Albrecht von Wallenstein bittet zu Tisch – in Cheb
Seit 2005 finden in der westböhmischen Stadt Cheb alljährlich die zweitägigen Wallensteinfestspiele statt. Cheb, früher mit deutschem Namen Eger, knüpft damit an eine alte Tradition an, die bis in die Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zurückreicht. Darüber, dass die Wallensteinfestspiele in Cheb heute anders aufgefasst werden als vordem, berichtet im folgenden Beitrag Maria Hammerich-Maier.
Wie auf einem Volksfest ging es bei den Wallensteinfestspielen in Cheb am letzten Augustwochenende zu. Wechselhaft ist die Geschichte der westböhmischen Stadt gewesen. Vom schwierigen Umgang mit dem historischen Erbe merkte man jedoch bei dem Stadtfest wenig. Angesagt waren vor allem Unterhaltung und die gewitzte Inszenierung dramatischer Episoden.
Zuerst zog Albrecht Eusebius Wenzel Wallenstein, Herzog von Friedland und Mecklenburg, Fürst von Sagan, am Freitagnachmittag hoch zu Pferde in Cheb ein. Am Samstag belebte dann das Stadtzentrum ein historischer Markt. Feilschende Händler boten frühneuzeitlichen Hausrat aus der Drechslerwerkstatt an. Produkte aus Wachs- und Honig vom Imker waren zu bekommen. Tongefäße für jeden denkbaren Zweck standen zur Schau, und sogar ein knuspriges Spanferkel drehte sich am Bratspieß. Als die Sonne am höchsten stand, strömten die zahlreichen Besucher schließlich zur Kaiserpfalz, eskortiert von der mit Lanzen bewaffneten Burgwache. Dort bat Wallenstein persönlich gemeinsam mit dem Bürgermeister von Cheb, Jan Svoboda, zu Tisch. Zur Feier des Tages präsentierte sich das Stadtoberhaupt im historischen Kostüm eines „purkmistr“ - ein Wort, das einst im Tschechischen zur Bezeichnung des Bürgermeisters gebräuchlich war. Heute ist es von dem ursprünglich slawischen „starosta“ abgelöst. Wer auf die Burg kam, wurde mit einem Grillhähnchen und einem Becher Bier belohnt.Mit Cheb sind die Namen einer Reihe von Persönlichkeiten verbunden. König Georg von Podiebrad oder Johann Wolfgang von Goethe, um nur zwei zu nennen. Das Stadtamt hat sich jedoch für den Feldherrn Albrecht von Wallenstein als Namenspatron des historischen Stadtfestes entschieden. Bürgermeister Jan Svoboda begründet das so:
„Wallenstein haben wir ausgewählt, weil es sich bei ihm um eine wahrhaft bedeutende historische Persönlichkeit mit einem hohen Bekanntheitsgrad in ganz Europa handelt.“Doch es gab noch andere Gründe, die für Albrecht von Wallenstein sprachen. Laut Svoboda ist die schillernde, widersprüchliche und von Geheimnissen umwobene Persönlichkeit des Oberbefehlshabers der österreichischen Streitkräfte im Dreißigjährigen Krieg besonders dazu angetan, die Bewohner der Stadt zur Teilnahme am Stadtfest zu motivieren. Dieses Anliegen der Organisatoren hat nicht nur bei den eigenen Bürgern Resonanz gefunden, sondern auch jenseits der Staatsgrenze, im nahen Bayern, Sachsen und Thüringen, wie ein Besucher sagte.
