„Seit den 90ern ein positiveres Selbstbild“: Tschechen in Österreich
In diesen Tagen treffen sich bei einer Konferenz in Prag viele Tschechen, die verstreut über die ganze Welt leben: Auslandstschechen. Sie gibt es in den USA, in der Ukraine, in Schweden und auch in den deutschsprachigen Ländern. In der Schweiz leben beispielsweise 15.000 Tschechen und Slowaken. Eine besondere Geschichte haben Tschechen in Österreich, schließlich existierte noch bis zum Ersten Weltkrieg ein gemeinsamer Staat. Das Wien der Kaiserzeit bevölkerten damals wohl mehrere Hunderttausend Tschechen. Heute sind die Zahlen vergleichsweise gering. Dennoch gibt es ein reiches Kulturleben. Die jüngsten Zuwanderer – jene aus der 68er Generation - schlossen sich im Kulturklub der Tschechen und Slowaken in Österreich zusammen. Richard Basler ist stellvertretender Vorsitzender dieses Vereins - mit ihm ein Interview über Wiener Tschechen, ihre Identität und über den Kulturklub.
„Da muss man unterscheiden zwischen jenen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, und jenen, die insgesamt das Tschechische als Umgangssprache gewählt haben. Laut Volkszählung von 2001 sind es in Wien 6000 und in ganz Österreich 12.000, die die tschechische Umgangssprache gewählt haben und die österreichische Staatsbürger besitzen.“
Ihr Verein hat seinen Sitz in Wien. Wie ist er entstanden und was sind die Tätigkeiten?
„Der Verein wurde 1974 gegründet, hauptsächlich von Exulanten und politisch Verfolgten – Menschen, die damals aus der Tschechoslowakei flüchten mussten. Im Wiener Umfeld gab es einfach nicht die Möglichkeit, sich in die anderen Vereine zu integrieren - aus politischer Sicht und aus Sicht der Generationszugehörigkeit. Die meisten Flüchtlinge waren eher jünger, die Funktionäre der alteingesessenen Vereine hingegen älter. Das führte zu einem Generationenkonflikt und nachfolgend zur Gründung eines eigenen Vereins. Auch die Aktivitäten des Kulturklubs haben sich unterschieden, schon allein weil er von Anfang an stärker politisch engagiert war als die anderen Vereine. Politisch im Sinn von: Man muss sich für Leute einsetzen, denen Unrecht widerfahren ist. Es ging also darum, dass die Chartisten und andere politische Flüchtlinge von der Republik Österreich entsprechend behandelt werden. Später aber – nach dem Jahr 1989 – hat sich das politische Ziel etwas geändert. So soll auch dafür gesorgt werden, dass die vielen Künstler, die in Österreich in der Zwischenzeit beheimatet sind, weiter ihre Aktivitäten entfalten können. Und zwar so entfalten, dass auch die österreichische Bevölkerung wahrnimmt, welche kulturelle Bereicherung diese Emigranten gebracht haben.“
Sie haben den Fall des Eisernen Vorhangs angesprochen. Wie hat sich seitdem das Selbstbild der Tschechen in Österreich verändert?
„Die Selbstwahrnehmung hat sich zum Positiven geändert – das ist einmal etwas Angenehmes. Bis in die Mitte der 90er Jahre hat man sich eher dafür geschämt, tschechischen Ursprungs zu sein. Seitdem hat sich das gebessert, und immer mehr Leute, auch gesellschaftlich prominente Österreicher, bekannte Leute, Politiker, haben sich geoutet. Sie haben gesagt, dass ihre Oma, der Opa, vielleicht sogar die Eltern Tschechisch sprechen. Einer war zum Beispiel der ehemalige Finanzminister Lacina. Und wenn die Volksgruppe von sich selbst ein wesentlich positiveres Bild bekommt, ist das für den Erhalt der Volksgruppe existenziell wichtig. Nur wenn man glaubt, dass das Tschechische ein positives Erbe ist und eine Bereicherung, dann versucht man es schließlich auch weiterzugeben.“