Jan Kašpar und die Anfänge der Luftfahrt in Böhmen
Eigentlich ist bis heute nicht geklärt, wer in den damaligen böhmischen Ländern den ersten Flug mit einem Flugzeug unternommen hat. Die Historiker sagen, es war Jan Kašpar. Dessen Cousin Evžen Čihák behauptete aber irgendwann, dass diese Ehre ihm gebühre. Wer auch immer recht hat, Kašpars erster Flug hat sich dieser Tage zum 110. Mal gejährt. Allerdings starb dieser Pionier der Luftfahrt in Armut. Im Folgenden mehr über sein Leben.
Wer war wirklich der Erste?
So verarmt, wie der Ingenieur aus dem Leben scheidet, so berühmt ist er zuvor durch seine Flugversuche und Flüge geworden. Der Pilot Jan Rudzinskyj ist Sprecher einer Flugshow, die seit 30 Jahren in Pardubice zu Ehren von Jan Kašpar veranstaltet wird. Gegenüber Radio Prag International sagte er:„Kašpar teilte seine Begeisterung für das Fliegen mit seinem Cousin Evžen Čihák, gemeinsam bauten sie auch das erst Flugzeug hierzulande. Mit diesem schafften sie es aber noch nicht, wirklich abzuheben. Im Übrigen wird Evžen Čihák häufig vergessen. Allerdings bekam Jan Kašpar von seinem Vater Geld und erwarb beim französischen Ingenieur Blériot eine seiner Maschinen. Diese brachte er nach Böhmen und unternahm hier dann seine ersten Flugversuche.“
Allerdings gibt es heute einen Streit darüber, wer von den beiden tatsächlich erstmals in die Lüfte abhob. Angeblich war es gar nicht Kašpar, sondern Čihák…„So ist es. Čihák schrieb sogar ein Buch darüber mit dem Titel ‚Wie ich flog und abgestürzt bin‘. In diesem schildert er, wie er der Erste war, der hierzulande geflogen ist. Die Historiker behaupten jedoch, dass dies nicht stimme. Aus heutiger Sicht war also Jan Kašpar der erste Flugpionier. Dennoch muss man Evžen Čihák als den besseren Piloten bezeichnen“, meint Rudzinskyj.
Jan Kašpar studiert in Prag an der Technischen Hochschule. Später arbeitet er bei einer Firma im westfälischen Altena, wo er auch seine erste Ballonfahrt unternimmt. Kurz darauf kehrt er in seine böhmische Heimat zurück und tritt eine Stelle an beim Škoda-Vorgängerunternehmen Laurin & Klement in Mladá Boleslav / Jungbunzlau. Einige Details über das Leben von Kašpar sind nur aus einem Brief bekannt, in dem er gegenüber einem Major der Armee seine Karriere als Pilot geschildert hat. In dem kurzen autobiografischen Text steht unter anderem:
„Mit großem Interesse verfolgte ich alle Versuche von Zeppelin, Blériot und Weiteren. Ich bedrängte meinen Chef, der ein bekannter Sportler war und forderte ihn auf, ein Flugzeug zu bauen.“Doch daraus wird nichts. Zu Anfang Juli 1909 gibt der Ingenieur seine Stelle bei Laurin & Klement auf. Er kehrt in seine Heimatstadt Pardubice zurück und beginnt mit dem Bau eines eigenen Flugzeugs. Mitten in den Arbeiten erreicht ihn die Nachricht über den Flug des Franzosen Louis Blériot über den Ärmelkanal am 25. Juli 1909.
Der Überflug einer Kuh
Zwar vollendet Kašpar noch den Flugzeugbau. Doch das Konstrukt ist zu schwer und der Motor zu schwach, als dass er wirklich damit abheben kann. Deswegen fährt der Flugbegeisterte nach Paris und kauft direkt von Blériot eine Maschine. Seine ersten Flugversuche mit einem selbstgebastelten Motor wollen noch nicht gelingen. Dann probiert er es mit einem Modell des italienischen Ingenieurs Anzani. Der Durchbruch kommt für Jan Kašpar am 16. April 1910…„Er hob ein paar Meter ab und flog mehrere Hundert Meter weit. Dazu wird eine lustige Geschichte erzählt. Damals gab es noch keinen Flugplatz, man übte auf Kuhweiden. Kašpars Wiese lag dort, wo heute der Hauptbahnhof von Pardubice steht. Bei der Fahrt mit dem Flugzeug soll ihm eine Kuh in den Weg gekommen sein, die er praktisch überspringen musste. Notgedrungen hob er deswegen ab“, so der Veranstalter der Flugshow in Pardubice.
