Vor 80 Jahren wurden archäologische Ausgrabungen auf der Prager Burg eröffnet

Foto: Martina Schneibergova

Aus den archäologischen Ausgrabungen geht hervor, dass die Prager Burg um das Jahr 880 vom Fürst Borivoj aus der Premyslidendynastie gegründet wurde. Den ältesten Bau auf dem Burggelände stellen die Reste einer Jungfrau-Maria-Kirche, die Borivoj I. vor 885 bauen ließ. Eine Vorstellung darüber, wie die Burg am Anfang ihrer Geschichte aussah, kann man sich dank den archäologischen Ausgrabungen machen. Vor fast genau 80 Jahren wurden die archäologischen Arbeiten auf der Prager Burg eröffnet, und sie werden praktisch bis heute fortgesetzt. Mehr über die Anfänge der archäologischen Forschungen auf dem Burggelände erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag von Martina Schneibergova und Gerald Schubert.

Foto: Martina Schneibergova
Die archäologischen Funde auf der Prager Burg im 19. Jahrhundert waren vor allem mit den Bauarbeiten am Veitsdom und mit der Renovierung der St. Georgs-Basilika verbunden. Die ersten systematischen Forschungen wurden genau vor 80 Jahren gestartet. Sie hingen damals mit dem Umbau der Burg zu dem Sitz des ersten tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomás Garrigue Masaryk zusammen. Dies bestätigt auch Jan Frolík vom Archäologischen Institut der Akademie der Wissenschaften. Seit 1992 leitet er die archäologischen Ausgrabungen auf der Prager Burg:

"Masaryks ehemaliger Kollege, Universitätsprofessor Lubor Niederle, der der erste Direktor des Archäologischen Instituts war, machte damals Präsident Masaryk darauf aufmerksam, dass so große Bauarbeiten auch von archäologischen Forschungen begleitet werden sollten. Im Archiv der Prager Burg findet man Dokumente, die diese Vermutung unterstützen."

Es wurde aber damit gerechnet, dass die archäologischen Arbeiten im selben Jahr, d. h. 1925 wieder beendet werden. Dazu kam es aber nicht. Dr. Frolík erklärt:

Dr. Jan Frolik  (Foto: Martina Schneibergova)
"Es wurde ein großer Teil des dritten Burghofs freigelegt. In der Ecke bei der alten Propstei wurden Fundamente der romanischen St. Moritz-Kapelle entdeckt. Der dritte Burghof sollte dann nach den Vorstellungen des Architekten Josip Plecnik gestaltet werden. Um die entdeckten Baufundamente zu bewahren, änderte Plecnik seinen ursprünglichen Plan, die Fläche des Burghofs in einer Ebene zu gestalten und entwarf den heutigen Zubau, unter dem die Ausgrabungen zu sehen sind."

Während der weiteren Ausgrabungen wurde beispielsweise der einstige mittelalterliche Hauptweg entdeckt, der vom ursprünglichen Burgtor zur romanischen St. Veit-Basilika und von dort aus weiter zum Georgsplatz führte. Auf diesem Weg befand sich auch der ursprüngliche St. Wenzel-Brunnen, der 1927 entdeckt wurde. Über weitere Funde sagt der Archäologe:

"Einen bedeutenden Bestandteil der Burg stellten Wohngebäude dar, in denen die damaligen Burgbewohner lebten. In dem älteren Zeitabschnitt- im 10.-13. Jahrhundert wurden die Häuser aus Holz gebaut. Dank den günstigen Bedingungen sind viele Details der Hauskonstruktionen erhalten geblieben. Diese wurden damals - im Jahre 1929 - fotografiert und im Depositar aufgehoben. Heute - nach 60 Jahren - kann man sie für die sog. dendrochronologischen Forschungen nutzen, bei denen das Alter der für den Bau benutzten Bäume festgelegt werden kann. Dies hat für uns eine große Bedeutung."

