Vom Kanalputzer zum Ehrenbürger und Brückenbauer – Gottesdienst für Pfarrer Otte in Prag
Monsignore Anton Otte hat die positive Entwicklung in den tschechisch-deutschen Beziehungen seit den 1990er Jahren mit beeinflusst. Der Pfarrer ist am 29. Dezember im Alter von 82 Jahren gestorben. Am Freitag wurde er in Bamberg bestattet. Am Samstag fand in der Basilika St. Peter und Paul auf dem Prager Vyšehrad ein Requiem für den Geistlichen statt.
Den Gottesdienst auf dem Vyšehrad feierte der Prager Bischof Václav Malý. Unter den Teilnehmern waren Diplomaten, Politiker sowie zahlreiche Menschen, die sich in den tschechisch-deutschen Beziehungen engagieren und Anton Otte kannten. Der Geistliche stammte aus dem Städtchen Vidnava / Weidenau am Nordrand des Altvatergebirges, wo er auch aufwuchs. 1960 zog er als Spätaussiedler in die Bundesrepublik. 1967 wurde er in Bamberg zum Priester geweiht. Otte war unter anderem im Strafvollzug seelsorgerisch tätig. Nach der Wende von 1989 kehrte er in seine Heimat zurück. In Prag leitete er die neu entstandene Arbeitsstelle der Ackermann-Gemeinde. Der Pfarrer initiierte viele tschechisch-deutsche Begegnungen und Konferenzen.
Senator Pavel Fischer (parteilos) erinnerte in seiner Ansprache während des Requiems in Prag an den Geistlichen, der einst in der Tschechoslowakei nicht studieren durfte:
„Er arbeitete als Kanalputzer in Vidnava. Einige Jahrzehnte später wurde er Ehrenbürger der Stadt. Die Kommunisten ließen seinen Vater hinrichten. In einem Buchinterview sagte er, dass ohne eine Gemeinschaft, ohne die Lust, den anderen zu begegnen, und ohne Gerechtigkeit nichts Gemeinsames entstehen könne. In der tschechischen Gesellschaft, die unter zwei totalitären Regimes gelitten hat, zeigte er den Mut zur Versöhnung. Ohne ein lebenslanges Engagement von Persönlichkeiten wie Anton Otte wären die guten tschechisch-deutschen Beziehungen unvorstellbar.“
Im Mai 2005 wurde anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes eine tschechisch-deutsche Wallfahrt auf den Heiligenberg / Svatá Hora organisiert. Im nahegelegenen Slivice bei Milín fielen die letzten Schüsse des Zweiten Weltkriegs hierzulande. Vor dem dortigen Denkmal erinnerte Pfarrer Otte unter anderem daran, dass der Hass auch nach dem Kriegsende weiterhin zu spüren gewesen sei:
„Der Hass ist der Nährboden, der Urgrund aller Kriege – heißer wie kalter. Und unsere Freunde aus der Tschechischen Republik wissen, wie heiß ein kalter Krieg sein kann.“
Der Theologe Petr Křížek lernte Pfarrer Otte Anfang der 1990er Jahre kennen. Er war auch dabei, als die tschechische Schwesterorganisation der Ackermann-Gemeinde entstand. Über Anton Otte sagte er gegenüber Radio Prag International:
„Er war ein Mensch mit einem großen Herzen, ein Priester und ein Brückenbauer. Das ist meiner Meinung nach die beste Definition seines Seins.“
Als Geistlicher kümmerte er sich auch um Menschen am Rand der Gesellschaft. Petr Křížek dazu:
„Ich habe einmal das Glück gehabt, mit ihm Mitte der 1990er Jahre die Strafvollzugsanstalt in Nürnberg zu besuchen. Damals habe ich ihn in der Rolle des Seelsorgers erlebt, wie er mit den Verurteilten im Gefängnis ins Gespräch kam und mit ihnen solidarisch wurde. Wie er ihnen half, nach einer Versöhnung auch innerhalb ihres Lebens zu suchen. Erst später habe ich verstanden, wie sehr ihn die Erfahrung als Gefängnisseelsorger beeinflusst hat.“
Trotz der tragischen Erlebnisse aus der Jugend hatte der Pfarrer eine sehr intensive Beziehung zu seiner Heimatstadt Vidnava. Petr Křížek:
„Ich habe ihn öfters nach Weidenau begleitet. Nach dem Hochwasser in den 1990er Jahren war ich dabei, als er die Hilfe des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde in jenen Ortschaften anbot, in denen das Hochwasser sehr brutal zugeschlagen hatte. An diesem Engagement war sehr gut zu sehen, wie sehr ihm an seiner Heimat und an seinen Nachbarn lag.“