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10) Ländliche Architektur und Bräuche: Freilichtmuseum in Rožnov pod Radhoštěm

Mališ-Anwesen aus Lužná mit einem Glockenturm
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Im Osten Tschechiens, rund 22 Kilometer von der Grenze zur Slowakei entfernt, liegt Rožnov pod Radhoštěm / Rosenau unter dem Radhoscht. Der größte Touristenmagnet dort ist das Freilichtmuseum der Mährischen Walachei. Dieses bietet einen Blick in die Geschichte der Architektur und des Handwerks dieser Gegend. Im Advent werden auf dem Museumsareal zudem regionale Bräuche präsentiert.

Jindřich Ondruš | Foto: Michael Erhart,  Tschechischer Rundfunk

In Rožnov pod Radhoštěm befindet sich das größte und älteste Freilichtmuseum Tschechiens. Es wurde 1925 gegründet. Seit seiner Entstehung sei es jedoch deutlich umgestaltet worden, erzählt Museumsleiter Jindřich Ondruš.

„Damals standen im hiesigen Stadtpark nur zwei Gebäude. Inzwischen ist das Museum stark gewachsen. Die größte Anlage ist das Walachische Dorf. Zudem gibt es hier die sogenannte ,Holzstadt‘ und das Mühlental. Oberhalb der Stadt auf dem Berg Radhošť stehen die von Architekt Dušan Jurkovič entworfenen und im walachischen Stil gestalteten Holzbauten. Seit 2018 gehören drei weitere tschechische Freilichtmuseen zu unserem Museum. Wir rechnen zudem mit der Eröffnung eines neuen Museumsgeländes.“

Die größte Museumsanlage ist das Walachische Dorf | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Ondruš zufolge hat sich seit der Entstehung der Anlage jedoch nichts daran geändert, worum sich bereits die ersten Museumsmitarbeiter bemühten: das Vermächtnis unserer Vorfahren zu bewahren.

„Die Begründer wollten nicht nur eine Dauerausstellung von historischen Exponaten, sondern ein lebendiges Museum. Das Walachische Dorf hatte früher sein Zentrum im Tal, dazu gehörte jedoch auch das Gelände auf dem Hügel, auf dem im Sommer die Hirten lebten, das Vieh weideten und Stallungen betrieben. Wir möchten den Besuchern zudem die hiesige Forstwirtschaft näher bringen. Vor etwa 130 Jahren begann sich, der Tourismus in der Region zu entwickeln. Dies möchten wir im neuen Areal oberhalb des Walachischen Dorfes dokumentieren. Dort werden die sogenannten ,Kurloks‘ zu sehen sein.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Ein „Kurlok“ war ein Häuschen ohne Kamin, in dem die Hirten während der Saison in den Beskiden übernachteten und Milchprodukte verarbeiteten.

Im Advent steht das ganze Walachische Dorf im Zeichen der Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest. Aus den Bauernhäusern duften frisch gebackene Lebkuchen. In einem der Häuser schmückt Museumsmitarbeiterin Šárka Kramolišová einen Weihnachtsbaum. Dieser steht jedoch nicht auf dem Boden oder auf einem Tisch, sondern er hängt von der Decke herab. Dies habe praktische Gründe gehabt, so die Expertin.

„Die Familien hatten damals viele Kinder. Man befürchtete, dass sie den Christbaum auf dem Tisch umkippen könnten. Mit dem hängenden Baum wurde zudem Platz gespart.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Geheimnisse der Zukunft

Weihnachtszeit in der Volksschule aus Velké Karlovice-Miloňov | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Brauch des Weihnachtsbaums setzte sich auf dem Lande erst später durch als in den Städten. In den älteren Bauernhäusern im Freilichtmuseum steht aus diesem Grund eben kein Christbaum. Mehr als in den Städten wurden auf dem Lande aber Bräuche gepflegt, um die Geheimnisse der Zukunft zu enthüllen. So wurden der Expertin zufolge an Heiligabend beispielsweise Äpfel in zwei Hälften geteilt:

„Wenn das Kerngehäuse die Form eines Sterns hatte, bedeutete dies ein gesundes Jahr, die Form eines Kreuzes dagegen ein schlechtes Jahr. Einige spezielle Bräuche gab es in der Region für heiratswillige Mädchen. Diese gingen in der Nacht zu einer Kreuzung, weil sie als magischer Ort galt. Dort suchten sie nach einem schwarzen Holunderstrauch. Sie schüttelten dann den Strauch und sagten dabei einen Spruch auf. Darin hieß es unter anderem, der Hund solle sagen, wo der Liebste heute sei. Die Mädchen horchten dann, auf welcher Seite ein Hund bellte. Dies sollte die Seite sein, von der der Bräutigam käme.“

Weihnachtszeit im Freilichtmuseum in Rožnov pod Radhoštěm | Foto: Roman Verner,  Tschechischer Rundfunk

Wenn sie aber anstelle eines Hundes Kirchenglocken hörten, bedeutete das angeblich nichts Gutes für sie.

