„Wow, das geht ab“ – Rennfahrerin und Porsche-E-Testpilotin Gabriela Jílková

Gabriela Jílková
  • „Wow, das geht ab“ – Rennfahrerin und Porsche-E-Testpilotin Gabriela Jílková
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Der Automotorsport ist einer der Bereiche, in denen es Frauen weiterhin schwer haben. Gabriela Jílková ist indes Testfahrerin für Porsche in der Formel E, und sie kann auch bereits auf eine längere und erfolgreiche Rennkarriere zurückblicken.

Wenn der Motor aufheult, geht Gabriela Jíloková das Herz auf. Ob im Tourenwagen oder Einsitzer – sie ist derzeit die erfolgreichste tschechische Rennfahrerin.

Gabriela Jílková | Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

@QuickGabi, wie sie sich auf Social Media nennt, feiert genau an diesem Mittwoch ihren 30. Geburtstag. Aber auch sie hat natürlich einmal klein begonnen. Im Interview für Radio Prag International auf dem Motodrom in Most erzählt sie, dass sie damals fünf Jahre alt gewesen sei:

„Das war im Sommerurlaub in Kroatien. Immer wenn wir vom Hotel zum Meer fuhren oder wieder zurück, sind wir an einem Go-Kart-Verleih vorbeigekommen. Ich habe dann aus dem Fenster geschaut und gesagt, dass ich das gerne ausprobieren würde. Meine Eltern meinten, das sei nichts für Mädchen. Nach einer gewissen Zeit konnte ich sie aber überreden. Ab dem Moment, als ich im Kart saß und meine ersten zehn Minuten fuhr, war ich nicht mehr davon loszubekommen. Es wurde dann so etwas wie eine Tradition, dass wir beim Hin- und Rückweg zum und vom Meer an der Bahn anhalten mussten. Dabei wurde der Besitzer der Kartbahn auf mich aufmerksam. Er sprach daher meine Eltern an und versicherte, dass ich Talent habe. Er wies darauf hin, dass auch Kartrennen gefahren werden und fragte meine Eltern, ob sie mich darin unterstützen würden.“

An all das könne sie sich selbst aber nicht mehr erinnern, gesteht Gabriela Jílková. Sie wisse das nur aus den Erzählungen. Jedenfalls nahmen sich die Eltern wohl die Worte des Kartbahnbesitzers zu Herzen – und förderten ihre kleine Tochter mit der besonderen Begeisterung für schnelle Wagen.

Gabriela Jílková | Foto: Julien Delfosse,  DPPI via AFP / Profimedia

Viermalige Meisterin im Go-Kart

Seitdem wuchs Gabriela mit dem Lenkrad in der Hand auf. Aber erst ab acht Jahren war es damals möglich, auch Rennen zu fahren. Und schon bald war sie es, die das Tempo angab...

Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

„Ich war nicht das einzige Mädchen, wir waren vielleicht zu zweit oder dritt. Prozentuell waren es jedoch nur wenige. Allerdings gewann ich viermal den tschechischen Meistertitel im Go-Kart und war auch das erste Mädchen, dem dies gelungen ist“, so Jílková.

Die vier Titel im Go-Kart zeigten klar, dass Gabriela Jílková dieser Kategorie so langsam entwachsen war. Doch jegliche andere Motorsportklasse habe die finanziellen Möglichkeiten der Familie überschritten, sagt sie:

„Da reichte es nicht mehr, dass mein Vater den Mechaniker gemacht hat und meine Mutter das Catering. Dafür brauchte es ein Team im Rücken und einen Lkw, um zu den Rennstrecken zu fahren. Da ich aber nicht gerade aus einer reichen Familie komme, konnte ich diesen Schritt nicht früher machen. Dann aber wurde ein landesweiter Wettbewerb ausgeschrieben, der Formula Star hieß. Da konnte sich wirklich jeder aus Tschechien anmelden, wir waren einige Hundert Rennfahrer. In mehreren Bereichen wurden wir geprüft: Physio-Tests, Interviews fürs Fernsehen, Go-Karts oder Slalomfahren. Und der Sieger des Wettbewerbs erhielt kostenlos eine Saison in der Formula Gloria. Das war etwas Vergleichbares wie heute die Formel 4, also die Junioren-Rennwagen-Kategorie. Ich gewann den Wettbewerb und konnte den nächsten Schritt nach vorne machen. Und in der ersten Saison gewann ich auch gleich die Formula Gloria. Ab da war es einfacher mit den Sponsoren und Partnern.“

Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

Das war 2011. Es folgten weitere Jahre harter Arbeit hinter dem Lenkrad. Doch ihr Aufstieg im Motorsport wurde dann im Bruchteil einer Sekunde gestoppt. Und zwar als Gabriela Jílková mit 19 Jahren ein Rennen in der Formel Renault 2.0 in Österreich fuhr:

„2014 hatte ich einen schweren Unfall auf dem Red Bull Ring. Gleich am Start blieben zwei Wagen liegen. Ich kam von hinten und sah sie nicht, weil ich hinter einem weiteren Wagen fuhr, der aber gerade noch ausweichen konnte. Dann bin ich mit 130 Stundenkilometern auf einen der liegengebliebenen Wagen gerauscht. Ich weiß nicht, wie viele Wirbel ich mir gebrochen habe. Einige Ärzte sagten sieben, andere zehn. Glücklicherweise musste ich nicht operiert werden, aber es war mitten in der Saison, und diese war für mich damit vorzeitig beendet.“

Noch im Krankenhaus habe sie gefragt, wann sie denn wieder ins Rennauto steigen dürfe, schildert Jílková. Denn man könne sich gar nicht vorstellen, wie das Adrenalin beim Wettkampf in den Körper schieße...

Red Bull Ring - onboard - Gabriela Jílková

„Das ist einfach das Beste, lässt sich aber nicht mit einem Wort beschreiben. Der ganze Prozess steht dahinter – also der Start, das Überholen, pfiffiger zu sein als der andere, mehrere Runden unter Druck zu fahren, weil jemand hinter einem auf den kleinen Fehler zum Überholen wartet“, so die Rennfahrerin.

Genau das wollte sie so schnell wie möglich wieder erleben. Als Gabriela Jílková dann Monate später genesen war, hatten sich jedoch die Sponsoren aus dem Staub gemacht. Und sie musste praktisch von null beginnen. Doch keine seriösen Angebote kamen, und die Tschechin hielt sich unter anderem mit Trainingseinheiten für angehende Rennfahrer über Wasser.

Sieben lange Jahre musste sie überbrücken, ehe sie zu Corona-Zeiten wieder in feste Teamstrukturen zurückgelangte. So gab sie 2021 ihr Debüt in der GT4 Germany und bildete mit Robert Haub ein erfolgreiches Team. Seitdem ist Gabriela Jílkovás aktive Karriere wieder so richtig in Schwung gekommen. Weiter ging es in der GT4 European Series. Und im Herbst vergangenen Jahres der bisherige Höhepunkt: Testfahrten zusammen mit ihrer spanischen Kollegin Marta García im Formel-E-Team von Porsche.

Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

Elektrisierende Zukunft

Seitdem ist die Tschechin Testfahrerin für die Einsitzer aus Stuttgart-Zuffenhausen. Und das habe ihr den Blick in eine ganz andere, neue Welt eröffnet, sagt Jílková:

„Da ich jetzt zweimal in der Formel E getestet habe, würde ich sagen, dass es das höchste Niveau im Motorsport ist, auf das ich jemals gelangt bin. Ich habe ja noch nie zu einem Formel-1-Rennstall gehört, aber so ungefähr stelle ich mir die Professionalität dort vor. Wie viele Menschen hinter einem Team stehen und die Daten verfolgen – diese Professionalität habe ich mir bisher nicht vorstellen können. Für mich ist ziemlich interessant zu sehen, wie viele weitere Dinge sich noch lernen lassen.“

Gabriela Jílková | Foto: Marc de Mattia,  ČTK / imago sportfotodienst

Und was ist der größte Unterschied zwischen dem Porsche 99X Electric und ihren bisherigen Rennwagen?

„Als Erstes fällt mir die Leistungsstärke ein. Als ich das erste Mal aus der Boxengasse fuhr und voll aufs Gas trat, dachte ich: Wow, das geht ja wahnsinnig ab! Als Rennfahrer gewöhnen wir uns aber schnell an unterschiedliche Dinge. In der zweiten Runde war es also schon okay. Aber die Geschwindigkeit und die Beschleunigung sind bei der Formel E schon etwas Außergewöhnliches auch gegenüber anderen Formeln. Diese haben hingegen einen größeren Anpressdruck.“

Auch wenn das vielleicht nicht jedem so klar ist: Der Motorrennsport ist körperlich extrem anstrengend. Jílková erwähnt zum Beispiel bis zu 60 oder 70 Grad Celsius, die in GT-Wagen entstehen können. Und zum Beispiel Formel-1-Doppelweltmeister Fernando Alonso wird gern wegen seines Stiernackens aufgezogen. Dennoch sieht Jílková die Frauen nicht im Nachteil.