„Ich komme aus Plauen im Vogtland, ungefähr 70 Kilometer von hier weg, und ich habe eine ganz besondere Beziehung zu Eger; schon zu Zeiten des Kommunismus, zu DDR-Zeiten, bin ich immer hier gewesen. Ich freue mich, wie schön Eger geworden ist, besonders nach der Landesgartenschau. Heute zu diesem Wallensteinfest hat uns eine befreundete Familie aus Asch eingeladen.“Mit Cheb verbindet man vor allem das gewaltsame Ende des Generalissimus der kaiserlichen Armee: Als sich Wallenstein in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1634 im Pachelbelschen Haus am Unteren Marktplatz zur Ruhe begeben hatte, versetzten ihm kaisertreue Offiziere den Todesstoß. Eine Stunde zuvor waren schon Wallensteins treueste Mitstreiter bei einem Gastmahl auf der Burg dem Mordkomplott zum Opfer gefallen. Die zögerliche Kriegsführung und Kontakte zu den Schweden und den übrigen feindlichen Mächten hatten in der fernen Kaiserstadt Wien Argwohn hervorgerufen. Ein kaiserliches Patent vom 22. Februar 1634 bezichtigte Wallenstein des Hochverrats und befahl, ihn tot oder lebendig zu fangen.
Die Organisatoren stellen jedoch nicht Wallensteins tragisches Ende in den Vordergrund. Das Motto der diesjährigen Wallensteinfestspiele bezieht sich auf einen Aufenthalt Wallensteins in Cheb 1627, als Wallenstein gekommen war, um Soldaten für die kaiserliche Armee anzuwerben.Was hat es nun eigentlich mit der Tradition der Wallenstein-Festspiele in Cheb auf sich? Hierzu die Leiterin der Kultur- und Fremdenverkehrsabteilung des Stadtamts Cheb, Marcela Brabačová:
„Wallensteinfestspiele fanden in Cheb vor dem Zweiten Weltkrieg statt, und zwar 1908, 1910, das letzte Mal dann 1938. Die Festspiele waren ein großes Ereignis, die halbe Stadt erschien im mittelalterlichen Aufzug, und man führte Schillers Wallensteintrilogie auf.“
Mit Wallenstein und dem Dreißigjährigen Krieg kann man sich in Cheb nicht nur bei den Festspielen bekannt machen. Das Museum von der Stadt bringt seinen Besuchern dieses Kapitel der Geschichte mit einer ständigen Ausstellung nahe. Der langjährige Mitarbeiter des Museums Pavel Šebesta berichtet über die Wallenstein-Ausstellung in seinem Haus:„Die Wallenstein-Ausstellung entstand praktisch schon bei der Gründung des Museums im Jahr 1873. Sie war ein Teil des Archivs, und sie war in zwei Räumen des Pachelbel-Hauses, unseres Stadthauses damals, ausgestellt. Sie war praktisch das Wichtigste und das Häufigste, was ausgestellt wurde.“
In Zukunft will man die Wallensteinfestspiele von Cheb mit ähnlichen Festtagen im In- und Ausland vernetzen. Wallensteinfeste gibt es außer in Cheb noch in den nordböhmischen Städten Frýdlant / Friedland und Jičín / Jitschin; in Mnichovo Hradiště / Münchengrätz denkt man ebenfalls an ein derartiges Fest. Alle diese Orte liegen auf dem Gebiet von Wallensteins ehemaligem Herzogtum Frýdlant. An Wallenstein erinnern aber auch Festspiele im benachbarten Deutschland: die Stralsunder Wallensteintage und die periodischen Wallensteinfestspiele in Altdorf bei Nürnberg, sowie die Spiele in Memmingen. Marcela Brabačová:
„Das Fest hat den Zauber, dass wir den Menschen jene Seiten der Geschichte in Erinnerung rufen, die uns in der Vergangenheit nicht so genau erklärt worden waren, dass wir wieder einen Blick auf jene Gestalten unserer Geschichte werfen, die eine Bedeutung für uns hatten. Wir lernen dabei also auch etwas, aber im Grunde ist es so, dass sich die Leute amüsieren sollen.“Also ist zu erwarten, dass man in Zukunft noch öfters zufriedene Besucherstimmen wie die folgende des Besuchers aus Plauen hören kann:
„Ich bin ganz begeistert, wie das historisch schön aufgearbeitet worden ist, und bin gerne hier bei diesem Wetter und in dieser schönen Umgebung.“
Fotos: Autorin