Angeblich schafft der Ingenieur damals fast zwei Kilometer Strecke in der Höhe von 20 bis 25 Metern. Mit diesem Erfolg im Rücken absolviert er jedenfalls nur zwei Monate später seine Pilotenprüfung vor der entsprechenden Kommission.Doch Kašpars Traum ist natürlich nicht nur das Umrunden einer Kuhweide. Bis 1911 konstruiert er daher ein neues Flugzeug. Dieses stattet er mit einem Motor von Daimler mit 70 PS aus. Am 30. April des Jahres gelingt ihm der erste Fernflug. Es sind insgesamt knapp 20 Kilometer, und zwar auf der Strecke von Pardubice nach Chrudim und zurück. Berühmtheit erlangt dann der Flug von Pardubice nach Velká Chuchle bei Prag am 13. Mai 1911. Warum gerade diese Strecke? Jan Rudzinskyj:
„Er flog zusammen mit dem Zeitungsredakteur Jaroslav Kalva, wohl um zur Hochzeit seiner früheren Freundin zu kommen. Damit unternahm er den längsten Flug nicht nur in den böhmischen Ländern, sondern in der ganzen Habsburger Monarchie. Das machte ihn berühmt.“
Die 121 Kilometer Entfernung überwindet Jan Kašpar in 92 Minuten. Er landet auf einer Wiese neben der Pferderennbahn, wo ihn Freunde in Empfang nehmen. Alle Zeitungen der Monarchie berichten über die Pioniertat, selbst Louis Blériot aus Frankreich gratuliert später. Abenteuerlich ist damals die Luftfahrt auch deswegen, weil die Maschinen schwer zu steuern sind:„Damals wusste man kaum, auf welchem Prinzip die Eigenschaften von Flugzeugen beruhten. Deswegen wurde viel experimentiert. Einige Sachen, die man damals verwendete, sind heute aus Sicherheitsgründen nicht mehr zugelassen. Ich habe einmal die Ehre gehabt, in einem Nachbau eines Flugzeugs von Blériot zu fliegen, das auch Jan Kašpar genutzt hat. Es ist ein großartiges Erlebnis. Bei allen heutigen Maschinen ist der Start und die Landung der schwierigste Moment. Bei diesem Modell war es hingegen der Flug an sich. Es ist überhaupt nicht einfach, das Flugzeug in der Luft zu halten und geradeaus zu lenken.“
Bruchlandungen gehören deswegen damals zur Tagesordnung…„Natürlich, und Unfälle waren vorprogrammiert. Ständig musste das Flugzeug repariert und umgebaut werden. Dafür hatte Kašpar gute Mechaniker. Dasselbe gilt für Čihák, der seine Maschinen selbst gebaut hat. Ständig hatte er Unfälle und baute dann die Flugzeuge wieder zusammen“, sagt Jan Rudzinskyj.
Der Luftpionier stürzt finanziell ab
Der Erste Weltkrieg bedeutet jedoch für Jan Kašpar einen tiefen Einschnitt. Denn die Behörden konfiszieren seine ganze Flotte aus sieben Flugzeugen. Dazu Pilot Rudzinskyj:
„Er unternahm dann keine Flüge mehr. Für ihn war es ein schwerer Schlag, dass die zuständige k. u. k. Kommission sich auch weigerte, ihm einen Flugschein auszustellen. Obwohl er ein berühmter Flugpionier war, wurde er nicht als Flieger in der Armee aufgenommen. Die Kriegsjahre waren schwer für ihn, und das Schicksal meinte es nicht mehr gut mit ihm.“Nach dem Krieg versucht Kašpar tatsächlich, bei der tschechoslowakischen Luftwaffe unterzukommen. Aber ihm fehlen die Flugstunden und ein internationaler Pilotenschein…
Als sein Vater stirbt, versucht der Pionier der Lüfte, sich um das Familienvermögen zu kümmern. Doch seine Investition in das genannte Sägewerk und der Holzhandel gelingen ihm nicht. Zu den Schulden kommen psychische Probleme, aus denen er sich dann in den Selbstmord flüchtet.
In seiner Heimatstadt hat man Jan Kašpar aber natürlich nicht vergessen. Vor gut drei Jahren wurde in Pardubice deswegen eine Bronzestatue enthüllt. Doch um die Gestalt des Denkmals wurde damals heftig gestritten, wie Jan Rudzinskyj schildert:
„Es gab einen Architektur-Wettbewerb dafür. Diesen gewann ein etwas kontroverser, aber künstlerisch wohl sehr interessanter Entwurf. Und zwar handelte es sich um einen Mast mit einer Windhose. Doch die Führung der Stadt und die Historiker waren gegen diesen Entwurf. Letztlich wurde Geld für ein anderes Projekt gesammelt. Und so wurde die Nummer zwei des Architektur-Wettbewerbs realisiert. Dies war eine klassische Statue von Jan Kašpar, der einen großen Propeller festhält. Sie steht nun im Zentrum von Pardubice an der Friedensstraße.“