Der tschechische PEN-Club vor 80 Jahren und heute

Der PEN-Vorsitzende in Tschechien Jirí Stránský (links) und Kulturminister Pavel Dostál (Foto: CTK)

Was verbindet den Pariser Louvre und die tschechische Literatur? Auf den ersten Blick nichts, es gibt aber doch einen Zusammenhang: Im berühmten Prager Café Namens "Louvre" wurde vor 80 Jahren die tschechische bzw. tschechoslowakische Sektion der internationalen Schriftstellerorganisation PEN-Club gegründet. Erfahren Sie mehr über ihre Geschichte und Gegenwart im Kultursalon, der von Markéta Kachlíková vorbereitet wurde.

"In diesem Raum wurde vor 80 Jahren, d.h. am 15. Februar 1925, der tschechische PEN-Club gegründet. Dazu kam es vier Jahre nach der Gründung des ersten PEN-Clubs, d.h. des englischen. An diesem Ort wurde Karel Capek zum Vorsitzenden gewählt."

Mit diesen Worten leitete der heutige Vorsitzende des tschechischen PEN-Zentrums, Jirí Stránský, die Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag der tschechischen bzw. tschechoslowakischen Zweigstelle der internationalen Schriftstellerorganisation ein. Ort der Handlung war das Prager Café Louvre, in dem sich die Gründung damals abspielte.

Der tschechoslowakische PEN-Club wurde vor allem mit dem Anliegen ins Leben gerufen, die Freiheit des Wortes zu verteidigen und persönlichen Kontakten unter Schriftstellern zu dienen. Mit finanzieller Unterstützung der Regierung lud er ausländische Schriftsteller in die Tschechoslowakei ein. Die ursprünglich unpolitische Organisation verwandelte sich in den 30er Jahren in eines der ersten Foren, auf denen die faschistische Ideologie verurteilt wurde. Das Prager Zentrum spielte in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle. Ihm ist es zum Beispiel zu verdanken, dass Thomas Mann und weiteren deutschen Schriftstellern, die vor dem Nazismus aus dem Dritten Reich flüchten mussten, Asyl in der Tschechoslowakei gewährt wurde.

Einen Höhepunkt der Tätigkeit des tschechischen PEN in der Zwischenkriegszeit stellte der PEN-Weltkongress, der im Juni 1938 in Prag stattfand. Radio Prag hat damals aus dem Waldstein-Garten berichtet, in dem die Teilnehmer feierlich empfangen wurden.

"Nun, meine Damen und Herren, der Garten füllt sich mit Gästen des Unterrichtsministers. Lassen Sie mich ein paar Worte über die Bedeutung des PEN-Clubs und seines Kongresses in Prag zu sagen. PEN, also die Buchstaben PEN, das ist die englische Abkürzung für die Worte 'Poets', 'Essayists', 'Newspaper', also eine Dichter-, Essayisten- und Journalistenvereinigung. Übrigens diese Fanfaren, die Sie eben hören, wurden teilweise von Doktor Smetácek für das Fest komponiert. Es ist da ein wirkliches Sprachenbabel im Waldstein-Garten. Man hört also Tschechisch und Deutsch, Französisch, Englisch, Serbisch, Kroatisch, Rumänisch, Dänisch, Schwedisch, Spanisch und viele andere Sprachen. Ganz originell sind übrigens auch die Abzeichen, die die Mitglieder des PEN-Clubs tragen. Jeder Delegierte erhält ein kleines Seidenband auf dem mit Goldbuchstaben der Name seines Landes aufgedruckt ist. Andere Bändchen kennzeichnen die Sprachen, die der Delegierte beherrscht. Nach dem ersten Referat des Generalsekretärs der Vereinigung beginnen am Dienstag die ersten Arbeitssitzungen, die sich mit drei Fragen beschäftigen sollen. Der erste Tag ist der hohen und der populären Literatur gewidmet, der zweite Arbeitstag gilt der Kinderliteratur, der dritte soll sich mit den Fragen der Literatur und der Mitteln ihrer modernen Verbreitung, dem Radio, dem Film, Fernsehen usw. beschäftigen."

Soweit ein Radio-Prag-Bericht aus dem Jahr 1938. Die Tätigkeit des tschechischen PEN-Clubs wurde 1942 durch die Nazis verboten und im Exil fortgesetzt. In der kommunistischen Ära war seine Existenz nur formal, und zur Wiedergeburt kam es erst nach 1989.

