Der Staatshaushalt, die Klimakonferenz und: „Einmal Pusten bitte!“

Das wichtigste Thema in den Kommentarspalten der Zeitungen in dieser Woche waren die Probleme der Regierung Fischer, den ursprünglich geplanten Sparhaushalt durchzusetzen. In den tschechischen Zeitungen wurde dies sehr kontrovers diskutiert. Dazu in der heutigen Ausgabe des Medienspiegel die Sicht tschechischer Kommentatoren auf die Weltklimakonferenz in Kopenhagen und der obligatorische Alkoholtest bei Verkehrskontrollen.

Finanzminister Janota und Premier Fischer  (Foto: ČTK)
Moderator: Till, vergangene Woche hat das Abgeordnetenhaus endgültig den Haushalt für 2010 gebilligt. Das von den Sozialdemokraten geführte linke Lager konnte dabei, wie wir schon berichtet haben, Mehrausgaben in der Höhe von umgerechnet 460 Millionen Kronen durchsetzen. Das hat das Regierungskabinett von Premier Fischer und vor allem Finanzminister Janota an den Rand der Verzweiflung gebracht, wenn man das so sagen darf…

T. Janzer: So ähnlich kann man das sicher ausdrücken. Finanzminister Janota, der eigentlich einen Sparhaushalt durchsetzen wollte, hat danach ja mit seinem Rücktritt gedroht. Und die Bürgerdemokraten, die Janota unterstützt hatten, drohten wiederum, der Fischer-Regierung ihr Vertrauen zu entziehen. Am Montag hat Fischer aber dann sowohl mit Janota, als auch mit Bürgerdemokraten-Chef Topolánek gesprochen. Das Ergebnis war, dass Janota sein Amt in der parteilosen Interimsregierung bis zu den Wahlen weiterführt und das Kabinett noch nachträglich Kürzungen im Haushalt vornimmt. Martin Komárek rät den Bürgerdemokraten in seinem Kommentar in der Mittwochsausgabe der „Mladá Fronta Dnes“, weiter an der Seite der Regierung zu bleiben:

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
„Die Fischer-Regierung arbeitet trotz ihrer schwachen Position effektiv und ist beliebt. Würden die Bürgerdemokraten sie nun liquidieren, verhielten sie sich zwar konsequent, aber wenig umsichtig. Anders als den Streit um einige Milliarden könnten sich die Wähler dies wirklich dann ein halbes Jahr lang merken. Und kaum jemand in der heutigen Welt versteht, wenn etwas Populäres für eine gute Sache geopfert wird.“

Moderator: Martin Komárek plädiert also dafür, dass die Bürgerdemokraten sich von der Regierung nicht abwenden.

T. Janzer: Ja genau, er fügt noch hinzu, dass die Entscheidung über zukünftige Einsparungen ohnehin erst bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Mai gefällt wird...

Moderator: Sehen dies andere Kommentatoren auch so?

T. Janzer: Nein, nicht alle. Ganz anderer Meinung ist Petr Kamberský in der Zeitung „Lidové Noviny“. Ich zitiere:

Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
„Für die ODS“– damit meint Kamberský die Bürgerdemokraten – „für die ODS ist es existenziell wichtig, sich gegen die de facto regierende Linke abzugrenzen: sei es mit einem Rückzug aus der Regierung oder mit einer ausgefeilteren Strategie. Wenn Topolánek – das ist der Parteichef der Bürgerdemokraten – wenn Topolánek weiter seine Rückzugsgefechte ficht, dann gerät er nur immer weiter in das Land der Salamitaktik. Die Linke wird dann immer wieder ein kleines Stück von den Plänen von Premier Fischer abschneiden. Diese Stücke sind zu klein, um die Öffentlichkeit aufzubringen, aber groß genug, dass die Linke damit ihre Vorhaben durchsetzt.“

Soweit das Zitat von Petr Kamberský aus der „Lidové Noviny“. Verständnis für die von den Sozialdemokraten durchgesetzten Mehrausgaben hat indes Martin Hekrdla in der Zeitung „Právo“. Er wirft der parteilosen Regierung Fischer und vor allem Finanzminister Janota vor, mit den Sparplänen eine parteiische Siicht zu vertreten.

Krone - koruna
Moderator: Und dazu hast du sicher auch einen Ausschnitt zum Vorlesen...

T. Janzer: Ja klar, Finanzminister Janota hatte gesagt, in der Regierung würden zwei stärker profilierte Gruppen von Meinungen existieren. Hekrdla greift dieses Zitat auf und stellt es auf den Prüfstand:

„Es ist ihm – also Janota - gelungen zu verdecken, dass zwei Gruppen von Meinungen auch zwei Interessengrupen bedeuten. Es ist ihm auch gelungen, sich über eine der Gruppen zu erheben (...), indem er sie der Irrlehre bezichtigt. Es ist ihm gelungen, Fachwissen gegen Soziales zu stellen in derselben Rasanz, wie in anderen Zeiten andere Leute ´Expertisen´ gegen die Freiheit gestellt haben.“

Bisher ging es um die politischen Querelen rund um den tschechischen Staatshaushalt. Das große außenpolitische, oder besser: weltpolitische Thema der Woche ist die Uno-Klimakonferenz in Kopenhagen. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe des Medienspiegels war es noch nicht klar, ob nicht vielleicht doch ein Nachfolgevertrag der Entwicklungsländer und der Industriestaaten entsteht, der das Kyoto-Klimaprotokoll ersetzt. Dennoch die Frage an dich, Till: Wie sieht denn die tschechische Presse die Verhandlungen in der dänischen Hauptstadt?