1929 wurden die archäologischen Ausgrabungen auf dem dritten Burghof praktisch beendet. Der Burghof wurde gepflastert. Die Archäologen haben jedoch das Gelände der Prager Burg nicht verlassen. Große Ausgrabungen wurden im vierten Burghof auf der Bastei durchgeführt. 1934 begannen die Archäologen auch vor den Toren der Burg zu forschen. Dr. Frolík dazu:

"Bei den Bauarbeiten auf dem Loreto-Platz wurden eine Grabstätte mit ca. 850 Gräbern entdeckt. Die Gräber stammen aus dem 11.-15. Jahrhundert. Zwei von den Gräbern wurden ausgehoben und sie werden in der jetzigen ständigen Ausstellung über die Geschichte der Prager Burg gezeigt. Kurios ist das Grab des Hockers aus dem 11. Jahrhundert. Wie man entdeckte, wurden da auch Menschen bestattet, die hingerichtet wurden."

In den Jahren 1937-38 kehrten die Experten unter der Leitung des namhaften tschechoslowakischen Archäologen Ivan Borkovský auf das Burggelände zurück. Borkovský machte dort eine bedeutende Entdeckung, erzählt Jan Frolik:

"Während der Arbeiten im südlichen Burgflügel in den Jahren 1937-38 wurde der so genannte romanische Brunnen entdeckt, in dem sich eine Sammlung von Keramik aus dem 13. Jahrhundert befand. Es wurde da des Weiteren auch ein wertvoller arabischer Pokal aus dem 13. Jahrhundert gefunden, der mit einer goldenen Überschrift und mit stilisierten Delphinen geschmückt war. Er stammt aus Syrien oder Ägypten. Es handelt sich um einen der ältesten Funde von Luxusglas auf dem Gebiet Böhmens überhaupt."

Foto: Martina Schneibergova
In den Jahren 1925 bis 1945 wurde der überwiegende Teil des dritten Burghofs erforscht. 1929 veränderten sich die einzeln durchgeführten Ausgrabungen in systematische archäologische Forschungen. Wenn Bauarbeiten bzw. Bodenaushub durchgeführt wurden, wurden seitdem immer auch die Archäologen dazu eingeladen. Die archäologischen Ausgrabungen wurden nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs eingestellt.

Die archäologischen Ausgrabungen auf der Prager Burg stellen zweifelsohne das langfristigste Projekt der Akademie der Wissenschaften dar. Sie sind auch im internationalen Maßstab einzigartig, meint Jan Frolík:

"Die Einzigartigkeit der archäologischen Arbeiten besteht darin, dass sie achtzig Jahre lang ununterbrochen durchgeführt werden. Archäologen wirkten hier auf der Burg auch während des Zweiten Weltkriegs sowie in den fünfziger und sechziger Jahren - also in den härtesten kommunistischen Zeiten. Die Arbeit brachte und bringt bis heute neue Ergebnisse. Einzigartig ist auch die Tatsache, dass seit 1925 die Archäologie ein integraler Bestandteil der Denkmalpflege auf der Prager Burg ist."

Die 1925 gestarteten archäologischen Ausgrabungen waren Frolík zufolge für die damaligen Verhältnisse modern:

"Die Arbeit war darin modern, dass alle Zeitabschnitte, auch die neueren, mit denen sich damals die Archäologie nicht befasste, auf dieselbe Art und Weise erforscht wurden. Es wurde die modernste Dokumentationstechnik benutzt, die beispielsweise dem damaligen Standard der britischen Archäologen entsprach. Die Methodik, die während der Forschungen ausgearbeitet wurde, wurde bei uns problemlos bis in die sechziger und siebziger Jahre benutzt."

Die archäologischen Ausgrabungen bringen oft Überraschungen und neue Erkenntnisse mit sich. Auch auf dem Gelände der Prager Burg gab es Funde, mit denen niemand gerechnet hat:

"Überraschend war für die Archäologen die Entdeckung, dass die Prager Burg älter ist, als man bis zu der Zeit angenommen hatte. Denn die Forschungen sollten sich ursprünglich auf Ausgrabungen aus der Zeit des heiligen Wenzel konzentrieren. Es stellte sich jedoch heraus, dass ein Teil der Funde noch um fünfzig bzw. hundert Jahre älter ist. Außerdem war überraschend, dass so viele Sachen erhalten geblieben sind. Die Zahl ist wirklich bedeutend."