Erfahrener Diplomat, Neuling in der EU-Politik: Martin Dvořák ist neuer tschechischer EU-Minister
Am Donnerstag wurden in Tschechien zwei neue Minister ernannt. Mikuláš Bek (Stan) wechselt von der Spitze des EU-Ministeriums ins Bildungsressort. Neu im Kabinett ist Martin Dvořák (Stan), der als Minister für EU-Angelegenheiten vereidigt wurde.
Hradec Králové / Königgrätz, Kosovo, Irak, USA und bis gestern das Czernin-Palais – also das Außenministerium in Prag: Dies waren einige der bisherigen Stationen in der Karriere von Martin Dvořák. Am Donnerstag bezieht er sein Büro im tschechischen Regierungsamt als neuer Minister für EU-Angelegenheiten.
1956 geboren, studierte Dvořák an der Hochschule für Wirtschaft in Prag. Seinen Verwaltungsposten in einem Fleischkombinat habe er nach Konflikten mit dem kommunistischen Regime für einen Job im Schlachthof eintauschen müssen, berichtete Dvořák einst in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Als ich zum Wirtschaftssekretär des Fleischkombinats aufsteigen sollte, landete ich nach der sogenannten Palach-Woche 1989 plötzlich in der Gerberei im Keller. Damals habe ich persönlich erleben müssen, wie sich Aufstieg und Fall anfühlen – wenn diejenigen, die einem eben noch auf die Schulter geklopft haben, nun die Straßenseite wechseln, um eine Begegnung zu vermeiden.“
In den ersten freien Wahlen nach der Samtenen Revolution wurde Dvořák 1990 zum Oberbürgermeister von Hradec Králové gewählt – zunächst als Mitglied des Bürgerforums (OF), später für die Partei ODA. 1998 wurde Dvořák durch den Stadtrat von dieser Funktion abberufen. Der Grund war die Verpfändung von städtischen Grundstücken, was der Geschasste im Interview selbst als Fehler eingestand:
„Sie haben gefragt, was mir da eingefallen ist. Mir ist zumindest nicht eingefallen, dass dies im Widerspruch mit dem Gesetz stehen könnte. Ich dachte, es wäre in Ordnung. Das war es aber nicht.“
Bald darauf wurde Dvořáks Arbeitsumfeld international. Im Oktober 1999 flog er als Mitglied der UN-Mission ins Nachkriegs-Kosovo und wurde etwa als Verwalter verschiedener Städte eingesetzt…
„Im Kosovo habe ich sogar Ehen geschlossen. Ich weiß nicht, wozu das für die Bewohner gut war, denn ebenso wichtig war die Segnung. Aber sie brauchten wohl ein Papier mit einem Stempel. Also haben wir die ersten Hochzeiten abgehalten.“
Diese und weitere Erfahrungen hat Dvořák in seinem Buch „Kosovo na vlastní kůži“ (Kosovo mit eigener Haut) festgehalten, das auch auf Englisch erschienen ist („Kosovo under my skin“). Ab 2003 half er beim Wiederaufbau der Regionalregierungen in Basra sowie bei den Vorbereitungen zur internationalen Irak-Geberkonferenz mit.
Seit 2004 war Dvořák Angestellter des tschechischen Außenministeriums. Als solcher übte er etwa fünf Jahre lang die Funktion des Generalkonsuls in New York aus und war vier Jahre lang Botschafter für Kuweit und Katar. Die jetzige Ernennung Dvořáks zum EU-Minister kommentiert Ondřej Houska von der Wirtschaftstageszeitung „Hospodářské noviny“ so:
„Dvořák ist ein erfahrener Diplomat. Zuletzt war er stellvertretender Außenminister. Anhand seines Lebenslaufes ist aber erkennbar, dass er bisher nicht mit der Europäische Union befasst war.“
Es zeichne einen guten Diplomaten allerdings aus, seinen Wirkungsbereich öfter zu wechseln, fügt Houska an und bekräftigt, er habe daher keinen Anlass zu glauben, dass Dvořák die neue Aufgabe nicht meistern werde.
Der Journalist weist aber auch auf die unterschiedliche politische Gewichtung in der Fünferkoalition von Petr Fiala (Bürgerdemokraten) hin. In einer Lage, in der der Premier, der EU-Minister und auch der Außenminister aus verschiedenen Parteien kommen, habe Dvořák nur ein schwaches Mandat:
„Den Minister für EU-Angelegenheiten brauchen wir meiner Meinung nach nicht. Seine Arbeit sollte jemand im Regierungsamt erledigen, also eine Person, die dem Premier sehr nahe steht. Bisher ist es so, dass der Stellvertreter des EU-Ministers viel mehr zu sagen hat in der tschechischen EU-Politik als der Minister selbst.“
Darum schlägt Ondřej Houska einen Vizepremier mit Zuständigkeit für die EU vor. Einen solchen habe es Ende der nuller Jahre mit Alexandr Vondra in der Regierung von Mírek Topolánek (beide Bürgerdemokraten) schließlich schon einmal gegeben, so Houska.