Gabriela Jílková und Lucile Cypriano wurden Zweite und Dritte beim FFSA GT4 France Rennen in Val de Vienne 2023 | Foto: Marc de Mattia,  DPPI via AFP / Profimedia

„Ich fühle mich zumindest nicht so. In der Formel E gibt es keine Servolenkung. Daher ist sie im Vergleich ziemlich anstrengend, nach dem was mir Fahrer gesagt haben, die auch in der neuen Formel 2 unterwegs waren. Ich kann das aber nicht aus eigener Erfahrung vergleichen, da ich nie Formel 2 gefahren bin. Aber ab kommendem Jahr, wenn eine neue Generation der Formel-E-Wagen herauskommt, soll es auch eine Servolenkung geben“, so die zierliche Rennfahrerin.

Jílková sieht daher auch einen anderen Grund dafür, dass es bisher keine Frauen in die Formel 1 geschafft haben: die statistische Wahrscheinlichkeit. Denn Männer dominieren bisher allgemein im Motorsport, und nur die 20 Besten gelangen ja in die Königsklasse. Seit dem ersten WM-Jahrgang 1950 haben bisher auch nur fünf Frauen an zumindest einem Grandprix teilgenommen. Allerdings gibt es auch Rennserien nur für weibliche Fahrerinnen. Wäre es also besser, die Wettbewerbe wie in anderen Sportarten nach Geschlechtern zu trennen? Dazu Gabriela Jílková:

„Ich habe niemals an einem Wettbewerb teilgenommen, bei dem nur Frauen gestartet sind. Ich wollte immer bei jenen Meisterschaften antreten, die auf dem höchsten Niveau sind. Und die sind... ich würde sie nicht ‚männlich‘ nennen, aber es sind jene Wettbewerbe, die bekannt sind. Meiner Ansicht nach lernt der Mensch dort am meisten. Und genau das ist es, was ich will: mich verbessern. Deswegen habe ich nie an Kategorien gedacht, in denen nur Frauen sind. Von der medialen Seite bringen solche Rennserien den Frauen aber viel Aufmerksamkeit. Und die Teilnehmerinnen der W-Serie oder der Formel 1 Academy sind jetzt bekannter, als wenn sie in einem anderen Wettbewerb gefahren wären. Das ist für sie wichtig, und deswegen bin ich froh, dass Frauen im Motorsport mittlerweile mehr Raum erhalten als früher.“

Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

Wobei es gerade in den Anfangszeiten des Motorsports auch einige äußerst erfolgreiche Pionierinnen gab. So wie die Tschechin Eliška Junková, die in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre unter anderem beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring fuhr oder auch bei der Targa Florio auf Sizilien. In Tschechien ist heute ein Motorsportpreis für Nachwuchsfahrerinnen nach Junková benannt, und Gabriela Jílková hat ihn mehrfach gewonnen. Sie habe großen Respekt vor diesen Vorreiterinnen, bekennt die heutige Rennfahrerin.

Doch sie richtet ihren Blick in die Zukunft und sagt, sie habe da noch einiges vor – und zwar:

„Fahrerin der Formel E zu sein, denn ich würde sagen, dass mir nur noch ein kleiner Schritt dazu fehlt. Ansonsten wäre der Wechsel in die Kategorie GT 3 logisch, da ich 2025 schon im vierten Jahr GT 4 fahren werde. Ein paar Rennzeiten würde ich dort verbringen und dann in der LMDh (Le Mans Daytona hybrid, Anm. d. Red.), also bei den Hypercars. Im Idealfall würde ich gerne die Formel E mit den Hypercars kombinieren, weil Erstgenannte im Winter beginnt, aber schon im Sommer endet. Deswegen ließen sich beide Wettbewerbe verbinden, ohne dass es zu Überlappungen kommt. Das sind meine Träume für die Zukunft.“

Racer Gabriela Jílková - Czech female pioneers and their modern successors

Die größte tschechische Rennfahrerin

Wenn es um den tschechischen Motorrennsport geht, hat historisch betrachtet eine Frau die Nase vorne: Eliška Junková. In ihrer kurzen aktiven Karriere war sie in den 1920er Jahren bei den wichtigsten und schwierigsten Rennen am Start. Und das in einer Zeit, in der nur wenige Frauen überhaupt einen Führerschein besaßen. Mehr Informationen zu Junková finden Sie hier.

Eliška Junková,  1927 | Foto: e-Sbírky,  Nationalmuseum,  CC BY-NC-ND 4.0 DEED
Autoren: Till Janzer , Daniel Ordóñez
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