann, sondern auch auf einer Zeitleiste die einzelnen Etappen der Bebauung findet. Das ist sicher sehr interessant, weil man sich häufig gar nicht vorstellen kann, was jeweils an einem Ort alles gestanden haben könnte. So befindet sich in der südlichen Hälfte beziehungsweise im südlichen Drittel des Dritten Burghofs ein Hohlraum mit einer Granitplatte. Unter dieser lagern Teile der früheren romanischen Befestigung und sogar einer älteren, hölzernen Anlage sowie romanische und gotische Häuser und eine ganze Kirche.“
Das Schöne am Erkundungsgang durch diese verborgene Welt ist, dass dieser nicht nur auf Tschechisch, sondern auch auf Englisch und Deutsch möglich ist, denn die App wurde in drei Sprachen gefertigt. Und sie kann kostenlos heruntergeladen werden.
Insgesamt fünf archäologisch bedeutende Orte sind auf diese Weise zugänglich. Neben dem Dritten Burghof handelt es sich um die Kirche der Jungfrau Maria, die Krypta des Veitsdoms sowie das Kloster und die Basilika St. Georg. Jana Maříková-Kubková hofft, dass all die alte Bausubstanz unter der Erde auch künftig nicht direkt für Besucher zugänglich gemacht wird…
„Diese Bauten sind sehr empfindlich. Früher lagen sie ja oberhalb der Erde, dann unterhalb, und schließlich sind sie von den Archäologen wieder freigelegt worden. Die Bausubstanz zum Beispiel unterhalb des Dritten Burghofs unterliegt daher schon seit einhundert Jahren den Einflüssen unterschiedlicher mikroklimatischer Bedingungen. Dabei handelt es sich um Material, das leicht zerstört werden kann wie etwa Holz aus dem Frühmittelalter. Jede Bewegung, jeder Schritt kann ihm schaden. Auch wegen der Pilze und dem Salz ist eine Bewahrung sehr kompliziert. In einem umfassenden Projekt haben wir uns mit den Möglichkeiten für den Erhalt dieser Bausubstanz beschäftigt. Das Ergebnis war, dass sie allgemein zugänglich gemacht werden sollte und zugleich vor dem Besucherverkehr geschützt werden muss. Deswegen ist die App entstanden“, so die Archäologin.
Die App beruht auf 3D-Scans der bestehenden Gebäude, die um interessante Informationen und die jeweilige Geschichte ergänzt wurden:
„Ich denke, die App ist in ihrer Bedienung sehr einfach, dass sowohl ein Kind, als auch ein Student oder ein älterer Mensch sie nutzen kann. In Zukunft möchten wir gerne eine App zur Gesamtgeschichte der Prager Burg von den prähistorischen Zeiten bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts entwickeln. Damit wollen wir die Architektur des Hradschin auch jüngeren Besuchern näherbringen, also Schülern und Studenten. Es geht da um die archäologischen Ausgrabungen, die Vermittlung soll aber nicht lehrbuchhaft geschehen.“
Das Team zur Entwicklung der aktuellen App bestand laut Jana Maříková-Kubková aus bis zu 15 Fachleuten. Neben Archäologen waren dies Software-Entwickler und Historiker. Für die Nutzung der App muss man im Übrigen nicht vor Ort sein, man kann auch in Ruhe vom Sofa aus die Bauhistorie der Prager Burg erkunden.