Zurücklehnen unerwünscht: Tschechien und die Klimaziele der EU

Nach dem Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft, die EU-Regierungschefs überhaupt zu mehr Klimaschutz zu bewegen, steht die Frage an: Wie viel darfs denn bitte sein? Etwa 30 oder doch nur 20 Prozent weniger Treibhaus-Emissionen bis 2020? Dies wird in Brüssel in den nächsten Monaten beraten. Welchen Beitrag Tschechien leisten könnte, ließ sich hingegen bereits in dieser Woche erfahren, und zwar bei einer Podiumsdiskussion der Europäischen Grünen, die in Prag stattfand.

Die Diskussion begann mit provokanten Zahlen für viele europäische Politiker, aber sicher nicht für die anwesenden Vertreter der Grünen. Felix Matthes vom Ökoinstitut Berlin stellte eine Studie vor, die aufzeigt, wie 30 Prozent Treibhausgas-Reduktion in der EU machbar wären. Massives Einsparen von Energie, 25 bis 30 Prozent erneuerbare Energien sowie bei den fossilen Energieträgern die Nutzung von Gas auf Kosten von Kohle und Öl für die Stromerzeugung deutlich erhöhen. Das sind die drei Strategien, die Matthes nannte.

Dem höheren europäischen Klimaziel von 30 Prozent weniger Emissionen ist Tschechien allerdings bereits nahe. Schon 2005 wurde hier ein Viertel weniger klimaschädigende Gase ausgestoßen. In Tschechien könnte man sich nun eigentlich bis 2020 zurücklehnen. Matthes opponiert:

"Man muss den Horizont schon weiter aufspannen. 20 oder 30 Prozent Treibhausgasminderung ist ja nicht das Ende der Fahnenstange. Das sind vielmehr Emissionsminderungen von 50 Prozent im Jahr 2030 und 80 Prozent im Jahr 2050. Deswegen werden auch Staaten wie die Tschechische Republik um sehr einschneidende Maßnahmen nicht herumkommen. Das Problem ist, dass mit der Modernisierung, die hier abläuft, so genannte Lock-in-Effekte verbunden sind. Die Technologien, die jetzt geschaffen werden, die Kraftwerke, werden bis zum Jahr 2050 produzieren. Man muss sich also auch in diesen Staaten sehr ehrgeizige Ziele setzen, um auf dem Pfad zu bleiben."

Beim tschechischen Umweltministerium rennt Matthes mit solchen Aussagen eher offene Türen ein. Unter der Leitung des Grünen-Vorsitzenden Martin Bursik hat sich das Ressort viel vorgenommen, wie der stellvertretende Umweltminister für Klimafragen, Ales Kutak, erläutert:

"Ganz eindeutig sind 30 Prozent allein aus praktischen Gründen für Tschechien das Minimum. Vereinfacht gesagt war die Ausgangslage 1990 so schlecht - wir hatten ja einen sehr hohen Kohleanteil -, dass die Werte von alleine sinken mussten. Falls ich eine inoffizielle Einschätzung geben darf, dann sind in Tschechien im Jahr 2020, technisch und wirtschaftlich gesehen, zwischen 30 und 40 Prozent weniger Emissionen gegenüber 1990 erreichbar."

Skeptisch über allzu forsches Voranpreschen äußert sich hingegen Vojtech Kotecky von der Umweltorganisation Hnuti Duha. Auch frühere Regierungen in Prag seien in ihren Ankündigungen nicht gerade zurückhaltend gewesen:

"Problematisch ist, dass die Praxis damit nicht Schritt halten kann. Es fehlen konkrete Maßnahmen, um die Nutzung von Niedrigemissionstechnologien für Kohle anzustoßen. Dies würde die tschechische Industrie energieeffizienter machen und ihr helfen, die CO2-Emissionen zu senken. Bei diesen Emissionen gehört sie schließlich zu den schlechtesten Staaten in Europa."

Eine erste Studie, wie Tschechien zum EU-Klimaziel beitragen könnte, will das Umweltministerium im Übrigen in den nächsten Tagen präsentieren.