T. Janzer: Vielleicht vorab noch dazu – Tschechien ist ja in Kopenhagen auch durch eine Delegation vertreten, und in den letzten Tagen hat diese Delegation Premier Fischer geleitet. Daniel Kaiser kritisiert in der Zeitung „Lidové Noviny“ die Intentionen vieler Politiker beim Klima-Gipfel. Er schreibt:

Foto: ČTK
„Beim Gipfel in Kopenhagen wird mit ernsten Gesichtern darüber verhandelt, wie warm die Welt in den Jahren 2020, 2050 oder gar 2100 sein wird. Es gibt aber ernste Bedenken, ob solche ferne Zeiten die Teilnehmer wirklich interessieren. Die westlichen Politiker interessiert es deswegen nicht, weil dies jenseits des Horizonts ihrer eigenen Karrieren liegt. Einem Plan zuzustimmen, mit dem sie ihre entfernten Nachfolger im Amt binden, ist eben viel leichter als ein Plan, mit dem bis in drei Jahren ein ausgeglichener Staatshaushalt erreicht werden soll.“

Das also schreibt Daniel Kaiser in der „Lidové Noviny“ an die Adresse der westlichen Industrieländer. Und zu den Vertretern der Entwicklungsländer meint derselbe Autor:

„Nach Kopenhagen sind auch Leute gekommen wie Mugabe, der Präsident von Simbabwe, der vor einigen Jahren weiße Farmer enteignen ließ und damit die dortige Landwirtschaft zerstört hat. Mugabe versucht diese Katastrophe umzudeuten: dass für den Hunger die Trockenheit verantwortlich sei = die globale Erderwärmung = der Westen. Auch ihn wird kaum interessieren, was 2050 oder 2100 sein wird. (…). Und was juckt die Lage der Erde im Jahr 2100 den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad? Der glaubt an eine baldige Ankunft des 12. Imam und hat für diesen bereits einen Boulevard in Teheran ausbessern lassen.“

Petr Honzejk zeigt in der „Hospodařské noviny“ vom Freitag indes Verständnis für das Verhalten der afrikanischen Staaten. Diese hatten China unterstützt…

Foto: Europäische Kommission
Moderator: China wollte sich bis zu dem Zeitpunkt ja nicht auf eine Zusage zur Senkung seiner Treibhausgasemissionen einlassen…

T. Janzer: Genau darum geht es. Petr Honzejk weist auf die historische Schuld des Westens gegenüber den Dritte-Welt-Ländern hin, also gegenüber ihren früheren Kolonien. Ich zitiere:

„Der Unwille der Entwicklungsländer, einen Teil der Verantwortung zu übernehmen, ist nicht angenehm, aber verständlich. Die Bedrohung durch den Klimawandel ist für sie, im Verhältnis zu ihren Problemen und dem Gefühl historischen Unrechts und unerfüllter Ansprüche, doch ziemlich abstrakt. Lapidar gesagt: Wer satt werden muss, den interessiert die weitere Zukunft nicht. Die Sorge um das Schicksal unseres Planeten kommt mit dem vollen Bauch. Der Norden hat die Bäuche aber vielleicht schon zu voll, als dass ihm klar ist, wie sehr ein Klimavertrag vor allem in seinem Interesse liegt.“

Moderator: Soweit Petr Honzejk in der „Hospodářské Noviny“. Was hat denn die Zeitungskommentatoren noch interessiert in dieser Woche?

T. Janzer: Ich habe noch etwas zu unserem heutigen Spitzenthema im Tagesecho gefunden…

Moderator: Das war der Bericht, dass die tschechische Polizei ab dem neuen Jahr obligatorisch bei jeder Verkehrskontrolle auch einen Alkoholtest durchführt?

T. Janzer: Und das hält Martin Komárek von der Zeitung „Mladá Fronta Dnes“ für übertrieben. Er verweist auf die Missstände bei der Arbeit der tschechischen Polizei. Und nun wörtlich:

„Die Verkehrspolizei schafft es nicht, nüchterne Autofahrer, die gefährlich sind, zu fangen und zu bestrafen. Deswegen konzentriert sie sich jetzt auf etwas, dass sich leicht messen lässt. Das ist wie das gute Geschäft mit dem Abschleppen falsch geparkter Autos für die Stadtpolizei, während Taschendiebe fröhlich weiter machen dürfen.“

Moderator: Vielen Dank für den Medienspiegel an Till Janzer.