Die Welt ist heute durch Fernsehen, Internet und weitere Kommunikationsmittel verflochten, und auch die Literatur ist heute ein anderes Medium als in der Zwischenkriegszeit. Deswegen muss der PEN seine Rolle immer aufs Neue suchen. Die Schriftstellerin Daniela Fischerová dazu:

Von links: Ivan Klíma,  Daniela Fischerová und Kulturminister Pavel Dostál  (Foto: CTK)
"Wir diskutieren dauernd, bis wohin der Begriff Schriftsteller erweitert werden kann. Ob zum Beispiel Vertreter der Wissenschaftsliteratur unter uns gehören? Dann entstehen weitere Fragen: Gehören Journalisten, Drehbuchautoren, Fernsehautoren in den PEN? Wie weit reicht der Schriftstellerberuf?"

Daniela Fischerová spricht auch über eine weitere grundlegende Frage, mit der sich PEN-Mitglieder auseinandersetzen müssen:

"Der Schriftsteller allgemein kann die Überzeugung beibehalten, dass die Literatur außerhalb der Moral stehe. Jeder könne schreiben, was er wolle, es sei keine ethische Sache, sondern die Kunst. Ein Schriftsteller, der ein PEN-Club-Mitglied ist, kann diese Voraussetzung nicht teilen. Durch die Unterzeichnung der PEN-Charta haben wir uns zu einer sehr klar definierten ethischen Maxime verpflichtet. Diese lautet vereinfacht: Die Freiheit des Wortes ist gut. Es sieht sehr selbstverständlich aus, aber ist - genauso wie der Großteil ethischer Voraussetzungen - gar nicht so selbstverständlich. Wir stehen in dieser modernen Welt, die über die Freiheit der Information als solcher diskutiert, zum Beispiel vor der Frage, bis wohin man die Freiheit des Wortes verteidigen soll? Wo endet die Freiheit des Wortes und wo wird sie zu einem gefährlichen Instrument in den Händen von Fanatikern und Demagogen. Können sie sagen, was sie wollen, und werden wir es unter dem Motto Freiheit des Wortes verteidigen? Das ist meiner Meinung nach eine der Fragen unserer Zeit."

Der PEN-Vorsitzende in Tschechien Jirí Stránský  (links) und Kulturminister Pavel Dostál  (Foto: CTK)
Das Engagement für die Meinungsfreiheit spielt weiterhin eine große Rolle in der Tätigkeit der PEN-Organisation. Dazu tragen die sog. "Writer-in-Prison-Commitees", also Ausschüsse für in Haft gehaltene Schriftsteller bei. Die Leiterin des tschechischen Ausschusses ist die Schriftstellerin Jana Cervenková.

"In der Welt gibt es etwa 50 Ausschüsse. Wir einigen uns und konzentrieren uns immer auf einen konkreten Fall, der aktuell ist, wo es bei einem Schriftsteller ums Leben geht, wo sich ein Gerichtsverfahren nähert usw. Unser Zentrum konzentriert sich vor allem auf China, wo es die Aufsehen erregendsten Fälle gibt. Weiter interessieren uns die Türkei, Russland, Weißrussland und Vietnam. In China zum Beispiel haben wir eine Patenschaft über einen inhaftierten Schriftsteller übernommen, der inzwischen freigelassen wurde, und zwar zwei Jahre früher als vorgesehen."

Im Jahr seines 80. Geburtstags kommt der tschechische PEN außerdem mit einer eigenen Initiative, und zwar der Verleihung eines PEN-Preises. Ausgangspunkt dafür ist die Ansicht, dass die Verleihung des Friedensnobelpreises immer mehr eine politische Färbung bekomme, sagt der PEN-Vorsitzende in Tschechien Jirí Stránský:

"Man würde den Preis an eine Einzelperson oder eine Organisation verleihen, die sich für die Hilfe für Menschen in Not und für unterdrückte Menschen verdient gemacht haben. Ein klassisches Beispiel kann das Geschehen nach der Katastrophe in Südostasien sein. Wir wollten ursprünglich den internationalen PEN-Club dazu bewegen, dass er dies tut. Es ist aber organisatorisch sehr anspruchvoll, wir werden es daher vereinfachen und mit Mitteln und Köpfen des tschechischen PEN-Zentrums zustande bringen. Wir wollen den Preis noch im Herbst dieses Jahres vorstellen."

Die 80-jährige Geschichte des Clubs dokumentiert eine Ausstellung in der Galerie Louvre in der Národní-Straße in Prag, die man bis zum 25. Februar besuchen kann.