Heutzutage gehören Vanillekipferl und unterschiedliche Sorten von Plätzchen in Tschechien auf jeden Weihnachtstisch. Früher kannten die Bewohner der Mährischen Walachei diese Süßigkeiten jedoch nicht, denn sie waren verhältnismäßig teuer. Anstelle von Plätzchen wurden große Kuchen gebacken, „vdolky“ genannt. Museumsmitarbeiterin Vanda Vrlová:

Weihnachtszeit im Freilichtmuseum in Rožnov pod Radhoštěm | Foto: Roman Verner,  Tschechischer Rundfunk

„Diese großen Kuchen wurden auch als Hauptgericht serviert, nicht nur als Dessert. Es gab Kuchen mit Quark, Marmelade, Mohn, aber auch mit Kraut.“

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert begannen die Frauen, Lebkuchen zu backen. Diese hatten die Form von kleinen Figuren, Bauernhäusern oder Bäumen. Verziert wurden sie mit Eiweißglasur. Auch der Weihnachtsbaum wurde meist mit Lebkuchen geschmückt.

Weihnachtskrippe im Freilichtmuseum in Rožnov pod Radhoštěm | Foto: Roman Verner,  Tschechischer Rundfunk

„Wer keinen Weihnachtsbaum hatte, schmückte wenigstens ein Fichtenzweig mit den Lebkuchenfiguren.“

Gute Lebkuchen mussten Vrlová zufolge neun Gewürze enthalten: Anis, Fenchel, Ingwer, Muskatnuss, Muskatblüte, Nelken, Piment, Sternanis und Zimt. Nicht immer wurden jedoch die Lebkuchenfiguren gegessen. Kinder stellten vor allem Tierfiguren gerne in die Weihnachtskrippe.

Sog. Sommerhaus aus Karolinka-Rákošové | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Lebkuchen und Weihnachtsoblaten

Foto:  ČT24

In der Mährischen Walachei wurden an Heiligabend sogenannte „Weihnachtsoblaten“ serviert. In der Mundart werden sie „oplatek“ genannt. Anna Borová backt die dünnen Oblaten in einem historischen Ofen im Museum.

Weihnachtszeit im Freilichtmuseum in Rožnov pod Radhoštěm | Foto: Gabriela Hykl,  Tschechischer Rundfunk

„Das Backen von Weihnachtsoblaten geht vermutlich auf die beiden Slawenapostel Kyrill und Method zurück. In der Velislav-Bibel aus dem 14. Jahrhundert ist das Backen abgebildet. Der heilige Wenzel hält auf dem Bild eine Form für die Oblaten in der Hand.“

Die Oblaten aus ungesäuertem Teig aus Mehl und Wasser konnten mit Honig oder auch mit Knoblauch gegessen werden. Diese Tradition wird bis heute in Nordmähren, Litauen, Polen und in Ungarn bewahrt.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

An Heiligabend sei der Tisch in der Bauernstube mit einem Strauß aus Rosmarin geschmückt worden, erzählt die Museumsmitarbeiterin Leona Kelnerová. Rosmarin sei ein Symbol für das Leben gewesen, sagt sie.

„Unter der Tischdecke wurde ein Erntekranz versteckt. Dieser sollte im nächsten Jahr eine gute Ernte garantieren. Die Bäuerin backte in der Regel am Morgen speziell für Heiligabend einen Brotlaib und zudem auch einen Kuchen aus Hefeteig oder Dalken. Auf eine Stoffserviette legte sie Getreide und Gemüse, darunter Zwiebeln, Knoblauch, Kartoffeln und verschiedene Getreidesorten. Damit sollte garantiert werden, dass die Ernte im nächsten Jahr noch besser wird. Der Bauer eröffnete das Abendessen an Heiligabend mit einer Weihnachtsoblate mit ein bisschen Honig oder Knoblauch drauf. Jeder am Tisch bekam ein Stückchen davon. Alle sollten dadurch gesund bleiben.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Tisch wurde am 24. Dezember erst am Nachmittag gedeckt, denn am Vormittag wurde auf dem Bauernhof noch gearbeitet. Auf die Feiertage bereiteten sich die Menschen mit Fasten vor. In der Mährischen Walachei wurde dies streng eingehalten. Im Advent wurde wenig gegessen, dafür aber viel gebetet. Und es gab keine lustigen Veranstaltungen.

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Autoren: Martina Schneibergová , Andrea Kratinová
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