In die Jahre gekommen, aber kein bisschen leiser: International Jazz Festival Prague

Für ihre Macher ist es der Ursprung aller Jazz-Festivals in Tschechien - das Internationale Jazz-Festival Prag. Noch zu tiefsten Zeiten des Kommunismus kamen in seinem Rahmen viele amerikanische Legenden dieser Musik in die Stadt an der Moldau. In diesem Jahr findet es zum 30. Mal statt. Doch welche Bedeutung hat es heute, da es nur noch eines von vielen Jazz-Festivals im Land ist? Dazu und zum Jubiläumsprogramm der folgende Beitrag.

Von Staatspräsident Vaclav Klaus mit Worten eingeleitet und der Milan Svoboda Big Band musikalisch eröffnet, startete am Donnerstag im Konzertsaal der Reduta der Jubiläums-Jahrgang des Internationalen Jazz-Festivals Prag . Bei seinem 30. Jahrgang werden noch bis Donnerstag insgesamt 20 Bands und Solokünstler aus zehn Ländern auftreten.

Gegründet wurde dieses Schaulaufen der Musikvirtuosen aber nicht vor drei Jahrzehnten, sondern bereits 1964. Eine Zeitlang fand es nur als Biennale statt. Damals war es das erste Jazz-Festival in der Tschechoslowakei und eines der ersten in Europa, was ihm allein schon zu einem guten Namen verhalf. Ivan Letov, der in den ersten Jahren unterstützend zur Seite stand und seit den 70er Jahren mit seiner Firma Pragokoncert das Festival organisiert, bekennt, dass sich seitdem einiges gewandelt hat:

"Es war fast einfacher, sozusagen in den trüben Jahren des Kommunismus, die Jazz-Legenden zu uns zu holen, als heute. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens haben die bedeutendsten Jazz-Künstler der Welt wie Louis Armstrong, Ella Fitzgerald oder Ray Charles, die wir alle in den 60er und 70er Jahren hierher gebracht haben, gewusst, dass sie hinter den Eisernen Vorhang fahren. Das heißt, sie wollten uns einfach Freude machen. Zweitens wussten sie, dass wir relativ devisenarme Länder sind. Also haben wir vergleichsweise lächerliche Summen für die Jazzgiganten gezahlt. Heute verlangen sie nicht zweimal, sondern zehnmal mehr."

Während also die Preise für Künstler wie Oscar Peterson oder Count Basie, um weitere Gäste von früher zu nennen, seit der Wende gestiegen sind, sank laut Letov zugleich das Budget des Festivals. Bewegte sich ehemals die Gesamtsumme in Millionenhöhe, sind es heute nur noch mehrere 100.000 Kronen, die ausgegeben werden können. Der Staat, der früher Geldgeber war, ist nur noch symbolisch durch die Schirmherrschaft des Präsidenten dabei. Die finanzielle Hauptlast tragen heute Privatsponsoren.

Zudem sind seit den 90er Jahren eine ganze Reihe weiterer Jazzfestivals in Tschechien entstanden. Und das nicht nur in Prag, sondern auch in anderen Städten des Landes wie Hradec Králové/ Königgrätz, Karlovy Vary/ Karlsbad oder Cheb/ Eger. Wie lässt sich das Internationale Jazz-Festival Prag also heute sehen? Ivan Letov hat da eine klare Meinung:

"Gott sei Dank sind wir immer noch die Ersten und die Wichtigsten, mit der größten Tradition, den größten Namen und der größten Hall of Fame. Sicher versuchen auch die anderen, große Namen zu bringen und den Jazz immer populärer zu machen. Doch wir fühlen uns als die Väter, und - das kann man wirklich mit Stolz sagen - die anderen Festivals sind unsere Söhne."

Ist das Internationale Jazz-Festival Prag also ein Vorbild für die anderen? Oder ist es vielleicht doch eher Konkurrenz? Michal Hejna, der Leiter des Agharta Jazz Festivals, das jedes Frühjahr und jeden Herbst in Prag stattfindet und vor allem mit Stars des Jazzrock und Funk wie Maceo Parker, John McLaughlin oder Billy Cobham aufwartet, sagt:

"Vorbild ist es in keinem Fall. Ich sehe die Verdienste des Festivals eher in der Vergangenheit, muss ich sagen. Ich habe aber keine Probleme damit, dass es weiter besteht. Ich bin froh, dass es in Prag mehr als nur unser Festival gibt, empfinde das aber auch nicht als große Konkurrenz. Im Gegenteil, Konkurrenz ist ja gesund."

Der Schirmherr des Internationalen Jazz-Festivals Prag, Präsident Vaclav Klaus, bringt den Kampf um die Vorherrschaft in den Prager Jazz-Clubs auf eine eher humorige Ebene. In seinen Begrüßungsworten befand er mit einem Augenzwinkern: Eigentlich stelle ja der "Jazz na Hrade", also der "Jazz auf der Burg", das Festival an seinem Amtssitz, alles andere in den Schatten.

Auch wenn die Frage der Vorherrschaft in den Prager Jazz-Clubs also nicht zu klären ist und die Finanzen knapper geworden sind, hat man sich auch beim 30. Jahrgang des Internationalen Jazz-Festivals Prag von zwei Grundsätzen leiten lassen.

"Erstens wollen wir jedes Jahr einen wirklichen Giganten bringen", sagt Ivan Letov und fährt fort: "Dazu wollten wir auch einen freundlichen Kampf zwischen dem amerikanischen Jazz und dem europäischen, einen Vergleich. Deswegen haben wir in diesem Jahr nicht nur Jazz-Stars aus Amerika, sondern auch zehn Bands aus Europa. Das sind meistens junge Avantgarde-Gruppen aus Ungarn, aus der Schweiz, aus Holland, England, Italien und Frankreich."

Messen lassen müssen sich die jungen Künstler in diesem Jahr mit dem Mundharmonika-Spieler Sugar Blue, der bereits vor Start seiner Solokarriere berühmt war. Denn in den 70er Jahren veredelte er Hits der Rolling Stones wie zum Beispiel das Stück "Miss You". Dazu kommt noch eine besondere Künstlerin.

"Absoluter Programmhöhepunkt ist dieses Jahr für meine Begriffe die amerikanische, in Paris lebende Hammondorgel-Spielerin Rhoda Scott, die zum zweiten Mal nach Prag kommt", sagt der tschechisch-deutsche Jazz-Experte Vojtech Hueber, der früher bei der Musikproduktion Schwarzwald in Villingen tätig war und seit den 80ern das Jazz-Festival in Prag berät.

Rhoda Scott wird am 2. November in der Lucerna Music Bar auftreten. Vojtech Hueber bezeichnet sie als diejenige Jazz-Musikerin, die heutzutage am klassischsten auf der Hammonorgel spielt.

Vor allem sei sie das, "weil sie die Basstöne barfuß auf den Pedalen unten spielt, was heutzutage nicht mehr so oft zu sehen ist. Heutzutage sind die Instrumente auch viel stärker elektronisiert. Aber die Original-Hammondorgel, die so genannte B3, mit den Leslie-Boxen und dem Leslie-Verstärker, das ist ja fast schon Historie."

Foto: www.jazzfestivalpraha.cz

Autor: Till Janzer
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